Mittwoch, August 31, 2005

E=mc²

Dana hat von ihrem Bruder eine Rätselfrage bekommen, die dieser wohl im Netz fand:

"Energy is mass multiplicated with lightspeed to the power of two. So now cut the rock off, put the guilty one instead and you have the answer."

Zu deutsch also etwa:

"Energie ist gleich Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat (E=mc²). Schneide den Felsen weg (ab) und setze stattdessen den Schuldigen ein, dann hast du die Antwort".

Keine Ahnung wie die Metapher zu deuten ist, vielleicht spielt sie auf etwas aus Einsteins Biographie an, vielleicht hat sie auch einen physikalischen Bezug. Vielleicht meint sie aber auch einfach nur die Formel (z.B. die hoch zwei als Felsen, der sich vom Rest abhebt, usw.). Vielleicht ist es auch einfach nur ein Wortspiel innerhalb der englischen Sprache.

Ich habe das Rätsel inzwischen auch in der PIK-Group und der HF-Group gestellt, sowie Qf darauf angesetzt. Bisher konnte das Rätsel aber niemand knacken.

Dienstag, August 30, 2005

Machen Bon Jovi Werbung für die Sozialwahl?

*lacht* Ist jemandem eigentlich schon mal die optische Nähe zwischen dem aktuellen Bon Jovi Cover und dem "Maskottchen" der Sozialwahl aufgefallen? Bei Bon Jovi sehen wir ein rotes, quadratisches Smiley mit bösem Blick, bei der Sozialwahl hat das Smiley die Form eines Briefumschlages und schaut freundlicher, trotzdem ist die Ähnlichkeit doch verblüffend oder nicht?

Wer hat hier von wem abgekupfert und was für sublime Botschaften verstecken sich dahinter? Werben Bon Jovi insgeheim vielleicht für die Sozialwahl? *lacht*

CSI:NY kann nicht wirklich überzeugen

Gestern Abend lief auf VOX "CSI New York", nach "CSI Miami" der zweite Spin-off der Kultserie "CSI". Der wesentliche Unterschied zu den Vorgängern, so wurde es in Presseberichten immer wieder lanciert, sei daß die Charaktere viel besser und detaillierter aufgebaut sind.

Das klingt nicht schlecht, nur hatte man nach der gestrigen Doppelfolge den Eindruck, daß der eigentliche Plot dabei ein wenig auf der Strecke bleibt. Die ganze konzeptuelle Idee hinter CSI ist es, Kriminaltechniker und Spurensucher bei ihrer professionellen Arbeit zu zeigen. Alles was die neutrale Analyse der Beweise trüben könnte, wie etwa Emotionen, soll nach Möglichkeit draußen bleiben. CSI lebt von der Coolness seiner Darsteller, sie sind keine Eisblöcke sondern leiden natürlich auch mit den Opfern mit, bewahren sich aber dennoch die nötige Distanz die ihre Arbeit eben erfodert.

Und was sieht man am Ende der ersten Folge von CSI:NY? Der Hauptdarsteller Detective Mac Taylor (Gary Sinise) trauert um seine Frau, die er bei 9/11 verloren. Dabei schwadroniert er darüber, daß er wegen der schmerzhaften Erinnerungen alles was ihn an sie erinnert weggeworfen hat, bis auf einen gelben, aufblasbaren Ball, den er nicht wegschmeißen kann, weil darin noch der Atem seiner Frau ist. Dann sagt er so Sätze wie "Jeder stirbt mehr als einmal in seinem Leben, aber wenn wir aufhören zu kämpfen, dann sterben wir jeden Tag". Bitte was? Es war eigentlich einer der Vorzüge von CSI, daß man dort auf derlei Pathos und hohle Phrasen verzichtet hat. Gil Grissom hat man solche Sätze jedenfalls nie sagen hören.

In welchem Verhältnis steht dazu dann der eigentliche Plot? In der ersten Folge geht es um einen russischen Exilanten, der Arzt ist und Frauen mit einem speziellen, spockähnlichen Würgegriff ins "Wachkoma" versetzt. Ein Opfer überlebt und kann sich nur noch mit Augenblinzeln verständlichen machen, bevor es stirbt. Am Ende kommen die Ermittler dem Täter wegen seiner kyrillschen Initialen auf einem Koffer auf die Spur. Nett, aber auch nicht besonders spektakulär.

In der zweiten Folge jagt Taylor die ganze Zeit über eine Ratte, die ein Projektil verschluckt hat. Ein Vorgang, dessen Erzählung eigentlich nicht mehr als 5 Sendeminuten benötigen sollte. Seine Kollegen verfolgen derweil einen Vergewaltiger, aus dessen Sperma sie keine DNS gewinnen können. Natürlich hat das Opfer ihn stark gekratzt und daher vermutlich jede Menge DNS von ihm unter den Fingernägeln, was aber für eine CSI Folge zu gewöhnlich wäre, also muß der Täter (ein Gärtner) mal wieder mit Pollen (Blütenstaub, whatever) überführt werden.

Die CSI-Serien leiden wie alle anderen Serien auch zunehmend unter der Tatsache, daß ihnen bei fortgeschrittener Anzahl von Folgen die Inhalte ausgehen. Die Fälle und ihre Aufklärung werden immer absurder und immer unwahrscheinlicher. Im Gegensatz zur Realität muß im Fernsehen ja immer etwas besonderes an einem Fall sein, was ihn von normalen Fällen abhebt. Wenn z.B. ein Mann einen anderen erschießt, tagsdarauf verhaftet und anhand seiner Waffe überführt wird, ist das nicht so besonders. Frißt zwischendurch eine Ratte die Kugel, dann weicht das schon deutlich von der Norm ab. Nur irgendwann sind alle halbwegs denkbaren Varianten durchgespielt und der Aufbau des Plots wirkt entweder zu sehr konstruiert oder eben zu langweilig, weil es ähnliches schon mal zu sehen gab.

Links:

- IMDb-Eintrag zu CSI:NY
- Definition des Begriffs "Spin-off" in der Wikipedia
- Wikipedia-Eintrag zur Serie "CSI"
- IMDb-Eintrag zu Gary Sinise

Montag, August 29, 2005

"MSN Volk" wählt Julia Bonk zur neuen Kanzlerin

Eine Umfrage in meinem Blog und den MSN Groups "Herzflimmern" und "Politisch inkorrekt" zum Thema wer denn die rein optisch beste Kanzlerin wäre, brachte folgendes Ergebnis:

Für Julia Bonk:
Hartzog, Aqualis, Störte, eiskönigin_22, Querulant, EasyStoned

Für Katherina Reiche:
Linda, digame, Compumouse

Für Sahra Wagenknecht:
obram, Bloomsday

Für Dr. Silvana Koch-Mehrin:
koenigLudwig

Für Annette Widmann-Mauz:
Thomasdada

Zusammenfassend also 6 Stimmen für Julia Bonk, 3 Stimmen für Katherina Reiche, 2 Stimmen für Sahra Wagenknecht und jeweils eine für Silvana Koch-Mehrin und Annette Widmann-Mauz. Damit ist Julia Bonk die neue MSN-Bundeskanzlerin der "Herzen"! :D

Donnerstag, August 25, 2005

Pat Robertson ruft zur Ermordung von Hugo Chávez auf

Der einflußreiche, erzkonservative US-Fernsehprediger Pat Robertson hat zur Ermodrung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez aufgerufen. "Wir haben die Fähigkeit, ihn auszuschalten, und ich glaube die Zeit ist gekommen, daß wir diese Fähigkeit nutzen (...) Wenn er glaubt, wir wollten ihn umbringen, dann ist das genau das, was wir tun sollten", sagte Robertson in seiner Sendung "The 700 Club" am Montagabend.

Weiter sagte er, den "Diktator" in Caracas zu beseitigen sei "viel billiger, als einen Krieg zu beginnen". Chavez wolle sein Land zu einem Stützpunkt für kommunistische Infiltration und muslimischen Extremismus machen

Die Spannungen zwischen Venezuela und den USA sind seit langem bekannt, aber das stellt vermutlich noch mal eine weitere Eskaltionsstufe dar. US-Stellen gingen denn auch sofort auf Distanz zu der Äußerung, Verteidigungsminister Rumsfeld sagte so etwas verstieße gegen das Gesetz und versicherte, sein Ministerium tue so etwas nicht. Der Sprecher des Außenministeriums, Sean McCormack, nannte Robertsons Äußerung "unangemessen".

Robertson ruderte inzwischen zurück und sagte er sei fehlinterpretiert wurden: "Ich sagte, unsere Spezialkräfte sollten ihn entfernen und entfernen kann viel heißen, auch kidnappen". Weitere Konsequenzen scheint die Affäre für ihn nicht zu haben.

Ralf Leonhard kommentiert in der taz: "Doch gerade, was den Terrorismus betrifft, wird in Washington mit zweierlei Maß gemessen. Man stelle sich nur vor, ein muslimischer Imam hätte in den USA via Fernsehen zur Ermordung eines Staatschefs aufgerufen."

Links:

- "Mordaufruf gegen Venezuelas Staatschef", SPON, 23.08.05
- "US-Regierung distanziert sich von Mordaufruf gegen Chavez", SPON, 24.08.05
- "CIA-Traditionen in Venezuela", taz, 25.08.05
- "Haßprediger des Tages", junge Welt, 25.08.05

Mittwoch, August 24, 2005

Wurde die Welt von einem Spaghetti-Monster erschaffen?

In den USA befinden sich die so genannten "Kreationisten" auf dem Vormarsch. Der Kreationismus geht davon aus, daß das Universum (und damit auch die Erde und die Menschen) von Gott erschaffen wurde. Der Kampf der Kreationisten richtet sich dabei insbesondere gegen die darwin'sche Evolutionstheorie. Obwohl der Kreationismus als Pseudowissenschaft gilt, hat er in den USA in den letzten Jahrzenten stark an Einfluß gewonnen.

Dabei spielt insbesondere das sog. "Intelligent Design (ID)", eine Spielart des Kreationismus, eine zentrale Rolle. Die Intelligent Designer sind bemüht den Spieß umzudrehen und werfen den Evolutionstheoretikern vor, wissenschaftlich nicht haltbare Thesen zu vertreten. Anhand von Wahrscheinlichkeitsrechnungen wird der Versuch unternommen nachzuweisen, daß viele Entwicklungen in der Evolution nicht "rein zufällig" geschehen sein können. Es müßte ein Über-Ich geben, einen "Designer" der mit ordnender Hand in diese Prozesse eingreift.

So wird z.B. im US-Bundesstaat Kansas seit dem Frühsommer diesen Jahres an Schulen neben der konventionellen Evolutionstheorie auch das "Intelligent Design" im Biologieunterricht gelehrt. Vereinfacht ausgedrückt läuft dieses System letztlich darauf hinaus, den Schülern näherzubringen, daß der Mensch nicht zwangsläufig vom Affen abstammt, sondern auch von Adam und Eva abstammen könnte. Da es durchaus unterschiedliche Strömungen im Kreationismus gibt, muß man hier sicherlich genauer differenzieren, wer eigentlich was will und was vertritt. Generell gibt es aber den religiös-politischen Trend, langfristig die Evolutionstheorie durch den Kreationismus als vorherrschende Lehrmeinung zu ersetzen.

Wie konnte es überhaupt soweit kommen? Im wesentlichen sind hier zwei Gründe zu nennen: die enormen finanziellen Ressourcen die auf Seiten der religiösen Rechten für diesen Umschwung aufgebracht wurden und zum zweiten das us-amerikanische Justizsystems, dessen sich die Kreationisten bedienten, um ihre Ansichten per Klagen durchzusetzen, um sie in den Bildungsinstitutionen verankern zu können.

Wie wehrt man sich nun dagegen? Ganz einfach, indem man dieses System seiner Lächerlichkeit preisgibt und es mit seinen eigenen Waffen schlägt. Wie das ganz konkret geht, hat der 25jährige Physiker Bobby Henderson vorgemacht. Er schrieb einen Brief an die Schulbehörde in Kansas, daß er und viele andere Mitmenschen daran glauben würden, daß die Welt von einem "Spaghetti-Monster" erschaffen wurde: "Wir sind überzeugt, daß die überwältigenden wissenschaftlichen Beweise für einen Evolutionsprozess nichts als Zufall sind, die Es [das Spaghetti-Monster] hinterlegt hat."

Die Idee hinter diese Satire ist so simpel wie naheliegend: Wenn die wissenschaftliche Grundlagen es angeblich erlauben, den Schülern zu lehren, daß die Welt von Gott erschaffen wurde, kann man genauso gut auf der Meinung insistieren, sie wäre von einem Spaghetti-Monster erschaffen wurden. Henderson besteht nun darauf, daß seine "Religion" (die sich "Pastafarianismus" nennt) die gleiche Beachtung im Schulunterricht erhält, wie die der Kreationisten.

Um dieses Spaghetti-Monster ist inzwischen ein regelrechter Kult im Netz entstanden, nach ersten Zeichnungen von Henderson selbst, haben sich inzwischen auch Dritte an einer möglichst detailgetreuen Darstellung des Monsters versucht. Nachdem die Story von BoingBoing gepuscht wurde und inzwischen selbst SPON erreicht hat, setzt sich der Hype ungebrochen fort. Über 51.000 Websites gibt es laut Google inzwischen zum "Flying Spaghetti Monster" (so die offizielle Bezeichnung). Bei BoingBoing wurde inzwischen ein Preisgeld von einer Million Dollar ausgesetzt für den Beweis, daß Jesus Christus nicht der Sohn eines Spaghetti-Monsters war.

Links:

- Wikipedia-Eintrag zur Definition von "Kreationismus"
- Wikipedia-Definition von "Intelligent Design" unter dem Stichwort "Kreationismus"
- Wikipedia-Eintrag zur Definition von "Evolutionstheorie"
- "Und die Erde ist doch eine Scheibe", Telepolis-Artikel zur "Intelligent Design"-Bewegung
- Website von Bobby Henderson, dem Erfinder des "Flying Spaghetti Monster"
- SPON Artikel zum "Flying Spaghetti Monster"
- Wikipedia-Eintrag zum Stichwort "Flying Spaghetti Monster" (englisch)
- "Boing Boing's $250,000 Intelligent Design challenge (UPDATED: $1 million)"

Mehr Space Power

Der englischsprachige Ableger von MSN Spaces ist technisch schon etwas weiter, dort bieten einem sog. "PowerToys" mehr Gestaltungsraum was den Blog betrifft. In Deutsch werden diese Funktionen zwar offiziell nicht supported, sind aber natürlich auch einsetzbar, wie die SpacesCommunity dokumentiert.

Voraussetzungen:
- Die Spracheinstellung kurzfristig einmal auf Englisch umstellen
- Der Einsatz des Internet Explorers als Browser

PowerToy: Tweak UI
Mit "Tweak UI" läßt sich die die Farbdarstellung (Hintergrundfarbe, Linkfarbe, Hintergrundbild, usw.) des Blogs verändern.

PowerToy: Custom HTML
"Custom HTML" erlaubt es ein Modul in den Blog zu integrieren, in welchem man HTML-Tags einfügen kann. Damit kann man z.B. Counter an den Seitenrändern platzieren und nicht wie bisher nur in den nach unten rutschenden Blog-Einträgen selbst (wie z.B. auch in diesem wieder). Auch andere Images, wie z.B. eigene Logos im Kopf des Blogs lassen sich so integrieren.

PowerToy: Windows Media Player
Auch der Windows Media Player kann jetzt als Modul in den Blog integriert werden, um Videos oder Lieder abzuspielen.

Die für die Aktivierung der Erweiterung nötige kurzzeitige Umstellung auf Englisch stört weniger, was momentan noch nervt, ist die Nicht-Unterstützung der PowerToys in anderen Browsern. Aber damit läßt es sich sicherlich leben, unterm Strich ist das schon ein wesentlicher "Evolutionsschritt", weil es eine weit aus individuellere Gestaltung des Space erlaubt. Der HTML-Code der Templates wird zwar nicht völlig zum Editieren freigegeben, doch kann man am äußeren Erscheinungsbild des Blogs deutlich mehr selber machen als zuvor.

Samstag, August 20, 2005

Die rein optisch beste Kanzlerin?

Ich denke, es ist Konsens, daß das äußere Erscheinungsbild von Politikern bei ihrer Bewertung eine nachgeordnete Rolle spielen sollte. Klar sollte so ein Politiker in der heutigen Zeit "fernsehtauglich" rüberkommen können, aber hübsch auszusehen ist nicht unbedingt das, was man in erster Linie von Politikern erwartet.

Vernachlässigen wir aber für einen Augenblick alle parteipolitischen Präferenzen und inhaltlichen Überlegungen, welche deutsche Politikerin wäre rein optisch die beste Kanzlerin? Damit hier nicht nur Namen von Schauspielerinnen und Models fallen, habe ich die Suche etwas eingegrenzt: Es dürfen nur Frauen genannt werden, die auch tatsächlich in Deutschland in einer Partei politisch tätig sind (und da wird die Suche dann schon deutlich schwieriger :p).

Hier meine Vorschläge, sagt mir, welche ihr wählen würdet. Ansonsten dürft ihre eure Wunschkandidatin natürlich gerne ergänzen ;).

Katherina Reiche, CDU
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Sahra Wagenknecht, Linkspartei
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Julia Bonk, parteilos (Linkspartei nahestehend)
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Dr. Silvana Koch-Mehrin, FDP
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Anna Lührmann, Grüne
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Barbara von Wnuk-Lipinski, CDU
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Prof. Dr. Margarita Mathiopoulos, FDP
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Freitag, August 19, 2005

Die "Shoot-to-kill"-Strategie in London

Der Skandal um die Erschießung des Brasilianers Jean Charles de Menezes wird immer größer.

Erst hieß es, er habe einen langen dunklen Wintermantel getragen und sich damit verdächtigt gemacht, heute ist klar, daß er nur einen Jeansjacke anhatte. Weiterhin hieß es, er sei schnell gerannt und habe sich dadurch weiter verdächtig gemacht, jetzt ist auf den Videobändern zu sehen, daß er nur normal in die Station gelaufen ist und erst auf den letzten Metern anfing zu laufen, um die U-Bahn noch zu kriegen. Auch daß er eine Eingangssperre an der U-Bahn übersprungen haben soll, ist widerlegt.

Inzwischen ist bekannt gegeben worden, daß es zwei Polizeiteams gab. Eines was Menezes noch vor dem Betreten der U-Bahn abfangen sollte und ein Spezialkommando in der U-Bahn-Station selbst, daß ihn notfalls abfangen sollte. Da das erste Team ihn nicht rechtzeitig erwischte, schritt das Sonderkommando ein, kam aber zu spät, um ihn noch rechtzeitig vor betreten der U-Bahn stellen zu können. Ergo haben sie dann einfach drauf losgeschossen.

Nicht nur, daß sie den falschen Mann verfolgt haben (sie konnten ihn nicht eindeutig identifizieren, weil der für die Videoüberwachung zuständige Beamte im entscheidenen Moment auf Toilette war), sie haben es organisatorisch auch nicht auf die Reihe bekommen, ihn vorher abzufangen und zu überprüfen. Als er dann schließlich dabei war, die U-Bahn zu betreten, haben sie geschossen. Inzwischen gibt es eine Augenzeugen-Version eines Überwachungsbeamten, dernach Menezes längst gesessen und von ihm fixiert worden sein soll, bevor andere Polizeikräfte doch noch das Feuer eröffneten.

Doch wer ist dafür verantwortlich zu machen? In der ganzen Hysterie die in der Stadt herrschte ist es nicht so unwahrscheinlich, daß unter Anspannung stehende Polizisten irgendwann die Nerven verlieren. Andererseits sollte ihre Ausbildung doch so solide sein, daß sie diesem Druck standhalten und nicht einfach drauf losschießen. Wenn das nicht der Fall ist, sollte man die sog. "Shoot-to-kill"-Strategie vielleicht doch noch mal überdenken.

In jedem Fall ist aber die Informationspolitik mehr als fraglich, da die von den Verantwortlichen lancierte Darstellung des Vorfalls offensichtlich nicht mal ansatzweise der Wahrheit entspricht.

Links:

- SPON, "Einsatzleitung wollte Menezes lebend", 18.08.05
- SPON, "Geheimbericht listet fatale Fehler der Polizei auf", 17.08.05

Donnerstag, August 18, 2005

Die andalusische Katze

Vergangene Nacht lief auf arte die Wiederholung von Gérald Hustache-Mathieus Kurzfilm "Die andalusische Katze" ("La chatte andalouse"). Ein sehenswerter, fast poetischer Film.

Die 21jährige Schwester Angèle (Sophie Quinton wie immer mit magischer Anziehungskraft) ist Nonne in einem Kloster in der Normandie. Sie scheint sich an das emotionslose Klosterleben gewöhnt zu haben, fährt täglich mit dem Fahrrad zu den klostereigenen Bienenstöcken, um Honig abzuschöpfen der dann im nächsten Dorf auf dem Markt verkauft wird.

Ihr Leben ändert sich schlagartig, als sie im örtlichen Krankenhaus die sterbenskranke Malerin und Bildhauerin Rosa Maria Dolores (Blanca Li) kennenlernt. Angèle soll Rosa in ihren letzten Tagen geistlichen Beistand leisten. Die beiden freunden sich an und Rosa versucht Angèle ihren lebensbejahenden, künstlerischen, leidenschaftlichen Lebensstil näherzubringen. Schließlich bittet Rosa Angèle darum, ihr letztes Kunstwerk zu vollenden. Dieses besteht aus einem Regal, indem sich 48 in Gips gegossenen Phallusse und eine Vagina befinden. Das Problem: Es fehlen noch zwei Phallusabdrücke und der der Vagina.

Natürlich lehnt Angèle zunächst schockiert ab, nimmt die Sache dann aber doch in Angriff, nachdem Rosa verstorben ist. Für den ersten Phallus ist schon ein Model "gebucht", hier erübrigt sich die Suche. Beim zweiten wird dies schon schwieriger, jedoch spricht Angèle dann Paolo (Cédric Grimoin) an, der bei ihr auf dem Markt Honig kauft. Als Paolo erfährt, worum es geht, versucht er zunächst davonzurennen. Angèle kann ihn jedoch überreden sie erst mal zu den Bienen zu begleiten und dabei die ganze Geschichte erklären. Schließlich zeigt er sich bereit und der letzte Phallusabdruck entsteht. Für die Vagina nimmt Angèle dann schließlich eine passgerechte Muschel, die Paolo ihr nach einem Bad im Meer mitgebracht hat. Am Ende thront, wie von Rosa ursprünglich geplant, eine pupurrote Vagina zwischen 48 dunkelblauen Phallussen im Regal.

In der letzten Sequenz sieht man dann Angèle ohne Nonnentracht auf einer Leiter stehend das kleine Haus von Rosa streichend, während Paolo um die Ecke kommt und ihr eine Katze mitbringt. Offenbar hat Angèle ihr Leben als Nonne also aufgegeben, ist mit Paolo zusammen in das kleine Haus gezogen und führt nun das Künstlerleben von Rosa fort.

Auf der arte Website wird es treffend zusammengefaßt: "Während des ganzen Vorhabens findet sich Schwester Angèle in einem Konflikt zwischen dem Verlangen, dem Kunstwerk gerecht zu werden, und einem ständigen Gefühl der Schuld wieder. Das führt nicht nur zu sehr komischen Momenten, sondern auch zu einer Auseinandersetzung mit Sexualität und Kunst, die auf angenehm originelle Weise dargestellt wird. 'Die andalusische Katze' enttäuscht erste Erwartungen: Der Film verfällt weder in platten Voyeurismus, noch in polemische Religionskritik, sondern behandelt feinfühlig das Thema Liebe, sei es körperliche, moralische, oder die Liebe zur, bzw. in der Kunst."

Links:

- arte Website zu "Die andalusische Katze"
- IMDb-Eintrag zu "La chatte andalouse"
- IMDb-Eintrag zu "Gérald Hustache-Mathieu"
- IMDb-Eintrag zu "Sophie Quinton"
- IMDb-Eintrag zu "Blanca Li"
- IMDb-Eintrag zu "Cédric Grimoin"

Montag, August 15, 2005

I hate Kreuzberg

Um den Berliner Stadtteil Kreuzberg ranken sich viele Mythen und Legenden. In der Jungle World gibt es seit kurzem die Artikel-Serie "I hate Kreuzberg", bei der die Autoren ironisch und manchmal auch polemisch mit diesem typischen Kreuzberger Image abrechnen, es als Fiktion entlarven.

I hate Kreuzberg, Teil I, "Zu deutsch!", von Bayram Karamollaoglu, in: Jungle World Nr. 19/2005:
"(...) In Kreuzberg gibt Spezial-Aleman-Frau, Öko-Frau. Die rede. Ich sag: 'Boncuk gözlüm, deine Augen strahlt wie Himmel blau'. Sie sagt: 'In Türkei viel Folter.' Ich sag: 'Alles egal, wenn ich seh deine schöne Augen.' Sie sagt: 'Schlimm, viel Folter.' Undsoweiter, ganse Tag, immer nur labern, labern, nix ficke (...)"


I hate Kreuzberg, Teil II, "Zu staatstragend", von Stefan Wirner, in: Jungle World Nr. 22/2005:
"(...) In Wirklichkeit aber näherte sich dieser Teil Berlins in den vergangenen Jahren dem an, was Herbert Marcuse in seinem Buch 'Der eindimensionale Mensch' einst als 'Gesellschaft ohne Opposition' beschrieb. Der Stadtteil kann mit abweichenden Meinungen schon lange nicht mehr aufwarten. Kreuzberg ist der rot-grüne Regierungskiez in der Mitte der Berliner Republik (...)"


I hate Kreuzberg, Teil III, "Zu betreut!", von Doris Akrap, in Jungle World Nr. 26/2005:
"(...) Soll ein neuer Mülleimer aufgestellt werden, veranstaltet diese charmantere Variante des Kiezblockwarts drei Anwohnerbefragungen, zwei Architektenwettbewerbe und fünf öffentliche Begehungen und lässt ein Minderheitengutachten einholen. Auf diese Weise werden diverse arbeitslose Akademiker alimentiert (...)"


I hate Kreuzberg, Teil IV, "Z’heimelig", von Thomas Blum, in: Jungle World Nr. 28/2005:
"(...) Zuerschd, wenn ma’ hierher zieht, isch’s scho a bissle schwierig. Die Leut’ hier könne’ ja alle kein richdig’s Deutsch. Die sage’ in der Bäggerei 'Schribbe' statt 'Weggle', wenn sie a Semmel moine’. Des vaschdehd doch koi Sau. Die Leut’ hier habe’ oifach koine wirgliche Kuldur (...)"


I hate Kreuzberg, Teil V, "Zu konstruktiv", von Dirk Hempel, in: Jungle World Nr. 32/2005:
"(...) Kreuzberg ist das Paradies auf Erden. Ein Zufluchtsort für alle Entrechteten, Geknechteten und Ausgestoßenen. Diese Leute lieben Kreuzberg. Ist ja klar. Denn hier kommen die selbst stilisierten Außenseiter endlich mal zu Wort. Sie haben zwar nicht wirklich etwas Interessantes zu sagen. Das aber ist egal. Hauptsache, sie hören sich selbst reden (...)"

Viele Kreuzberger leben in einer Art "Haßliebe" zu ihrem Bezirk. Viele schätzen das liberale, weltoffene Klima, den gelebten Multikulturalismus, usw. Andererseits sind sie sich natürlich des Umstandes bewußt, daß auch Kreuzberg inzwischen nach den gesitteten Regeln bürgerlicher "Vereinsmeierei" funktioniert und bei weitem nicht mehr so wild ist, wie zu Hochzeiten der Hausbesetzer und Spontis. Der Mythos Kreuzbergs als Krawallhochburg nährt sich inzwischen nur noch vom 1. Mai und auch diese Tage sind de facto längst passé.

Donnerstag, August 11, 2005

Über Huntingtons "Who are we?"

Rudolf Maresch hat bei Telepolis unlängst einen Zweiteiler über "das eigentliche Amerika" verfaßt. Im ersten Teil weist er auf die unterschiedlichen Wege hin, die Europa und die USA in der Vergangenheit gegangen sind, das Gerede von "gemeinsamen Werten" ist für ihn nur ein Euphemismus. Bei seiner Analyse kommt er zu der Einschätzung, daß "vieles dafür spricht, dass das US-amerikanische dem alteuropäischen Modell überlegen ist". Im wesentlichen ist der Artikel eine konservative Verteidigung Amerikas besonders vor dem Hintergrund des USA-Bashings in der deutschen Presselandschaft nach der Wiederwahl von Bush (die liegt zwar schon etwas zurück, aber Maresch bezieht sich an mehreren Stellen auf entsprechende Artikel).

Im zweiten Teil, dessen Betrachtung Gegenstand dieses Postings sein soll, verteidigt Maresch die Position des Politikwissenschaftlers Samuel P. Huntington. Huntington lehrt zur Zeit in Harvard, berät das US-Außenministerium und zählt zu den umstrittensten Politologen in den USA.

Weltweit bekannt wurde er 1993 mit der Veröffentlichung seines Buches "Kampf der Kulturen - Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert" ("The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order"), welches auf dem von ihm in der rennomierten Fachzeitschrift "Foreign Affairs" verfassten Artikel "Clash of Civilizations?" (an dieser Stelle noch mit einem Fragezeichen versehen), aufbaut. Darin stellt er die These auf, "dass die Weltpolitik des 21. Jahrhunderts nicht von Auseinandersetzungen politischer, ideologischer oder wirtschaftlicher Natur, sondern von Konflikten zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturkreise bestimmt sein wird" (Wikipedia). 1993 verfaßt, gilt das Buch heute vielen als zutreffende Beschreibung des unausweichlichen Kampfes zwischen der westlichen und islamischen Welt. Dennoch ist diese These natürlich bis heute stark umstritten und wird von vielen Kritikern als nicht haltbar bzw. als eine die US-Aggression gegenüber der islamischen Welt lediglich legitimieren wollende Sichtweise verstanden.

Für kontroverse Debatten sorgt auch Huntingtons aktuelles Buch "Who Are We? Die Krise der amerikanischen Identität" ("Who Are We? The Challenges to America's National Identity"). Hier richtet Huntington den Blick nach innen und beschreibt eine zentrale kulturelle Entwicklung innerhalb der USA: die Separationsbestrebungen von Migranten (insbesondere aus Lateinamerika), die anders als früher gar nicht daran denken, sich zu integrieren, sondern eine Art Staat im Staat bilden und langsam die angloprotestantische Kultur zu verdrängen drohen. Im zweiten Teil seiner Artikelserie bezieht sich Maresch auf eben dieses Buch und versucht, Huntingtons Position zu verteidigen.

Melting Pot oder Salad Bowl?

Ins Zentrum stellt Maresch dabei den so genannten "American Creed", der die Entwicklung der Vereinigten Staaten prägte und ihren Aufstieg erst ermöglichte. Der Creed ist ein "Hybrid aus tugendhaftem Verhalten und religiösem Denken, der von angloprotestantischen Werten unterfüttert wird und Maxime US-amerikanischen Handelns ist" (Maresch). Dieser Hybrid ist im Niedergang begriffen, weil er inzwischen auf Immigranten nicht mehr dieselbe Anziehungskraft ausübt. Viel mehr grenzen die sich ab, leben in ihrem eigenen Kulturkreis mit eigener Sprache und eigenen Sitten. Dem alten Modell des "Melting Pots", des "Schmelztiegels" in dem sich alle Einwanderer zur einer Nation vereinen, wird das neuere Modell der "Salad Bowl" (oder auch des "Mosaics"), der "Salatschüssel" entgegengestellt, in der viele kleine Kulturen nebeneinander existieren aber sich nicht einer gemeinsamen Leitkultur unterordnen (die Tomate liegt in der Schüssel neben dem Salatblatt, verschmilzt aber nicht mit ihm zu einer Masse).

Doch wie konnte sich der "Schmelztiegel" seit den 1960er Jahren zur "Salatschüssel" entwickeln? Einige Autoren gehen davon aus, daß es so etwas wie einen "Schmelztiegel" in Wahrheit noch nie gegeben hat, daß er von Anfang an nur ein Konstrukt war, eine Idealvorstellung die mit der Realität nichts zu tun hat. Viel mehr hätte es dieses System von Subkulturen, von Parallelgesellschaften eigentlich schon immer gegeben, solange wie die USA existieren. Andere Autoren wie Huntington (und mit ihm Maresch) gehen davon aus, daß erst eine massive Einwirkung von außen durch die liberalen Eliten des Landes das System so verändern konnte, daß diese Subkulturen inzwischen daran gehen die Oberhand zu gewinnen und somit eine amerikanische Identitätskrise heraufbeschworen wird.

Wieso die Eliten den Multikulturalismus "erfanden"

Maresch faßt Huntingtons Standpunkt wie folgt zusammen:

"(...) Schuld daran haben nach Auffassung Huntingtons vor allem zwei Dinge: Da ist zum einen der Dekonstruktivismus der liberalen und aufgeklärten Eliten, der seit den 1980ern an den geisteswissenschaftlichen Hochburgen des Landes gelehrt wird und das Andere und Fremde für wertvoller, vielfältiger und höherstufiger hält als das Eigene, Vertraute und Überlieferte. Dieser 'Kulturkampf', den die 'Höhergebildeten' gegen die Durchschnittsamerikaner führen, führte zu einer schleichenden Umverteilung der Ressourcen, die 'subnationale Gruppen' mit Privilegien und Sonderrechten (Fördermaßnahmen, Stipendien) ausstatteten und nebenbei auch den Grundsatz der Verfassung, gleiches Recht für alle, aushebelten (...)"

Tatsächlich führen Programme zur Gleichstellung benachteiligter Minderheiten inzwischen zu teilweise absurden Resultaten. Quotenregelungen für Schwarze ("Affirmative Action") machen die Hautfarbe zum Kriterium für eine Förderung. Man erfindet also ein Programm zur Aufhebung der durch historischen Rassismus bedingten Benachteiligung von Schwarzen, macht dann aber gleichzeitig die Hautfarbe ("ethnische Zugehörigkeit") zum Kriterium um in den Genuß dieser Förderung zu kommen. Paradox, aber Realität.

Während Minderheiten "hochgepäppelt" werden, fallen auf der anderen Seite Weiße die der sozialen Unterschicht angehören (im Slang: "White Trash"), unter den Tisch. Wenn ein aus der Unterschicht kommender Schwarzer nur aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit bessere Chancen hat an ein Stipendium zu kommen, als ein ebenfalls aus der Unterschicht kommmender Weißer, dann ist in der Tat der Gleichheitsgrundsatz verletzt.

Was Maresch bei seiner Darstellung allerdings systematisch ausblendet, sind die Schattenseiten des "American Creed", die die "Ostküsten Intellektuellen" erst dazu bewogen haben, dieses System von Sonderrechten und Privilegien für Minderheiten in die Welt zu pflanzen. Was diese Eliten antrieb, war keineswegs das reine Gutmenschentum oder eine verzogene Wahrnehmung der Realität, sondern ein paar handfeste Fakten, z.B. das Schwarze unterdurchschnittlich an Universitäten vertreten waren und das dies nicht mit ihrer Unfähigkeit zu tun hatte, sondern mit ihrer historisch entstandenen und teilweise noch immer andauernden Unterdrückung durch eine weiße Mehrheit. Es ging also ursprünglich nicht darum, die Chancengleichheit zwischen Weißen und Schwarzen abzuschaffen, sondern sie im Gegenteil erst mal herzustellen. Inzwischen erreichen nur eben diese Bestrebungen Dimensionen, die man teilweise als negativ und kontraproduktiv bezeichnen muß.

Trotzdem sollte festgehalten, daß zu den von Maresch so hochgehaltenen amerikanischen "Tugenden" auch solche Dinge, wie Ausbeutung, Sklaverei, Unterdrückung und Expansion gehören, deren Folgewirkungen bis in die Jetztzeit andauern und es legitim erscheinen lassen, Gleichstellungsprogramme ins Leben zu rufen.

Zum Vorwurf, Amerikaner würden bereits in der Schule dazu erzogen, "das Andere und Fremde für wertvoller, vielfältiger und höherstufiger" zu halten "als das Eigene, Vertraute und Überlieferte" bleibt natürlich auch noch etwas zu sagen. Zunächst geht es nicht darum, das "Fremde" als "vielfältiger" darzustellen, sondern das "Fremde" zu tolerieren und "Vielfalt" als etwas positives wahrzunehmen. Das Fremde ansich ist ja nicht vielfältiger, aber zusammen mit dem Eigenen ergibt sich eine Vielfalt.

Wenn in amerikanischen Geschichtsbüchern zu lesen ist, wie weiße, tapfere Siedler das Land bewohnbar machten und so eine Kultur errichteten, während zeitgleich verschwiegen wird, daß es bereits vor den Weißen eine Kultur in Amerika gab, die von den Siedlern nicht wahrgenommen und hinweggefegt wurde, dann ist das eine relativ einseitige Darstellung der us-amerikanischen Geschichte, die einmal mehr negative Elemente des American Way of Lifes schlicht weg ausblendet. Stattdessen kann man daher nun in Geschichtsbücher auch die Darstellung aus Sicht der Ureinwohner nachlesen, die auch negative Entwicklungen der Besiedelung Amerikas enthält. Das beugt einer allzu romantischen Geschichtsklitterung vor.

Denn wenn ein Amerikaner in der Schule lernt, daß weiße Siedler das Maß aller Dinge sind und unterm Strich immer alles richtig und sich nie eines Vebrechens schuldig gemacht haben, dann prägt das natürlich auch seine Einstellung zu ethnischen Minderheiten in der Gegenwart. Eine Verklärung des durch weiße, angloprotestantische "Werte" geprägten "American Creed" führt nicht eben zu mehr Toleranz oder einer vielleicht etwas kritischeren Sicht des us-amerikanischen Aufstiegs zur Weltmacht.

Kritisch wird es natürlich wenn die Darstellung von "Vielfalt" in eine "Beliebigkeit" abgleitet, wenn man sich zu nichts mehr zugehörig fühlt und dann eben die von Huntington prognostizierte Identitätskrise erleidet. Die Frage ist nur, ob das wirklich zwangsläufig passieren muß. Man kann sich auch tolerant gegenüber Minderheiten zeigen, kulturelle Eigenheiten bewahren und dabei ein solides Identitätsgefühl entwickeln. Fraglich ist dann nur in der Tat, ob dies eine durch die weiße Vormachtsstellung geprägte "amerikanische Identität" in Huntingtons Sinne ist.

Die Reconquista

Der zweite zentrale Punkt bei Huntington ist die Angst vor einer lateinamerikanischen Überfremdung Amerikas. Maresch faßt es wie folgt zusammen:

"(...) Da ist zum anderen die illegale Einwanderung aus dem Süden, die von den Behörden weder durch motorisierte Patrouillen noch durch modernste Technologie in den Griff zu bekommen ist. Anders als Iren, Juden, Polen, Filipinos oder Taiwanesen, die einst über die Meere ins Land gekommen sind, seien die Hispanics (Einwanderer vorwiegend aus Mexiko oder Kuba) nicht mehr breit, sich automatisch zu assimilieren. Nicht nur, weil sie des Englischen weder mächtig noch willens sind, diese Sprache trotz staatlicher Fördermaßnahmen zu erlernen. Sondern auch, weil die geografische Nähe die emotionale Bindung zum Herkunftsland fördert und Satelliten-TV den Empfang und die Rezeption muttersprachlicher Programme möglich macht (...)"

Jahrhunderte lange unterwarfen sich also Einwanderer dem "American Creed", weil sie sich Vorteile davon erhofften. Doch nun taucht mit den Hispanics auf einmal eine Gruppe auf, die das nicht nötig hat und auf die Vorteile des "American Creed" bewußt verzichtet (indirekt profitiere sie natürlich immer noch von ihm). In gut 50 Jahren stellen die Hispanics die mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe in den USA, damit haben sie früher oder später das Sagen im Land, der "American Creed" wird vom "Mexican Creed" einfach ersetzt. Verständlicherweise finden das die Weißen nicht schön, weil ihre jahrhunderte alte Vormachtsstellung im Land davonschwimmt.

In den USA und Mexiko wird das auch unter dem (informalen) Begriff "Reconquista" zusammengefaßt. Historisch meint man damit eigentlich die mehrere Jahrhunderte andauernde Zurückeroberung der von Muslimen besetzen iberischen Halbinsel durch Christen. In Mexiko gibt es heute eine nationalistische Bewegung "M.E.Ch.A. (Movimiento Estudiantil Chicano de Aztlan)" die unter demselben Begriff die Rückeroberung der an die USA verlorenen Gebiete im mexikanisch-amerikanischen Krieg (von 1845 bis 1848) versteht. In diesem expansionistischen Krieg verleibten sich die USA Kalifornien, Nevada, Utah, Neu-Mexiko, Colorado, Wyoming und Teile von Arizona ein die bis dato zu Mexiko gehört hatten; die texanische Südgrenze wurde zudem zugunsten der USA festgelegt. Mexiko mußte sich mit 15 Millionen Dollar Entschädigung zufrieden geben.

Grundvoraussetzung für den damaligen Sieg der USA war die Tatsache, daß sich in den entsprechenden Staaten angloamerikanische Siedler von Mexiko losgesagt und ihre Unabhängigkeit erklärt hatten. Die USA hatten also bereits vorher durch Besiedlung und Expansion die entsprechende Strukturen geschaffen, die eine Loslösung von Mexiko begünstigten. Als Mexiko die Gebiete nicht abtreten wollte, kam es schließlich zum Krieg.

Heute ist die Situation in vielen Südstaaten der USA umgekehrt: mexikanische Einwanderer stehen kurz davor, die Mehrheit zu stellen und sympathisieren eher mit ihrem Herkunftsland Mexiko als mit den USA. Und genau das ist auch das Kalkül von mexikanischen Nationalisten, die einen Wiederanschluß der verlorenen Staaten an Mexiko anstreben, sobald in den entsprechenden US-Staaten die Mehrheitsverhältnisse entsprechend sind.

Inzwischen werden auch Politiker lateinamerikanischer Abstammung in den USA abwertend als "Reconquistas" bezeichnet, wenn sie sich für eine verstärkte Immigration von Hispanics einsetzen. Selbst wenn sie mit oben beschriebener Reconquista-Bewegung gar nichts zu tun haben.

Von faulen Hispanics und fleißigen Protestanten

Huntington stellt die Hispanics per se als weniger leistungsbereit dar, Maresch formuliert das wie folgt:

"(...) Die prägende Kraft, die das europäische Erbe auf Amerikaner einst ausgeübt und sie dermaßen erfolgreich in die Moderne geführt hatte, ginge verloren. Statt angloprotestantischer Arbeitsethik dominierten anti-individualistische Werte, statt Leistungswillen, Energie und Arbeitseinsatz Bequemlichkeit, Gelassenheit und Müßiggang (...)"

Da ist es wieder, das Bild vom faulen Mexikaner der mit einem Sombrero auf dem Kopf in der Mittagssonne vor sich hin pennt, während natürlich die edlen, weißen Protestanten viel arbeitssamer sind. Der Umstand, daß Huntington dieses Klischeebild nicht ausreichend genug empirisch beweisen konnte, hat ihm viel Ärger eingebracht. In den USA leben ganze Haushalte von hispanischen Arbeitskräften, die teilweise illegal eingestellt und rechtslos sind.

Wer ist hier eigentlich der Faule? Paris Hilton die sich am Pool sonnt oder ihr mexikanischer Gärtner der schwitzend durchs Unterholz kriecht? Einwanderer aus Lateinamerika übernehmen in den USA häufig jene körperlich anstrengenden und schlecht bezahlten Tätigkeiten, für die sich die weiße Bevölkerung zu fein ist.

Warum gehen die USA nicht einfach rigoroser gegen illegale Einwanderung vor und drosseln die legale Einwanderung deutlicher? Ganz einfach, weil sie diese billigen Arbeitskräfte aus dem Süden brauchen, sie sind ein nicht unwichtiger Bestandteil der us-amerikanischen Wirtschaft. Einerseits sind die Hispanics also inzwischen ein Rückrat der US-Wirtschaft, andererseits wird ihnen unterstellt, sie hätten keine leistungsorientierte "angloprotestantischer Arbeitsethik". Dabei müssen die Hispanics "ranklotzen", weil die Sozialsysteme in den USA zu schwach sind, als daß es sich die Einwanderer leisten könnten, die Füße hochzulegen.

Stell dir vor, Hispanics beherrschen die USA und nichts ändert sich

Spielen wir es mal durch. In 50 Jahren werden die Hispanics stärkste Bevölkerungsgruppe in den USA, was würde sich effektiv ändern? Wäre ein hispanisch-katholischer Präsident wirklich schlimmer, als z.B. der jetzige anglo-protestantische? Wäre eine reaktionär-hispanisch geprägte US-Weltmacht eine größere Bedrohung für die Welt als die jetzige reaktionär-angloprotestantische? Wäre es für den Rest des Planeten eher positiv oder negativ, wenn Teile des Südens der USA sich abspalten und mit Mexiko refusionieren?

Für Maresch ist das klar, er betrachtet die Entwicklung der USA durch seine rosarote Brille und blendet alle negativen Elemente des "American Creed" aus. Betrachtet man die us-amerikanische "Leitkultur" kritischer kann man dagegen durchaus zu der Schlußfolgerung kommen, daß es nicht die schlechteste Variante wäre, wenn die Hispanics die Weißen als Bevölkerungsmehrheit ablösen.

Artikel:

- Rudolf Maresch: Das eigentliche Amerika I, Telepolis, 20.06.2005
- Rudolf Maresch: Das eigentliche Amerika II, Telepolis, 04.07.2005
- Samuel P. Huntington: The Clash of Civilizations?, Foreign Affairs, Summer 1993, v72, n3, p22(28)

Bücher:

- Samuel P. Huntington: Kampf der Kulturen - Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert; Europaverlag, 1997
- Samuel P. Huntington: Who are we? Die Krise der amerikanischen Identität; Europaverlag, 2004

Wikipedia Einträge:

- "Samuel Huntington" (deutsch)
- "Samuel Huntington" (englisch)
- "Kampf der Kulturen" (deutsch)
- "Clash of Civilizations" (englisch)
- "American's Creed" (englisch)
- "Affirmative Action" (englisch)
- "Melting Pot" (englisch)
- "Salad Bowl" (englisch)
- "Cultural Mosaic" (englisch)
- "Reconquista" (deutsch)
- "Reconquista Mexico" (englisch)
- "Mexikanisch-Amerikanischer Krieg" (deutsch)

Dienstag, August 09, 2005

Kippt das BVG die Neuwahlen doch noch?

Bereits gestern hatte das Bundesverfassungsgericht (BVG) entschieden, daß die Parteien "Allianz für Gesundheit", "Frieden und soziale Gerechtigkeit", "Familien-Partei Deutschlands" und "Ökologisch-Demokratischen Partei" sicht nicht der Klage der Bundestagsabgeordneten Werner Schulz (Grüne) und Jelena Hoffmann (SPD) anschließen dürfen. Besagte Randparteien hatten argumentiert, daß ihnen durch ein solches verfassungswidriges Vorziehen der Wahlen nicht genügend Zeit zur Vorbereitung des Wahlkampfs bliebe. Schulz und Hoffmann argumentieren, daß das "Mißtrauen" inszeniert und nicht tatsächlich vorhanden ist.

Seit heute verhandelt das BVG nun über die Klage von Schulz und Hoffmann. Die Entscheidung wird vermutlich erst Ende August fallen. Doch wie wird sie ausfallen? Eine überwältigende Mehrheit der Wähler will diese Neuwahlen. Doch hat sich das BVG im Gegensatz zun den Politikern ja nicht dem Mehrheitswillen zu beugen. Seine Aufgabe besteht darin festzustellen, ob der Vorgang der Herbeiführung von Neuwahlen verfassungskonform oder verfassungswidrig war.

Das Volk will Neuwahlen, Regierung wie Opposition betonen, daß das Mißtrauensvortum verfassungsgemäß gewesen ist, Bundespräsident Köhler wie Bundestagspräsident Thierse haben sich dieser Einschätzung angeschlossen. Kann da das BVG überhaupt noch "nein" sagen? Theoretisch schon, aber realistische betrachtet, wie neutral ist das Gericht wirklich? Kann es sich wirklich nur an die Verfassung halten und einem so starken politischen Trend wie dem zu Neuwahlen widersetzen?

Andererseits wirkt natürlich die Argumention der Regierung schon sehr konstruiert. Schröder konnte sich seiner Mehrheit bisher immer sicher sein, selbst wenn er sie manchmal "herbeizwingen" mußte. Und nun auf einmal, nach all den Jahren, soll anhand von Presseberichten belegt werden, daß es in der Koalition starke Abweichler gibt und die Regierung sich einer Mehrheit dauerhaft nicht mehr sicher sein kann? "Darf der Kanzler mittels Vertrauensfrage Neuwahlen anstreben, wenn es eine 'politische Lage der Instabilität' gibt, wie das Verfassungsgericht 1983 urteilte? Oder auch dann, wenn er dies nur befürchtet?" (SPON). Genau das ist der Punkt, es gibt eben keine politische Instabilität, sondern nur die Befürchtung, daß es zu einer solchen in näherer Zukunft kommen könnte.

Sollten die Neuwahlen jetzt doch noch abgeblasen werden müssen, würde paradoxerweise vermutlich genau die instabile Situation entstehen, die ja eigentlich vermieden werden sollte. Denn was wären die Konsequenzen? Zunächst müßte Köhler zurücktreten, denn ein Bundespräsident der eine Entscheidung "durchwinkt", die sich dann anschließend doch als verfassungswidrig herausstellt, ist faktisch nicht zu halten. Zweitens müßte wohl auch Schröder zurücktreten, denn wie sollte er jetzt noch weitermachen, nachdem er so deutlich erklärt hat, er habe das Vertrauen seiner Truppe verloren? Und dann? Ein Fortbestehen der rotgrünen Koalition unter einem Kanzler Müntefering bis zum nächsten Jahr? Eine frühzeitig gekürte Kanzlerkandidatin Merkel, die sich noch ein weiteres Jahr unbeschadet als solche halten muß? Oder eine Änderung des Grundgesetzes (wobei der Wahltermin dann vermutlich trotzdem nicht zu halten wäre)?

Ich wette daher, daß BVG wird diese Entscheidung genauso "durchwinken" wie zuvor Köhler. Allen Verfassungsbedenken zum trotz, wird sich unter Abwägung aller Fakten "herausstellen", daß die Herbeiführung von Neuwahlen mittels der Vertrauensfrage rechtmässig war.

Links:

- "Regierung argumentiert mit Angst vor Instabilität", SPON, 09.08.05
- "Schröders Geheim-Dossier will keiner bestellt haben", SPON, 09.08.05

Montag, August 08, 2005

Wolfram Weimer auf Georg Gafrons Spuren

Die Fusion von PDS und WASG zur neuen "Linkspartei", samt ihrer beiden Speerspitzen Lafontaine und Gysi hat zu einer regelrechten Hysterie in der Republik geführt, wie Richard Gebhardt in der Jungle World durchaus treffend zusammenfaßt. Begründen läßt sich dies in erster Linie mit einem Blick in die jüngsten Umfrageergebnisse. Schwarz-Gelb, den Wahlsieg lange Zeit schon so gut wie in der Tasche geglaubt, hat auf einmal keine Mehrheit mehr. Die SPD droht angeblich ihren Status als Volkspartei zu verlieren, die Grünen tauchen in den Medien im Schatten der "Neuen Linken" kaum noch auf.

Während sich die SPD bei dieser Konstellation im schlechtesten Fall als Juniorpartner in einer Großen Koalition wiederfinden wird, scheint der bürgerliche Traum von einer Neuauflage der schwarz-gelben Koalition dahinzuschmelzen. Die Vorstellung, daß ausgerechnet die "SED-PDS-WASG-Sammlungsbewegung" (Weimer) dem sichergeglaubten Sieg zunichte machen könnte, treibt den Konservativen die Galle hoch. So schreibt Wolfram Weimer, Chefredakteur des "Magazins für politische Kultur" Cicero, in einer aktuellen Kolumne:

"(...) Tatsächlich aber wird die Sache zusehends bitter. Denn um die neue Partei braut sich eine Stimmung aus Larmoyanz, Neid und Aggression zusammen, die das Schicksal der deutschen Politik ganz unangenehm zu bestimmen droht (...)"

Soweit so zutreffend. Doch wer ist schuld an dieser Stimmung "aus Larmoyanz, Neid und Aggression"? Natürlich die neue Linkspartei selbst:

"(...) Das Übelste an der neuen Linkspartei aber ist die Tatsache, dass sie das politische Klima in Deutschland vergiftet. Sie schürt in einer Weise Ängste und Ressentiments, wie man das hierzulande kaum erlebt hat. Mit ihr spürt Deutschland die fatale Wirkung populistischer Extremisten – nur nicht wie in anderen Ländern Europas von rechts. Der kulturelle Effekt bleibt der gleiche – Zersetzung des bürgerlichen Comments (...)"

Die Linkspartei ist in dieser Logik also nicht mehr das Resultat der derzeitigen Verhältnisse in der Republik (Sozialabbau, Hartz IV, Arbeitslosigkeit, Unsicherheit, usw.), sie ist viel mehr die Ursache von allem Übel selbst. Die Linkspartei schürt ein Klima von Neid (z.B. der "Sozialneid" der Nichtshabenden auf die Habenden), "Aggression" (z.B. die Aggression von Arbeitslosen gegenüber korrupten Managern) und "Larmoyanz" (also z.B. Bürger die sich in der rauhen Welt der Globalisierung nach sozialer Netzwärme sehnen). Nur sind dies tatsächlich Erscheinungen, die die Linkspartei durch ihr Handeln hevorbringt oder ist es nicht vielleicht doch so, daß die Linkspartei nur die Konsequenz dieser Gegebenheiten ist? Sicher, die Linkspartei kann den Unmut aufnehmen und schüren, nur selbst erzeugt hat sie ihn nicht.

In der Tat kann man Gysi und Lafontaine als "Populisten" bezeichnen, weil sie situativ eine Stimmung im Volk aufgreifen und für sich nutzen, ohne daß sie dabei tragende Gegenkonzepte zu den momentanen vorweisen könnten. Natürlich ist die "Linkspartei" in diesem Sinne in erster Linie eine Protestpartei, die die Stimmen von Wählern bindet, die von den etablierten Parteien enttäuscht sind. Nur die beschriebene vergiftete Atmosphäre im Land ist doch nicht primär ein Produkt dieser Partei und ihrer Akteure, sondern des von Rotgrün verabschiedeten, und von Schwarzgelb nicht per se abgelehnten, Hartz-Konzepts (die CDU will Hartz IV ändern / verschärfen).

Und selbst wenn man Wolfram Weimer recht gibt, daß hier die neue Linkspartei nur Ressentiments aufgreift und für eine angeheizte Stimmung sorgt: Am Ende sind es die Wähler, die sich bewußt für diese Protestpartei entscheiden. Statt also die Partei zu schelten, sollte wenn dann lieber die Wähler schelten, die diese "Unpartei" aus freien Stücken wählen. Nur würde es bei ostdeutschen Hartz-IV-Empfängern vermutlich weniger gut ankommen, wenn ausgerechnet der westdeutsche Wolfram Weimer ihnen Vorträge über das Unrecht hält, daß die PDS-Vorgängerpartei SED verübt hat -- und das deswegen auch die neue Linkspartei unwählbar sein sollte. Nichts anderes macht er aber de facto, wenn er sich echauffiert:

"(...) Aber redet in diesen Tagen der Gysi-Lafo-Euphorie irgendjemand von den Mauertoten und den Gefolterten von Bautzen, vom großen Diebstahl an einer ganzen Generation, von den Tränen einer Nation? Als hätte das eine mit dem anderen nichts zu tun. Hat es aber (...)"

Schöner hätte Franz Josef Wagner es in seiner Bild-Kolumne auch nicht auf den Punkt bringen können. Noch eher erinnert Weimer hier mit seinem Verweis auf "Bautzen" und die "Mauertoten" aber an den Berliner "Medienmogul" und Streitkämpfer wider die rote Front, Georg Gafron (mit dem kleinen aber feinen Unterschied, daß Gafron zumindest selbst in der DDR aufgewachsen und von dort geflohen ist). Der hatte seinen letzten größeren Auftritt 2001, als er im Berliner Wahlkampf im Alleingang eine Art Rückkehr der "Rote Socken" Kampagne zu initiieren versuchte. Schon damals erschien diese alte Frontstadt-Rhetorik überholt, wie selbst die CDU inzwischen längst verstanden hatte. Nun wandelt Wolfram Weimer auf den Spuren Georg Gafrons, indem er die durch den Realsozialismus erzeugten "Tränen einer Nation" beklagt.

Tatsächlich gibt es so etwas die "Tränen einer Nation" in der Gegenwart gar nicht. Zumindest divergieren die Ursachen für die Tränen innerhalb der Nation. Wolfram Weimer kommen offenbar die Tränen, wenn er sieht, wie die neue Linkspartei seine bürgerlich-saturierte Republik aufmischt. Den Hartz-IV-Empfängern kommen die Tränen, wenn sie knapp am Existenzminimum leben, während sie zusehen müssen, wie Manager und Politiker sich weiter die Taschen vollstopfen. Und ich, nun ja, ich leide schon genug, wenn ich Kolumnen wie diese in Cicero lese.

Links:

- Richard Gebhardt: "Hysterie in Germany", in: Jungle World, 03.08.05
- SPON, "Schwarz-Gelb verliert Mehrheit", 04.08.05
- Wikipedia-Eintrag zu "Wolfram Weimer"
- Wikipedia-Eintrag zum "Cicero Magazin"
- Wolfram Weimer: "Linkstragödie, in: Cicero, 08/2005
- Netzeitung, "CDU will Hartz IV reformieren", 06.08.05
- n-tv, "CDU: Hartz IV verschärfen", 06.08.05
- Wikipedia-Eintrag zu "Georg Gafron"
- Torsten Kleinz: "Meinungskampf in Berlin", in: Telepolis, 29.09.01
- Wikipedia-Eintrag zur "Rote Socken" Kampagne
- Wikipedia-Eintrag zu "Franz Josef Wagner"

Freitag, August 05, 2005

Desmundo

In Frankreich ist 2005 das "Brasilien-Jahr", dem schließt sich auch "arte" an und hat deshalb viele Filme und Dokumentationen zum Thema Brasilien im Programm.

Am letzten Dienstag lief in diesem Kontext der Spielfilm "Desmundo" (2002), der hier nachträglich empfohlen sei (er wird in der nächsten Woche in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag um 1:15 Uhr wiederholt).

Alain Fresnots "Demundo" spielt zur Zeit der Kolonialisierung Brasiliens durch die Portugiesen im Jahr 1570. Die junge und tief religiöse Oribela (Simone Spoladore) kommt als 17jähriges Waisenmädchen aus Portugal nach Brasilien, wo sie zusammen mit anderen Frauen zwangsverheiratet werden soll. In der Kolonie gibt es deutlich mehr "weiße Männer" als "weiße Frauen" und da kaum eine Frau freiwillig in die Wildnis kommt, werden eben junge Frauen aus einem Kloster in Portugal nach Brasilien gebracht -- gegen ihren Willen und auf Geheiß der Königin von Portugal, die die Eroberungen in der Neuen Welt besiedelt sehen will.

Schon die erste zentrale Szene ist bezeichnend, im örtlichen Versammlungssaal wird gerade mit eingeborenen Kannibalen verhandelt, die ein paar weiße Kolonisatoren gefangen genommen haben. Der Gouverneur läßt verkünden, daß man diese "wieder haben" möchte, es sei denn es handele sich wie vermutet um Franzosen, die könnten die Kannibalen ruhig behalten. Nach langem hin und her werden die Verhandlungen abgebrochen, die Eingeborenen verlassen das Versammlungshaus und der nächste Punkt auf der Agenda, die Frauen, wird abgearbeitet.

Sie werden hereingeführt und ausgerufen. Welcher Plantagenbesitzer zu welcher Frau paßt, wird von der Frau des Gouverneurs festgelegt. Keines der Mädchen ist begeistert, alle fügen sich aber ihrem Schicksal -- bis auf Oribela, die dem ersten Kandidaten ins Gesicht spuckt, wofür sie von einer die Frauengruppe begleitenden Nonne ein paar Hiebe auf die Hand bekommt. Beim zweiten Kandidaten willigt sie notgedrungen ein. Es handelt sich um Francisco de Albuquerque (Osmar Prado), einen rauhen, zottelbärtigen, verwilderten Mann. In einer Massenheirat werden alle Frauen auf einen Schlag verheiratet, der Padre hält auch gleich noch ein Loblied auf die "reine weiße Haut".

Francisco nimmt Oribela mit auf seine entlegene Zuckerrohrplantage, auf der versklavte Ureinwohner unter härtesten Bedingungen Zuckerrohr abbauen und in einer Mühle weiterverarbeiten. Francisco lebt hier zusammen mit seiner herrischen Mutter und seiner geistig behinderten Schwester. Die Mutter ist von Oribela nicht begeistert, sie hätte sich eine stämmigere Schwiegertochter gewünscht, die zu mehr körperlicher Arbeit fähig ist. Doch Francisco gefällt Oribela, er will nicht, daß sie arbeitet. Sie soll den ganzen Tag im Haus verbringen, sticken und Möbelstücke verzieren.

Nachdem es Oribela anfangs noch gelingt, den sie anekelnden Francisco zurückzuweisen, vollzieht dieser irgendwann doch gewaltsam die Ehe. Das, die Ödnis des Lebens im Dschungel und die garstige Schwiegermutter bringen Oribela schließlich dazu zu fliehen. Sie will mit einem Schiff zurück nach Portugal, in das Kloster in dem sie aufgewachsen ist. Zwar gelingt es ihr sich zu Fuß bis ans Meer durchzuschlagen, doch dort begegnet sie nur drei Seeleuten, die versuchen sie zu mißbrauchen. Im letzten Moment kommt ihr Francisco, der ihre Flucht inzwischen bemerkt hatte, zur Hilfe und macht zusammen mit einigen seiner treuen Indios kurzen Prozeß mit den Seeleuten.

Oribela muß für ihren Fluchtversuch einen hohen Preis zahlen, sie wird wie ein Hund in einer engen Vorratskammer angekettet. Schließlich scheint sie gebrochen, sie gehorcht Francisco und tut alles ihm eine gute Ehefrau zu sein. Die Eintönigkeit ihres Lebens wird nur durch den Besuch des jüdischen Händlers Ximeno Dias (Caco Ciocler) unterbrochen. Ximeno handelt mit Gegenständen genauso wie mit Sklaven. Er ist das genaue Gegenteil von Francisco: zivilisiert, gebildet, gutaussehend und sensibel wie sich später noch zeigen wird. Oribela verguckt sich sofort in ihn, ein einfacher, aber nach Franciscos Ansicht doch zu eindeutiger Blickkontakt zwischen den beiden bringt Oribela ein paar Schläge ein.

Obgleich Francisco sehr brutal mit Oribela umspringt, himmelt er sie auch an. Er versucht ihr so viel materiellen Luxus zu ermöglichen, wie nur irgend möglich. Selbst mit dem Padre gerät er in Streit, als dieser ihn besucht und ein paar Sklaven mitnehmen will, um sie zu Christen zu bekehren. Dieser Streit um die Sklaven ist eine der düstersten Szenen im Film, weil nirgendwo so deutlich wird wie hier, daß die Eingeborenen für alle Beteiligten nur Vieh sind. Selbst der Padre, der vorgibt die Indios zu Christen erziehen wollen, argumentiert in Rage dann ökonomisch: er benötige einfach noch einen mehr, der für ihn als Fischer tätig ist. Zum Entsetzen seiner Mutter gibt Francisco aber nicht nach und schmeißt den Padre unter dessen "Gott wird dich strafen"-Geschrei vom Hof.

Oribela mimt die domestizierte Ehefrau, in Wahrheit plant sie aber schon ihre nächste Flucht. Dieses Mal ist sie besser vorbereitet. Sie verkleidet sich als Mann und reitet ins Dorf wo sie versucht bei Ximeno unterzukommen. Dieser ist zunächst abweisend, weil er keinen Streit mit Francisco will. Als Oribela sich dennoch in sein Haus schleicht, gibt er doch nach und versteckt sie auf dem Dachboden seines Hauses, bis das nächste Schiff nach Portugal fahren soll. Das Verhältnis zwischen den beiden ist zunächst angespannt, sie kommen sich aber rasch näher und es wird deutlich, daß sie sich lieben.

Ximeno plant die Flucht in eine spanische Nachbarstadt, von wo aus sie mit dem Schiff weiter wollen. Sie reiten nachts los, doch Francisco der zwar wild aber nicht dumm ist, ahnte wo seine Frau war und nimmt nun die Verfolgung auf. Am nächsten Morgen kommt es zum Duell zwischen Ximeno und Francisco, dessen Ausgang nicht direkt gezeigt wird, daß aber vermutlich zu Franciscos gunsten ausging, da man Oribela in der folgenden Szene wieder bei Francisco sieht. Sie hat inzwischen ein Kind (welches entweder von Francisco oder Ximeno ist) und steht kurz vor der Abreise noch weiter ins Landesinnere, wo es den eigenbrödlerischen Francisco schon immer hingezogen hat. Zusammen mit der Mutter (die einer Königin gleich von Sklaven auf einer Art Thron getragen wird) und dem gesamten Besitz macht sich der Troß auf in den Urwald.

Die erbarmungslose Ausbeutung der Eingeborenen Brasiliens durch die portugiesischen Kolonisatoren, die damit einhergehende und bedrückend wirkende Abstumpfung und Verwilderung der Plantagenbesitzer, die Heuchelei der katholischen Kirche und das Leid der faktisch rechtslosen Frauen werden in diesem Film beeindruckend und beklemmend zugleich visualisiert.

Links:

- Zusammenfassung der Handlung auf der arte-Website, die auch einen kurzen Verweis auf den historischen Hintergrund enthält
- IMDb-Eintrag zum Film

Donnerstag, August 04, 2005

In Sachen Merkel :D

Wie sich Merkel, die CDU und die Medien zusammen an einem eigentlich trivialen Versprecher versengt haben *lol*. Telepolis: "Sinkende Bruttolöhne und steigende Inkompetenz. Die CDU-Kanzlerkandidatin steckt im Formtief - Deutschlands Presse bei ihrer Wahlkampfberichterstattung offensichtlich auch."

Warum Merkel nur ein Fernsehduell will, Karikatur aus der taz vom 03.08 *rofl*.

Die Schweißfleck-Affäre: Wie der BR zuerst Merkels Schweißfleck wegretuschierte, es dann bestritt und später zugab *lacht*.

Über die Renaissance des "Atomkraft-Nein-Danke-Buttons": www.angela-nein-danke.de *g*.