Dienstag, August 21, 2007

Stasi 2.0

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat in den zwei Jahren in denen er jetzt im Amt ist etwas vollbracht, was ihm vorher keineswegs jeder zugetraut hätte: Er hat sich mit seinen Plänen zum Ausbau der Bürgerüberwachung in der Netzgemeinde noch unbeliebter als sein Vorgänger Otto Schily (SPD) gemacht.

In Schilys Amtszeit fielen unter anderem immerhin die sog. "Otto-Kataloge", zwei während der "9/11-Nachwehen" verabschiedete Sicherheitspakete die bis heute stark umstritten sind, weiterhin ein skandalöser Referentenentwurf zur Nachbesserung der gesetzlichen Verankerung des "Großen Lauschangriffs" 2004 (der nach heutiger Einschätzung nur rein formal Zypries' Namen trug), die Einführung von Reisepässen mit biometrischen Merkmalen (2005); und auch die Dienstanweisung für verdeckte Onlinedurchsuchungen ging 2005 noch auf sein Konto (wurde später vom Bundesgerichtshof einkassiert). Nicht zufällig wurde Schily daher 2005 mit einem "Lifetime" Big Brother Award "geehrt".

Das zu toppen erschien selbst für einen Wolfgang Schäuble nur recht schwer machbar. Dank dem Festhalten an den Plänen zur Einführung von verdeckten Onlinedurchsuchungen (siehe "Bundestrojaner"), selbst gegen Widerstände in der Großen Koalition, und natürlich wegen der geplanten Einführung der sog. Vorratsdatenspeicherung, steht Schäuble aber nun kurz davor mit Schily in einem Atemzug genannt zu werden, wenn es um den Ausbau Deutschlands zu einem Überwachungs- bzw. Präventionsstaat geht (ich konzentriere mich hier auf die Pläne, die zur einer Aushöhlung des Datenschutzes und der Privatsphäre führen, es kommen andere Punkte, die auch unter Sicherheitspolitik fallen, hinzu).

Besonders die geplante Vorratsdatenspeicherung sorgt im politisch engagierten Teil der Internetgemeinde zur Zeit für viel Unmut. Vorratsdatenspeicherung "bezeichnete ursprünglich die Speicherung von personenbezogenen Daten für eine spätere Verarbeitung, wobei der Verarbeitungszweck zum Zeitpunkt der Speicherung noch nicht klar feststeht. (...) In der politischen Diskussion wird der Begriff Vorratsdatenspeicherung mittlerweile als Synonym für die Speicherung von Telekommunikationsdaten für Strafverfolgungszwecke verwendet: Telekommunikationsanbieter sollen verpflichtet werden, die für Abrechnungszwecke erhobenen Verkehrsdaten ihrer Kunden, Standortdaten und eindeutige Geräteidentifikationen für einen bestimmten Zeitraum zu speichern (Mindestspeicherfrist), damit Polizei und Nachrichtendienste darauf zugreifen können." (Wikipedia)

Es werden nach diesen Plänen also grundsätzlich alle Verbindungsdaten jedes Internet- und Telefon-Nutzers gespeichert, ein Verdachtsmoment muß nicht gegeben sein. Zu den Verbindungsdaten gehören Informationen darüber wer wann wo wie lange mit wem kommuniziert hat. Die Inhalte der Kommunikation werden nicht mitgeloggt (jedenfalls nicht automatisch). Noch nicht. In der Wikipedia heißt es:

"Datenschützer sowie linke und liberale Parteien protestierten und stellten den Sinn einer solchen Maßnahme zur Debatte, sie weise den Weg Richtung Überwachungsstaat: Wenn man sich nicht sicher sein könne, frei kommunizieren zu können, leide darunter die Zivilgesellschaft, und Bürger würden vor politischen Äußerungen im Internet zurückschrecken. Anonyme Seelsorge- und Beratungsdienste seien ebenso gefährdet, da weniger Menschen es wagen würden, diese Dienste zu nutzen.

(...) Juristisch wird argumentiert, eine Vorratsdatenspeicherung verstoße gegen die Grundrechte der Kommunizierenden und der Telekommunikationsunternehmen. In Deutschland liege ein Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, gegen die Meinungs-, Informations- und Rundfunkfreiheit, gegen die Berufsfreiheit und gegen das Gleichbehandlungsgebot vor. Auf europäischer Ebene sei ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention gegeben, und zwar gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens und der Korrespondenz, gegen die Meinungsfreiheit und gegen das Recht auf Achtung des Eigentums.

Der Nutzen einer Vorratsdatenspeicherung sei gegenüber ihren schädlichen Folgen unverhältnismäßig gering. Eine verdachtsunabhängige Protokollierung des Telekommunikationsverhaltens der gesamten Bevölkerung sei exzessiv. Über 99% der von einer Vorratsdatenspeicherung Betroffenen seien unverdächtig und hätten keinen Anlass zu einer Protokollierung ihrer Kommunikation gegeben." (Wikipedia)

Dabei gibt es durchaus alternative Methoden, wie z.B. das in den USA angewendete "Quick Freeze"-Verfahren. Zum Zwecke der Strafverfolgung können hier die entsprechenden Daten der Verdächtigen vorübergehend "eingefroren" werden, sie werden dann nicht wie sonst vorgesehen gelöscht. Mit einem richterlichen Beschluß können die Strafverfolgungsbehörden dann auf diese eingefrorenen Daten zugreifen. Anders als bei der Vorratsdatenspeicherung werden aber eben nicht kollektiv alle Daten von allen Telefon- bzw. Internetnutzern geloggt.

In Deutschland soll jetzt im Herbst trotzdem die Vorratsdatenspeicherung im Bundestag verabschiedet werden, so daß ab Januar 2008 alle Kommunikationsdaten für sechs Monate gespeichert bleiben.

Dagegen formiert sich zunehmend Widerstand, zentrale Anlaufstelle ist die Website des AK Vorratsdatenspeicherung, auf der man alle Argumente ausführlich nachlesen kann und wo zu Demonstrationen wie jetzt demnächst wieder für Ende September aufgerufen wird.

Zum Symbol der "Widerstandsbewegung" wurde ein Konterfei Schäubles mit der Bildunterschrift "Stasi 2.0", welches auf dataloo.de zurückgeht. In einem Interview mit dem Süddeutsche Magazin "Jetzt" erklären die beiden Macher des Blogs, Dirk und Mac, wie sich die inzwischen berühmte Schablone entwickelt hat.


Die umstrittene "Stasi 2.0"-Schablone von Dirk Adler (dataloo.de), Creative Commons Lizenz.

Danach tauchte auf der Bloggerkonferenz re:publica zum ersten Mal der Begriff "Stasi 2.0" auf (in Anspielung auf den Web 2.0-Hype), der anschließend die Runde machte. Passend dazu kam dann die Idee auf, ihn mit einem Bild Schäubles zu verknüpfen.

Unumstritten ist der Slogan "Stasi 2.0" allerdings nicht, viele Gegner der Vorratsdatenspeicherung distanzieren sich von ihm, da sie den Vergleich mit der Stasi bei allem Unverständnis für Schäubles Politik für verfehlt halten (auf der Website des "AK Vorratsdatenspeicherung" findet er sich zum Beispiel nicht). Andere Gegner halten ihn dagegen für legitim, da er ja absichtlich provokativ gemeint ist und aufrütteln soll. Inzwischen können Unterstützer das Logo sogar als T-Shirt erwerben.

Natürlich ist es mit Aufrufen zu Demos und T-Shirts nicht getan. Auf der Website des "AK Vorratsdatenspeicherung" findet man auch eine Site mit Infos darüber, was man gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung sonst noch tun kann. Zum Beispiele Briefe an Berufsverbände und Bundestagsabgeordnete versenden, Geld spenden, sich in den AK einbringen.

In einer weiteren Initiative geht es um eine "Sammelklage" bzw. eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht, falls die Vorratsdatenspeicherung wirklich beschlossen wird (wovon auszugehen ist). Im Internet findet sich sogar ein Motivations-Video, das zeigen soll, wie einfach es ist, sich der Beschwerde anzuschließen.

Inzwischen gibt es eine ganze Palette von Anti-Schäuble-Websites im Netz, die sich mit den Plänen des Innenministers nicht abfinden wollen. Auf Seiten wie schaeuble-wegtreten.de oder informiert-wolfgang.de wird Schäubles Rücktritt gefordert bzw. sarkastisch mit seiner Politik abgerechnet.

Über uberwach.de kann man die Zugriffe der Bundes- und Landesministerien, sowie von Regierungs- und Oppositionsparteien auf den eigenen Blogs bzw. die eigene Website überwachen lassen. Ganz nach dem Motto: Es wird "zurück-überwacht". Auf der Website freiheitsredner.de kann man "Freiheitsredner" anfragen, die dann zum Beispiel in Schulen über Sinn und Zweck von Datenschutz und Privatsphäre referieren.

Wie stark die Anti-Schäuble-Bewegung inzwischen ist, konnte man auch unlängst auf dem aktuellen Titel der bekannten Computerzeitschrift CHIP nachlesen. Aufmacher der Ausgabe ist der "Schäuble-Blocker". Wörtlich: "Denn mit unseren Tipps lassen Sie staatliche Datensammler einfach ins Leere laufen. CHIP zeigt, wie Sie 100% anonym surfen, mailen, telefonieren und tauschen – mit den Anti-Schnüffel-Tools von unserer Heft-DVD".

Montag, August 20, 2007

OpenID

Wer kennt das Problem nicht: Zig verschiedene Benutzerkonten mit zig verschiedenen Paßwörtern. Einen Account bei MSN, einen bei Yahoo, einen bei Google, einen bei Lycos, einen für ICQ, einen für Skype, einen für Ebay, einen für Amazon, einen für diesen Blog hier, usw., usf. Je mehr Dienste und verschiedene Webangebote man im Internet nutzt, desto mehr Benutzernamen und Paßwörter muß man sich merken. Die meisten Leute behelfen sich damit, daß sie nach Möglichkeit immer einen identischen Benutzernamen und immer dasselbe Paßwort wählen, um anschließend die Daten im Browser zu speichern (sie also nicht jedesmal wieder neu eingeben zu müssen), was aber aus Sicherheitsgründen nicht besonders klug ist.

Dabei muß das gar nicht sein, es gibt im Internet inzwischen Ansätze wie z.B. OpenID, bei denen man mit ein- und derselben Benutzer-Paßwort-Kombination überall hineinkommt, sofern der Anbieter der Website auch OpenID unterstützt (dazu kommen wir noch).

Man registriert sich zunächst kostenlos eine OpenID auf Seiten die den Service anbieten (was inzwischen einige sind). Der Benutzername ist dabei immer eine URL. WordPress.com bietet z.B. OpenID an, so daß die URL des blogSquads (den ich ja registriert habe), http://blogsquad.wordpress.com/, gleichzeitig meine OpenID ist (zusammen mit meinem Paßwort). Jetzt kann ich mich als "blogsquad.wordpress.com" z.B. auch beim Fotodienst "Zooomr" anmelden, da dieser ebenfalls OpenID unterstützt -- und das, obwohl WordPress.com und Zooomr.com zwei völlig unterschiedliche Anbieter sind, die nichts miteinander gemein haben, außer, daß sie beide OpenID unterstützen.

Jeder Website-Anbieter kann auf seiner Site einen OpenID-Service einrichten, der es anschließend Besuchern der Website ermöglicht sich mit ihrem jeweiligen OpenID-Account dort einzuloggen. Allerdings hat das System noch Macken, nicht jeder OpenID-Anbieter kann einen reibungslosen Service garantieren. Da WordPress.com als OpenID-Anbieter so seine Tücken hat, nehmen wir den bekanntesten und ausgesprochen soliden OpenID-Anbieter MyOpenID als weiteres Beispiel:

Ich registriere mir als erstes einen Account auf MyOpenID als http://bloomsday.myopenid.com/ (etwas verwirrend, obwohl es aussieht wie ein Link, ist es tatsächlich ein Benutzername). Dazu muß ich wie bei jeder Registrierung auch ein Paßwort wählen und meine Emailadresse angeben, zu der ich eine Bestätigungs-Email gesandt bekomme. Nach dem Klicken auf den Bestätigungs-Link ist die Registrierung abgeschlossen.

Nun besuche ich den Social Bookmarking-Anbieter Ma.gnolia.com, um mir dort einen Account einzurichten. Ich richte natürlich keinen neuen ein, sondern logge mich einfach mit meiner OpenID ein. Ich gebe also http://bloomsday.myopenid.com/ als OpenID-URL an, werde auf die MyOpenID.com Seite umgeleitet (da dies ja mein OpenID-Provider ist, es könnte z.B. auch WordPress.com sein), gebe mein Paßwort ein, und werde auf Ma.gnolia.com als eingeloggt zurückgeleitet. Natürlich läuft das beim ersten Mal nicht völlig reibunglos, denn ich hatte bei MyOpenID.com vergessen meine Standard-Email-Adresse und meinen Standard-Nickname anzugeben. Nachdem das nachgeholt ist, bin ich endlich bei Ma.gnolia.com als bloomsday.myopenid.com eingeloggt.

Nun wiederhole ich das Prozedere beim Fotodienst Zooomr.com, wo ich meine OpenID ebenfalls verwenden kann. Auch hier will Zooomr beim ersten Login von mir noch mal eine Email-Adresse, Vor- und Nachnamen, sowie einen Nickname. Nachdem das erledigt ist, kann ich aber auch hier mit meiner OpenID (http://bloomsday.myopenid.com/) ein- und ausgehen.

Ich mußte also sowohl Ma.gnolia.com als auch Zooomr.com ein paar Informationsbrocken hinwerfen, die zentrale Information, das Kennwort zu meiner OpenID-URL erfahren sie jedoch nie, das bleibt ausschließlich bei meinem OpenID-Provider, über den der Login jedesmal abläuft, hinterlegt. In meinem Fall also bei MyOpenID.com. Auch aus datenschutztechnischer Sicht macht das Konzept also durchaus Sinn.

Natürlich haben die etablierten Anbieter nicht unbedingt ein Interesse daran, daß es autonome Account-Datenbanken gibt, die sich ihrer Kontrolle entziehen. Wer einen MSN-Service nutzen will, der muß sich eben auch einen Account bei MSN registrieren (der dann nur bei MSN funktioniert, für Ebay brauch ich schon wieder einen anderen Account, usw.). Meistens sind es daher eher weniger bekannte Websites, die auf OpenID setzen, weil so die Chance besteht, zusätzliche Nutzer zu gewinnen. Ist der Anbieter dagegen schon sehr bekannt und hat viele Nutzer, hat er das nicht mehr nötig, er hat eine eigene Community und versucht die Nutzer an sich zu binden. Ein OpenID-System wäre hier kontraproduktiv, da es den Nutzern den Wechsel zur Konkurrenz vereinfacht. Ob sich also ein System wie OpenID jemals durchsetzen wird, ist noch ungewiß.

Es gibt jedoch einen Trend, daß Account-Anbieter ihren Account-Dienst selbst auslagern, der OpenID-Idee sozusagen Konkurrenz machen. So bietet Microsoft seit kurzem die Möglichkeit, daß Dritte das "Windows Live ID"-System (ehemals "Passport") nutzen können (heise online, 17.08.07). Jeder Betreiber einer Website kann also jetzt bei sich einen Login mit einem MSN-Account ermöglichen. Die Website muß nichts mit MSN zu tun haben, MSN erlaubt es einfach nur, daß User die bereits einen MSN-Account haben (und es gibt zur Zeit rund 400 Millionen registrierte Live IDs) sich darüber auf der Website des Drittanbieters einloggen können, um dessen Angebot zu nutzen. Die Paßwort-Infos verbleiben bei MSN, der Drittanbieter erfährt sie nicht, hat aber jetzt einen großen potentiellen Kundenstamm. MSN kann umgekehrt natürlich "Bewegungs-Profile" erstellen: wer besucht mit seinem MSN-Account welche Seite eines Drittanbieters.

Microsoft/MSN vesucht also seine starke Position bei den Identifikationssystemen weiter auszubauen, indem sie das eigene ID-System für Dritte auf deren Websiten nutzbar machen. Der Unterschied zu OpenID ist nur, daß ich mir bei OpenID meinen Provider selbst suchen kann (genauso übrigens wie bei Jabber als IM-System). Ich kann frei wählen, ob ich meine Daten WordPress.com, LiveJournal.com, MyOpenID.com oder irgend einem anderen OpenID-Provider anvertraue. Und egal, wo ich meine OpenID registriere, ich kann mich anschließend in jede Website einloggen, die OpenID unterstützt. Bei MSN kann ich mich künftig auch auf jede Seite einloggen, die das MSN-System nutzt, habe aber diese freie Provider-Wahl nicht, ich muß mich immer bei live.com registrieren und meine Daten immer MSN überlassen. Das System ist somit nicht wirklich frei, sondern geschlossen; die Abhängigkeit von MSN bleibt bestehen bzw. wird ausgebaut.

Wer sich für das Thema OpenID interessiert, sollte mal einen Blick in das "OpenID Directory" werfen. Hier werden Seiten gelistet, die OpenID bereits heute unterstützen. Wie berichtet sind dies meist "Underground"-Sites, die wenig bekannt sind. Was aber ja nicht heißen muß, daß deren Angebote schlechter sind als vergleichbare Angebote von bekannteren Anbietern.

In jedem Fall lohnt es sich, sich mal eine eigene OpenID auf Websites wie z.B. MeinGuterName oder MyOpenID zu registrieren, um anschließend mal ein paar Portale auszuprobieren, die bereits einen Login via OpenID unterstützen.

Samstag, August 18, 2007

Helter Skelter



Phoenix zeigt zur Zeit in deutscher Fernseh-Erstausstrahlung die zwölfteilige Doku-Serie "Die letzten Tage einer Legende". Wie der Name schon suggeriert, werden hier die letzten Tage von Persönlichkeiten wie Che Guevara oder Jim Morrison nachgezeichnet.

In der fünften Folge werden die letzten Tage der us-amerikanischen Schauspielerin Sharon Tate beleuchtet, die damals mit Roman Polanski verheiratet war und gerade kurz davor stand ein echter Superstar zu werden.

Doch leider wurde sie Mord-Opfer der Manson Family. Deren berüchtigter Kopf, Charles Manson, verfolgte in seinem Wahn seine so genannte "Helter Skelter Theorie".

Grundlage seiner Vision war der gleichnamige Song der Beatles (erschienen auf dem "Weißen Album") in dem es eigentlich darum geht, daß das Leben wie eine Rutschbahn ist: Das hinunter gleiten und anschließende wieder besteigen der Rutsche steht bildlich für das Auf und Ab im Leben. In Großbritannien, bekanntlich die Heimat der Beatles, bezeichnet "Helter Skelter" (auf deutsch "Hals über Kopf" oder "Holterdipolter") eine große Rutschbahn in einer Vergnügungspark-Kette.

Davon wußte Manson jedoch nichts, er interpretierte den Song auf eine ihm ganz eigene Art: Die Beatles waren für ihn die vier Engel der Apokalypse und der Song "Helter Skelter" stand dafür, daß jene die jetzt gerade unten waren, bald nach oben rücken würden. Er hatte dabei die Vision eines "Rassenkrieges", die Schwarzen am unteren Ende der Gesellschaft würden sich erheben und die Weißen vernichten. Da die Schwarzen sich jedoch anschließend als unfähig erweisen würden, das System zu leiten, würden sie sich ihm, Charles Manson, als neuen Führer unterwerfen.

Da die Schwarzen jedoch keine Anstalten machten, den von Manson prophezeiten "Rassenkrieg" zu beginnen, beschloß Manson ihnen erst einmal zu zeigen, wie sie es zu machen hätten. Er beauftragte einige ihm völlig verfallene Mitglieder seiner Sekte, mehrere Personen aus der Oberschicht (auf die Manson wegen seiner Minderwertigkeitskomplexe einen riesen Haß hatte und ihnen die Schuld dafür gab, als Musiker nicht aufsteigen zu können) zu ermorden, darunter auch Sharon Tate und ihr noch ungeborenes Kind.

Die tatsächliche Entstehungsgeschichte des Songs liest sich in der Wikipedia allerdings wie folgt: "McCartney hatte gelesen, dass die Gruppe The Who in der englischen Musik-Zeitschrift Melody Maker behauptet hatte, sie hätten den lautesten und härtesten Rock-Song aller Zeiten geschrieben (I can see for miles). Bei seinem Ehrgeiz gepackt beschloss McCartney, der lauteste und härteste Song müsse ein Song von den Beatles sein und schrieb daraufhin 'Helter Skelter'. Tatsächlich hat das Stück, das in seiner ursprünglichen Fassung 24 Minuten lang war, eine deutliche Affinität zu den sich gerade entwickelnden Musikstilen Hard Rock und Heavy Metal: Dies liegt vor allem an dem ausgiebigen Gebrauch von Distortion und Feedback bei den E-Gitarren und an McCartneys Schrei-Gesang. Außerdem trägt Ringo Starr mit seinem sehr hart angeschlagenen Schlagzeug dazu bei."

Wenn man so will gehörte "Helter Skelter" also zu einem der ersten Hard Rock Songs. Es ist kein typischer und damit auch kein wirklich "schöner" Beatles-Song, trotzdem aber eben ein Meilenstein. Ein offizielles Video gibt es zum Song nicht, ich habe bei YouTube aber diese von einem Fan zusammengestellte Collage gefunden, die es auch tut.

Mittwoch, August 15, 2007

Evolution



"Evolution" ist die erste Single des neuen, namenlosen Albums der Nu-Metal Band Korn. Thematisiert wird die "Devolution" der Menschheit (was insgesamt dann ein Teil der Evolution ist).

Der Plot wird auch von Regisseur Dave Meyers im Video aufgegriffen: Schimpansen treten gegen Menschen an, und die Affen schneiden deutlich besser ab. Ein nett gemachtes und sehenswertes Video, auch wenn der Song als solcher nicht unbedingt überragend ist.

Das beste Video zum Thema bleibt freilich nach wie vor das von Pearl Jam zu "Do The Evolution", das in eine ähnliche Richtung geht, aber musikalisch wie visuell noch besser rüberkommt.

Dienstag, August 14, 2007

BDSM im deutschen Fernsehen (Teil 8): Verfolgt, Deutschland, 2006

In "Verfolgt" (Orig.: Verfolgt) spielt Maren Kroymann die Bewährungshelferin Elsa Seifert, Anfang 50. Obwohl sie ihre Arbeit liebt und sehr erfolgreich ist, verspürt sie nach dem Auszug ihrer Tochter Daniela (Stephanie Charlotta Koetz) eine Leere in ihrem Alltag, die auch ihr Lebensgefährte Raimar (Markus Voellenklee) nicht füllen kann.

In dieser Phase trifft sie auf ihren neuen Klienten, den sechzehnjährigen Straftäter Jan Winkler (Kostja Ullmann), der ihr vorschlägt, mit ihm eine FemDom-Beziehung einzugehen, worauf Elsa sich auch einläßt. Nach und nach entdeckt sie ihre Vorliebe für sadomasochistische Rollenspiele und liebt es dominant zu sein. Doch je intensiver beide ihre Sehnsüchte ausleben, desto mehr gerät Elsas Leben aus den Fugen.

Von der Kritik wurde dieser neue Film von Angelina Maccarone hoch gelobt. 2006 erhielt er den Goldenen Leoparden, die Filmbewertungsstelle Wiesbaden zeichnete ihn zudem als "besonders wertvoll" aus.

"Regisseurin Angelina Maccarone spekuliert jedoch nicht auf den Tabubruch. Sie zeigt keine Bilder, die Voyeure bedienen könnten. Sie erzählt die Geschichte in schwarz-weiss, in ruhigen, konzentrierten Einstellungen, die sich auf die Darsteller stützen." (hr-online.de, 05.01.07)

Daß der Film noch nicht im deutschen Fernsehen zu sehen war, ist vermutlich darauf zurückzuführen, daß er erst 2006 erschien. Ansonsten spricht nichts dagegen, die BDSM-Szenen sind keineswegs so explizit, daß sich eine Ausstrahlung verbieten würde. Anzunehmen ist daher, daß er demnächst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen sein wird, vermutlich auf ARTE.

In der BDSM-Reihe sind hier bisher erschienen:

Montag, August 13, 2007

BDSM im deutschen Fernsehen (Teil 7): Die Geschichte der O, Frankreich, 1975

"Die Geschichte der O" (Orig.: Histoire d'O) aus dem Jahr 1975 ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Dominique Aury aus dem Jahr 1954. Sowohl der Film als auch die Romanvorlage gelten heute als das "bahnbrechende" BDSM-Werk schlecht hin.

Die devote O (Corinne Clery) ist eine erfolgreiche Modefotografin in Paris. Sie trifft auf René (Udo Kier) und beginnt mit ihm eine MaleDom-Beziehung. René bringt sie auf das abgeschiedene Schloß Roissy auf welchem auch andere devote Frauen leben und ebenso wie nun auch O zu perfekten Subs ausgebildet werden.

"Während ihres Aufenthalts lernt O, eine gehorsame 'Sklavin' zu sein, dennoch bleibt sie stets selbstbewusst und ist sich ihrer Macht über die Männer in ihrer Umgebung im Klaren. Nichts geschieht, ohne dass sie zuvor nach ihrem Einverständnis gefragt wird." (Wikipedia) "Der Roman stellt die Frage nach dem Verhältnis von Liebe und Unterwerfung beziehungsweise der freiwilligen 'Aufgabe des eigenen Willens' (...) Alle Vorgänge werden ohne Erzählerkommentare aus der Perspektive der Heldin geschildert, deren Innenleben so auf subtile Weise geschildert wird, ohne dass ihr Verhalten moralisch bewertet oder auch nur anhand konventioneller Maßstäbe erklärt würde." (Wikipedia)

Nach erfolgreicher Beendigung ihrer "Ausbildung" zieht O auf Bitten Rénes vorübergehend zu dessen väterlichem Freund Sir Stephen (Anthony Steel), der noch dominanter ist und O zu einer noch besseren Sklavin "weiterbildet". O verliebt sich in Sir Stephen und läßt sich als letzten fundamentalen Liebesbeweis sein Zeichen einbrennen.

Abweichend vom Roman endet der Film damit, daß O Sir Stephen, nur mit einer Federmaske bekleidet, auf einen exklusiven Ball begleitet. Eine Szene, die Stanley Kubrick 1999 für "Eyes Wide Shut" 1:1 übernommen hat.

Stilprägend war auch der sogenannte "Ring der O", der heute in der BDSM-Szene als Erkennungszeichen gilt. Wird er an der linken Hand getragen, so bedeutet dies in der Regel, daß der Träger ein Dom ist, wird er an der rechten Hand getragen, ist der Träger ein Sub.

Unklar ist bis heute, für welchen Vornamen die Abkürzung "O" steht. "Es hieß, er sei eine Abkürzung für objet (Frz.: Objekt) oder orifice (Frz.: Öffnung) oder für Odile, den Vornamen einer guten Freundin der Autorin." (Wikipedia)

Aury veröffentlichte ihren Roman 1954 unter dem Pseudonym "Pauline Réage", erst 40 Jahre später (1994) gab sie in einem Interview öffentlich zu, die Autorin zu sein (was bis dato immer nur ein Gerücht gewesen war). Mehrfach wurde zuvor in Kritiken bestritten, daß der Autor des Buches weiblich sein könne, zu herabwürdigend sei die geschilderte MaleDom-Beziehung, als daß sie aus der Feder einer Frau stammen könne. Viel mehr sei der ganze Plot eine typische Männerphantasie.

Sowohl das Buch als auch die verschiedenen Film-Adaptionen sind teilweise bis heute indiziert. Trotzdem gibt es diverse weitere Verfilmungen, etwa "The Story of Joanna" (ebenfalls 1975), den Kurzfilm "Menthe – la bienheureuse" (1979) von Lars von Trier oder "Die Früchte der Leidenschaft" (1981) von Shuji Terayama mit Klaus Kinski als Sir Stephen.

Die hier besprochene Version von Just Jaeckin aus dem Jahr 1975 gilt aber bis heute als die wichtigste und bekannteste. Obwohl der Film diverse BDSM-Praktiken dokumentiert, gibt es keine detaillierte Darstellung von Geschlechtsverkehr und auch keine verbalen Obszönitäten, weshalb er schon mehrmals ungeschnitten im deutschen Fernsehen auf unterschiedlichen Sendern zu sehen war.

Der Film ist natürlich auch in diversen Varianten als DVD zu erhalten (siehe z.B. hier, hier oder hier). Der Roman ist dagegen bis heute in Deutschland indiziert, nichtsdestotrotz aber beim Charon-Verlag frei erhältlich.

"Die Geschichte der O" ist sicherlich ein Meilenstein in der cineastischen Darstellung der BDSM-Thematik und daher ein Muß für jeden, der sich für das Thema interessiert. Aber auch Zuschauer die mit BDSM sonst nicht viel am Hut haben, sollten diesen Klassiker des erotischen Kinos einmal gesehen haben.

In der BDSM-Reihe sind hier bisher erschienen:

Sonntag, August 12, 2007

BDSM im deutschen Fernsehen (Teil 6): 9 1/2 Wochen, USA, 1986

"9 1/2 Wochen" (Orig.: Nine 1/2 Weeks) von Adrian Lyne (nach einem Roman der unter dem Pseudonym Elizabeth McNeill veröffentlicht wurde) ist sicherlich der kommerziell erfolgreichste und bei weitem bekannteste Film mit BDSM-Elementen. Natürlich ist er bei weitem nicht der beste, hat aber das Thema BDSM einem großen Publikum zugänglich gemacht und galt bei seinem Erscheinen im Jahr 1986 als Skandalfilm (obwohl er verglichen mit anderen Streifen in dieser Reihe natürlich eher harmlos ist, was die explizite Darstellung von BDSM-Praktiken angeht).

Nachdem die Kunstgaleristin Elizabeth (Kim Basinger) eine gescheiterte Ehe hinter sich gebracht hat, ist sie nicht unbedingt erpicht auf die körperliche Nähe zu Männern. Gleichzeitig leidet sie aber offensichtlich an der Leere und der Einsamkeit, die sich aus einem beziehungslosen Leben ergeben. Dies ändert sich schlagartig, als der sehr erfolgreiche Börsenmakler John (Mickey Rourke) in ihr Leben tritt und beide eine Affäre miteinander beginnen.

Die Beziehung ist zunächst rein sexuell, beide reden verhältnismäßig wenig miteinander und steigern sich stattdessen in immer gewagtere sadomasochistische Spiele. Die selbstbewußte Elizabeth glaubt dabei zunächst alles im Griff zu haben, muß aber langsam feststellen, daß sie sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zu John begeben hat. Dies wird umso schwieriger, als John anfängt bei den Spielen weiterzugehen, als es Elizabeth recht ist. In einer berühmten Szene in der Elizabeth mit verbundenen Augen Sex mit einer Prostituierten haben soll (während John zusieht), wird ihr das Ganze zu viel und sie verläßt nach 9 1/2 Wochen ihren Liebhaber.

Viele Szenen aus dem Film haben sich zu "eigenen Stilikonen" entwickelt. Am berühmtesten darunter sicherlich das "erotische Essen", wo die beiden mit Nahrung spielen. Die Szene wurde x-fach kopiert und parodiert (z.B. in "Hot Shots"). Berüchtigt ist auch Kim Basingers Abneigung gegenüber Mickey Rourke, die angeblich in dem Zitat gipfelte, ihn zu küssen sei so reizvoll wie einen Aschenbecher auszulecken. Angeblich soll Lyne die beiden Schauspieler mit Psychotricks bewußt so manipuliert haben, daß sie sich je nach zu spielender Szene tatsächlich mochten oder nicht mochten.

Während der Film ein kommerzieller Erfolg war, ist er unter Kritiken stark umstritten. Auf der einen Seite steht die Handlung, die nur rudimentär bis nicht vorhanden ist und dem Drehbuch die Nominierung für eine Goldene Himbeere, dem "Anti-Oscar", einbrachte. Auf der anderen Seite steht die lobenswerte, schauspielerische Leistung der beiden Hauptdarsteller. Die Figur des psychopathischen John scheint Mickey Rourke wie auf den Leib geschrieben und auch Kim Basinger versteht es die laszive Elizabeth überzeugend zu spielen.

11 Jahre später, 1997, erschien dann das Sequel mit dem Titel "9 1/2 Wochen in Paris" (Orig.: "Love in Paris"), wieder mit Mickey Rourke aber ohne Kim Basinger. Anders als der erste Teil wurde diese Fortsetzung allerdings ein totaler Flop.

Adrian Lynes "9 1/2 Wochen" ist hingegen zu einem echten Klassiker avanciert, den jeder Mal gesehen haben sollte, der sich für BDSM im Film interessiert. Auch im deutschen Fernsehen ist er immer mal wieder zu sehen.

In der BDSM-Reihe sind hier bisher erschienen:

Samstag, August 11, 2007

BDSM im deutschen Fernsehen (Teil 5): Meine Mutter, Frankreich, 2004

In Christophe Honorés Verfilmung von Georges Batailles Skandalroman "Meine Mutter" (Orig.: Ma mère) geht es eigentlich um eine ödipale Inzest-Geschichte bei der BDSM nur als "Nebensache" auftaucht. Trotzdem werden sadomasochistische Praktiken an bestimmten Stellen stark fokussiert, weshalb man den Film durchaus in die BDSM-Reihe aufnehmen kann.

Die Hauptrolle in dem Drama spielt einmal mehr Isabelle Huppert (siehe auch "Die Klavierspielerin") als die verwitwete Mutter Hélène. Ihr gegenüber steht ihr 17jähriger Sohn Piere (Louis Garrel), der bisher bei seiner Großmutter gelebt hatte, nach dem Unfalltod seines ihm verhaßten, tyrannischen Vaters aber nun zu seiner Mutter in eine Ferienvilla nach Spanien zieht. Hélène führt dort ein sehr lasterhaftes, ausschweifendes Leben, in das auch Pierre hineingezogen wird.

Von Anfang an ist recht offensichtlich, daß das Verhältnis zwischen Pierre und Hélène keine normale Mutter-Sohn-Beziehung ist, er begehrt sie und sie begehrt ihn. Ein klassischer Ödipuskonflikt liegt hier eigentlich nicht mehr vor, da der Vater -- in der "ödipalen Logik" ja der Rivale des Sohnes -- bereits verstorben ist (ohne Zutun des Sohnes). Damit ist aber auch endlich eine Wiederannäherung zwischen Mutter und Sohn möglich, die dann allerdings im Inzest endet.

Die fast schon nymphoman wirkende Hélène führt ein promiskes, exzessives Sexualleben, ist aber trotzdem nie wirklich glücklich (warum und wieso läßt sich aus dem Film durchaus ableiten, würde hier ab zu weit führen). Im Verlauf des Films wird deutlich, daß sie sowohl mit Männern als auch Frauen regen Kontakt hat -- wenn es sich ergibt auch gegen Geld. Ihre Hauptgespielin ist dabei Réa (Joana Preiss) mit der sie Nachts um die Häuser zieht und Party macht.

Irgendwann beschließen die beiden Pierre ins Nachtleben mitzunehmen, doch sie trennen sich und als die beiden Frauen Pierre schließlich wiederfinden, liegt dieser angetrunken auf der Straße an einer Säule und schläft. Hélène fordert Rhea auf, ihn auszuziehen, was diese auch macht. Pierre erwacht und hat Sex mit Rhea (mitten auf dem Bürgersteig), wobei sich abzeichnet, daß sie es deutlich härter will als er. Auf Schmerzen die sie ihm zufügt, kann er jedenfalls nicht ab. Hélène schaut den beiden teils erregt, teils distanziert zu.

Nach einer weiteren Orgie in einem Schlafzimmer an der mehrere Personen beteiligt waren, wacht Pierre auf und hat Sex mit Rhea, weckt absichtlich seine daneben liegende Mutter, damit diese ihnen zusehen kann. Anschließend hat dann Hélène Sex mit Rhea und will Pierre zusehen lassen. In diesem Moment interveniert jedoch Hansi (unfaßbar hübsch: Emma de Caunes), eine weitere, etwas jüngere Gespielin der Mutter, die Pierre sanft die Augen zuhält und ihn wegzieht.

Die Mutter zieht die Notbreme, weil sie bemerkt worauf die Sache hinauslaufen wird. Sie verläßt zusammen mit Rhea das Haus, "hinterläßt" ihrem Sohn aber Hansi.

Zwischen Hansi und Pierre entwickelt sich schnell eine erste echte Liebe, wobei deutlich wird, wie sehr Hansi darunter leidet in der Vergangenheit von Hélène für ihre Sexspielchen eingespannt worden zu sein. Dies wird am FemDom-Verhältnis von Hansi zu dem adrogyn wirkenden Loulou (Jean-Baptiste Montagut) deutlich. Loulou ist das Mädchen für alles in der Ferienanlage in der Hansi residiert (die Anlage gehört einem ihrer Verwandten). Zuerst läßt sie sich im Beisein Pierres die Stiefel von Loulou ausziehen, dann verdrischt sie ihn in der explizitesten SM-Szene im ganzen Film mit einem Kabel derart, daß er am nächsten morgen halbtot ist. Als Hansi wieder zu sich kommt und erkennt, was sie getan hat, bricht sie in Tränen aus.

Hélène hat unterdessen auf ihrem Trip mit Rhea wenig Spaß, denn es wird deutlich, daß die Männer Rhea lieber wollen als sie, da Rhea jünger ist (Rhea ist vielleicht Mitte 30, Hélène Ende 40). Sie verläßt Rhea und kehrt zum Feriendomizil zurück. Trotz allen Versuchen es abzuwehren, kommen sich hier nun Hélène und Pierre wieder näher (der für Hansi trotzallem einfach nicht dasselbe empfinden kann, wie für seine Mutter). Schließlich kommt es tatsächlich zum Inzest, woraufhin Hélène Selbstmord begeht und Pierre dann neben ihrer Leiche aufwacht.

Die Film ist streckenweise sehr verstörend, die Konfrontation mit der egomanen, skrupellosen Hélène, die gesellschaftliche Konventionen und jegliche Form von "Sexualmoral" einfach ignoriert, ist vermutlich mehr als manch ein Zuschauer ertragen kann. Dennoch wird die Zerrissenheit der Protagonisten zwischen Trieb und dem Wissen dem Trieb eigentlich nicht nachgeben zu sollen, sehr deutlich veranschaulicht.

Auf der einen Seite die dominante, ausschweifend-lebende Mutter, die zwischen den Zeilen aber eben auch als sehr verletzlich erscheint, und auf der anderen ein 17jähriger, der seine Mutter für ihren Lebenswandel einerseits verachtet, sie aber andererseits auch begehrt und im Verlauf des Films seine ersten Erfahrungen mit Liebe, Lust und Scham macht -- auch wenn diese sicherlich etwas atypisch sind.

ARTE strahlte den Film Mitte Juli als FreeTV-Premiere im französischen Original mit deutschen Untertiteln aus. Wann (und ob überhaupt) er zum nächsten Mal zu sehen sein wird, ist ungewiß. Wer nicht solange warten will, kann ihn sich als DVD bestellen (wobei er zur Zeit bei amazon.de nicht geführt wird).

In der BDSM-Reihe sind hier bisher erschienen:

Dienstag, August 07, 2007

Ves



Die 30jährige, kubanische Rapperin Telmary Díaz (auch "Telmary" oder einfach "Telma" / "Telmy" genannt) gehört der jüngsten Generation des so genannten "Kubanischen Hip-Hops" an. Dieser besteht zum einen aus systemkritischen Acts im Unterground, besonders Jugendlichen aus den Vororten die über den kubanischen Alltag samt Rassismus (gegenüber dunkelhäutigen Kubanern), Polizeikontrollen und Arbeitslosigkeit rappen.

Doch das ist nicht Telmarys Ding, als Tochter eines hochrangigen kubanischen Staatsbeamten ist sie sehr privilegiert aufgewachsen. Der Untergrund-Hip-Hop bleibt in der Szene stecken, er schafft es nie an der staatlichen Zensur vorbei, erreicht keine größere Plattform und versackt dann einfach -- nicht zuletzt aufgrund mangelnden technischen Equipments. Telmary kleidet ihre Kritik nach eigenen Angaben daher lieber in Metaphern, die einerseits an der Zensur vorbeikommen würden, andererseits aber von ihren Zuhörern durchaus dechiffriert werden könnten. Sozusagen eine versteckte Kritik am kubanischen Alltagsleben ("Kuba-Rapperin Telmary", Spiegel Online, 07.08.07).

Nun ist mit "A Diario" endlich ihr erstes eigenes Album erschienen -- auf DM Ahora!, dem einzigen unabhängigen Label auf Kuba, 2005 vom Bandleader des Buena Vista Social Clubs, Juan de Marcos González, gegründet. Spiegel Online schreibt: "Über 50 Musiker haben an dem Album mitgewirkt. Darunter hochkarätige Rapper-Kollegen wie Kumar oder Athanai, die besten Percussionisten Kubas und auf dem Flamenco-getönten 'Sueno Brujo' gar die spanische Band Ojos de Brujo" ("Kuba-Rapperin Telmary", Spiegel Online, 07.08.07).

Über das Stück "Ves" heißt es weiter: "Auch auf 'Ves' (...) dominieren die Rhythmen der Orishas genannten Götter - kontrapunktieren sakrale Ruf- und Antwort-Gesänge und jazzige Bläser-Arrangements Telmarys lasziv vorgetragene Raps ("Kuba-Rapperin Telmary", Spiegel Online, 07.08.07). Das Video ist wenig spektakulär, man sieht die Rapper (Telmary, Kumar und William Vivanco) mal real, mal in kurzen Anime-Schnipseln; trotzdem aber nett anzusehen.

Große Major-Labels machten bisher einen großen Bogen um den "Rap Cubano", sollte sich dies jetzt nicht zuletzt Dank Telmary tatsächlich ändern, stehen auch negative Effekte zu befürchten. Beachtet man etwa die Wandlung von Shakira von der südamerikanischen Español-Röhre zur internationalen Pop-Prinzessin, so ahnt man angesichts der Tatsache, daß Telmary ursprünglich mal englische Literatur studiert hat, nichts Gutes, sollte ihr der Durchbruch tatsächlich gelingen. Allen Bekenntnissen zu "ihren Wurzel" zum Trotz. Man sollte also den kubanischen Hip-Hop noch genießen, solange er noch so ursprünglich und unverfänglich ist wie zur Zeit.