Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern entschieden, daß heimliche Online-Durchsuchungen durch die Polizei unzulässig sind. Die Richter begründeten ihr Urteil damit, daß die Strafprozessordnung nur offene Durchsuchungen erlaube. Also z.B. die Durchsuchung einer Wohnung in Anwesenheit des Verdächtigen. Die geplanten Online-Durchsuchungen sollten dagegen heimlich ablaufen, also in Unkenntnis der Zielperson. Die Überwachung der Telekommunikation und des Wohnraums könne dagegen auch ohne Wissen der Betroffenen durchgeführt werden, "für die aber deutlich höhere formelle und materielle Anforderungen an die Anordnung und Durchführung" bestehen (heise newsticker, 84776, 05.02.07).
Für die heimlichen Online-Durchsuchungen fehlt also bis dato die Ermächtigungsgrundlage. Weshalb nun Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eine solche schaffen will, indem er auf eine Anpassung der Strafprozessordnung drängt. Unterstützung erhält er dabei von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und dem Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der zwar die Vorgehensweise der Politik kritisierte, grundsätzlich aber auch für die Möglichkeit von Online-Durchsuchungen ist. Zentrales Argument ist hier neben der Internet-Kriminalität natürlich auch immer wieder der Terror. BDK-Vorsitzender Kurt Jansen verstieg sich sogar dazu das Internet als "Universität des Terrors" zu definieren (heise newsticker, 84813, 05.02.07).
Zustimmung für die Gerichtsentscheidung und Kritik an Schäubles Vorhaben kam dagegen in erster Linie von den Oppositionsparteien (FDP, Grüne, Linke), Bürgerrechtlern und Datenschützern. Der Bürgerrechtler und ehemalige Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch (FDP), geiselte die Idee der heimlichen Online-Durchsuchung gegenüber dem SPIEGEL als "brutalsten Eingriff" der alle bisherigen Ermittlungsmethoden in den Schatten stelle und "schlimmer als der Große Lauschangriff" sei (DER SPIEGEL, 6/2007, 05.02.07).
Selbst wenn es solche Online-Durchsuchungen geben sollte, ist bis dato immer noch unklar, wie genau sie ablaufen sollten. Im Volksmund hat sich der Begriff "Bundestrojaner" durchgesetzt. "Als 'Bundestrojaner' wird inoffiziell der Teil eines Programmes bezeichnet, der Spyware-Code auf einen PC einschleust, damit eine Online-Durchsuchung durch die Strafverfolgungsbehörden oder Geheimdienste möglich wird" (heise newsticker, 84776, 05.02.07). In der Schweiz ist das bereits Realität, dort testet das UVEK den Einsatz von Spionagesoftware, die im Netzjargon kurzerhand "Kommissar Trojaner" genannt wird (heise newsticker, 79172, 08.10.06).
In Deutschland ist man dagegen in NRW am weitesten was Online-Durchsuchungen angeht. Dort wurde im Dezember 2006 ein Verfassungsschutzgesetz verabschiedet, das Online-Durchsuchungen erlaubt (Florian Rötzer: "Der Große Bruder im privaten Computer", Telepolis, 21.12.06). Dagegen ist aber zur Zeit eine Bundesverfassungsklage in Arbeit, die von der Journalistin und Bürgerrechtlerin Bettina Winsemann (Twister) angestrengt wird (siehe twister-schreibt.de).
Es bleibt zu hoffen, daß die Klage vor dem BVG Erfolg haben wird und damit das Thema heimliche Online-Durchsuchungen endgültig vom Tisch ist. Vermutlich wird es aber am Ende unter verschärften Auflagen doch möglich werden. Schäuble ist jedenfalls fest überzeugt, daß die Online-Durchsuchungen kommen müssen, während Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sich im tagesschau-Interview noch unentschlossen zeigte.
Dienstag, Februar 06, 2007
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