Freitag, August 05, 2005

Desmundo

In Frankreich ist 2005 das "Brasilien-Jahr", dem schließt sich auch "arte" an und hat deshalb viele Filme und Dokumentationen zum Thema Brasilien im Programm.

Am letzten Dienstag lief in diesem Kontext der Spielfilm "Desmundo" (2002), der hier nachträglich empfohlen sei (er wird in der nächsten Woche in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag um 1:15 Uhr wiederholt).

Alain Fresnots "Demundo" spielt zur Zeit der Kolonialisierung Brasiliens durch die Portugiesen im Jahr 1570. Die junge und tief religiöse Oribela (Simone Spoladore) kommt als 17jähriges Waisenmädchen aus Portugal nach Brasilien, wo sie zusammen mit anderen Frauen zwangsverheiratet werden soll. In der Kolonie gibt es deutlich mehr "weiße Männer" als "weiße Frauen" und da kaum eine Frau freiwillig in die Wildnis kommt, werden eben junge Frauen aus einem Kloster in Portugal nach Brasilien gebracht -- gegen ihren Willen und auf Geheiß der Königin von Portugal, die die Eroberungen in der Neuen Welt besiedelt sehen will.

Schon die erste zentrale Szene ist bezeichnend, im örtlichen Versammlungssaal wird gerade mit eingeborenen Kannibalen verhandelt, die ein paar weiße Kolonisatoren gefangen genommen haben. Der Gouverneur läßt verkünden, daß man diese "wieder haben" möchte, es sei denn es handele sich wie vermutet um Franzosen, die könnten die Kannibalen ruhig behalten. Nach langem hin und her werden die Verhandlungen abgebrochen, die Eingeborenen verlassen das Versammlungshaus und der nächste Punkt auf der Agenda, die Frauen, wird abgearbeitet.

Sie werden hereingeführt und ausgerufen. Welcher Plantagenbesitzer zu welcher Frau paßt, wird von der Frau des Gouverneurs festgelegt. Keines der Mädchen ist begeistert, alle fügen sich aber ihrem Schicksal -- bis auf Oribela, die dem ersten Kandidaten ins Gesicht spuckt, wofür sie von einer die Frauengruppe begleitenden Nonne ein paar Hiebe auf die Hand bekommt. Beim zweiten Kandidaten willigt sie notgedrungen ein. Es handelt sich um Francisco de Albuquerque (Osmar Prado), einen rauhen, zottelbärtigen, verwilderten Mann. In einer Massenheirat werden alle Frauen auf einen Schlag verheiratet, der Padre hält auch gleich noch ein Loblied auf die "reine weiße Haut".

Francisco nimmt Oribela mit auf seine entlegene Zuckerrohrplantage, auf der versklavte Ureinwohner unter härtesten Bedingungen Zuckerrohr abbauen und in einer Mühle weiterverarbeiten. Francisco lebt hier zusammen mit seiner herrischen Mutter und seiner geistig behinderten Schwester. Die Mutter ist von Oribela nicht begeistert, sie hätte sich eine stämmigere Schwiegertochter gewünscht, die zu mehr körperlicher Arbeit fähig ist. Doch Francisco gefällt Oribela, er will nicht, daß sie arbeitet. Sie soll den ganzen Tag im Haus verbringen, sticken und Möbelstücke verzieren.

Nachdem es Oribela anfangs noch gelingt, den sie anekelnden Francisco zurückzuweisen, vollzieht dieser irgendwann doch gewaltsam die Ehe. Das, die Ödnis des Lebens im Dschungel und die garstige Schwiegermutter bringen Oribela schließlich dazu zu fliehen. Sie will mit einem Schiff zurück nach Portugal, in das Kloster in dem sie aufgewachsen ist. Zwar gelingt es ihr sich zu Fuß bis ans Meer durchzuschlagen, doch dort begegnet sie nur drei Seeleuten, die versuchen sie zu mißbrauchen. Im letzten Moment kommt ihr Francisco, der ihre Flucht inzwischen bemerkt hatte, zur Hilfe und macht zusammen mit einigen seiner treuen Indios kurzen Prozeß mit den Seeleuten.

Oribela muß für ihren Fluchtversuch einen hohen Preis zahlen, sie wird wie ein Hund in einer engen Vorratskammer angekettet. Schließlich scheint sie gebrochen, sie gehorcht Francisco und tut alles ihm eine gute Ehefrau zu sein. Die Eintönigkeit ihres Lebens wird nur durch den Besuch des jüdischen Händlers Ximeno Dias (Caco Ciocler) unterbrochen. Ximeno handelt mit Gegenständen genauso wie mit Sklaven. Er ist das genaue Gegenteil von Francisco: zivilisiert, gebildet, gutaussehend und sensibel wie sich später noch zeigen wird. Oribela verguckt sich sofort in ihn, ein einfacher, aber nach Franciscos Ansicht doch zu eindeutiger Blickkontakt zwischen den beiden bringt Oribela ein paar Schläge ein.

Obgleich Francisco sehr brutal mit Oribela umspringt, himmelt er sie auch an. Er versucht ihr so viel materiellen Luxus zu ermöglichen, wie nur irgend möglich. Selbst mit dem Padre gerät er in Streit, als dieser ihn besucht und ein paar Sklaven mitnehmen will, um sie zu Christen zu bekehren. Dieser Streit um die Sklaven ist eine der düstersten Szenen im Film, weil nirgendwo so deutlich wird wie hier, daß die Eingeborenen für alle Beteiligten nur Vieh sind. Selbst der Padre, der vorgibt die Indios zu Christen erziehen wollen, argumentiert in Rage dann ökonomisch: er benötige einfach noch einen mehr, der für ihn als Fischer tätig ist. Zum Entsetzen seiner Mutter gibt Francisco aber nicht nach und schmeißt den Padre unter dessen "Gott wird dich strafen"-Geschrei vom Hof.

Oribela mimt die domestizierte Ehefrau, in Wahrheit plant sie aber schon ihre nächste Flucht. Dieses Mal ist sie besser vorbereitet. Sie verkleidet sich als Mann und reitet ins Dorf wo sie versucht bei Ximeno unterzukommen. Dieser ist zunächst abweisend, weil er keinen Streit mit Francisco will. Als Oribela sich dennoch in sein Haus schleicht, gibt er doch nach und versteckt sie auf dem Dachboden seines Hauses, bis das nächste Schiff nach Portugal fahren soll. Das Verhältnis zwischen den beiden ist zunächst angespannt, sie kommen sich aber rasch näher und es wird deutlich, daß sie sich lieben.

Ximeno plant die Flucht in eine spanische Nachbarstadt, von wo aus sie mit dem Schiff weiter wollen. Sie reiten nachts los, doch Francisco der zwar wild aber nicht dumm ist, ahnte wo seine Frau war und nimmt nun die Verfolgung auf. Am nächsten Morgen kommt es zum Duell zwischen Ximeno und Francisco, dessen Ausgang nicht direkt gezeigt wird, daß aber vermutlich zu Franciscos gunsten ausging, da man Oribela in der folgenden Szene wieder bei Francisco sieht. Sie hat inzwischen ein Kind (welches entweder von Francisco oder Ximeno ist) und steht kurz vor der Abreise noch weiter ins Landesinnere, wo es den eigenbrödlerischen Francisco schon immer hingezogen hat. Zusammen mit der Mutter (die einer Königin gleich von Sklaven auf einer Art Thron getragen wird) und dem gesamten Besitz macht sich der Troß auf in den Urwald.

Die erbarmungslose Ausbeutung der Eingeborenen Brasiliens durch die portugiesischen Kolonisatoren, die damit einhergehende und bedrückend wirkende Abstumpfung und Verwilderung der Plantagenbesitzer, die Heuchelei der katholischen Kirche und das Leid der faktisch rechtslosen Frauen werden in diesem Film beeindruckend und beklemmend zugleich visualisiert.

Links:

- Zusammenfassung der Handlung auf der arte-Website, die auch einen kurzen Verweis auf den historischen Hintergrund enthält
- IMDb-Eintrag zum Film

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

hallödrihola,
ich habe mit großer verspätung dein kommentar auf der o meu brazil (msn spaces) entdeckt und deinen hinweis, die adresse des trackbacks zu diesem artikel zu ändern, beherzigt.
ist es bei euch auch so kalt wie hier in nürnberg bzw. wien? und das soll sommer sein. wie schön, dass zumindest (im kino) karibische temperaturen rufen...
grüße - miriam xx