Bereits gestern hatte das Bundesverfassungsgericht (BVG) entschieden, daß die Parteien "Allianz für Gesundheit", "Frieden und soziale Gerechtigkeit", "Familien-Partei Deutschlands" und "Ökologisch-Demokratischen Partei" sicht nicht der Klage der Bundestagsabgeordneten Werner Schulz (Grüne) und Jelena Hoffmann (SPD) anschließen dürfen. Besagte Randparteien hatten argumentiert, daß ihnen durch ein solches verfassungswidriges Vorziehen der Wahlen nicht genügend Zeit zur Vorbereitung des Wahlkampfs bliebe. Schulz und Hoffmann argumentieren, daß das "Mißtrauen" inszeniert und nicht tatsächlich vorhanden ist.
Seit heute verhandelt das BVG nun über die Klage von Schulz und Hoffmann. Die Entscheidung wird vermutlich erst Ende August fallen. Doch wie wird sie ausfallen? Eine überwältigende Mehrheit der Wähler will diese Neuwahlen. Doch hat sich das BVG im Gegensatz zun den Politikern ja nicht dem Mehrheitswillen zu beugen. Seine Aufgabe besteht darin festzustellen, ob der Vorgang der Herbeiführung von Neuwahlen verfassungskonform oder verfassungswidrig war.
Das Volk will Neuwahlen, Regierung wie Opposition betonen, daß das Mißtrauensvortum verfassungsgemäß gewesen ist, Bundespräsident Köhler wie Bundestagspräsident Thierse haben sich dieser Einschätzung angeschlossen. Kann da das BVG überhaupt noch "nein" sagen? Theoretisch schon, aber realistische betrachtet, wie neutral ist das Gericht wirklich? Kann es sich wirklich nur an die Verfassung halten und einem so starken politischen Trend wie dem zu Neuwahlen widersetzen?
Andererseits wirkt natürlich die Argumention der Regierung schon sehr konstruiert. Schröder konnte sich seiner Mehrheit bisher immer sicher sein, selbst wenn er sie manchmal "herbeizwingen" mußte. Und nun auf einmal, nach all den Jahren, soll anhand von Presseberichten belegt werden, daß es in der Koalition starke Abweichler gibt und die Regierung sich einer Mehrheit dauerhaft nicht mehr sicher sein kann? "Darf der Kanzler mittels Vertrauensfrage Neuwahlen anstreben, wenn es eine 'politische Lage der Instabilität' gibt, wie das Verfassungsgericht 1983 urteilte? Oder auch dann, wenn er dies nur befürchtet?" (SPON). Genau das ist der Punkt, es gibt eben keine politische Instabilität, sondern nur die Befürchtung, daß es zu einer solchen in näherer Zukunft kommen könnte.
Sollten die Neuwahlen jetzt doch noch abgeblasen werden müssen, würde paradoxerweise vermutlich genau die instabile Situation entstehen, die ja eigentlich vermieden werden sollte. Denn was wären die Konsequenzen? Zunächst müßte Köhler zurücktreten, denn ein Bundespräsident der eine Entscheidung "durchwinkt", die sich dann anschließend doch als verfassungswidrig herausstellt, ist faktisch nicht zu halten. Zweitens müßte wohl auch Schröder zurücktreten, denn wie sollte er jetzt noch weitermachen, nachdem er so deutlich erklärt hat, er habe das Vertrauen seiner Truppe verloren? Und dann? Ein Fortbestehen der rotgrünen Koalition unter einem Kanzler Müntefering bis zum nächsten Jahr? Eine frühzeitig gekürte Kanzlerkandidatin Merkel, die sich noch ein weiteres Jahr unbeschadet als solche halten muß? Oder eine Änderung des Grundgesetzes (wobei der Wahltermin dann vermutlich trotzdem nicht zu halten wäre)?
Ich wette daher, daß BVG wird diese Entscheidung genauso "durchwinken" wie zuvor Köhler. Allen Verfassungsbedenken zum trotz, wird sich unter Abwägung aller Fakten "herausstellen", daß die Herbeiführung von Neuwahlen mittels der Vertrauensfrage rechtmässig war.
Links:
- "Regierung argumentiert mit Angst vor Instabilität", SPON, 09.08.05
- "Schröders Geheim-Dossier will keiner bestellt haben", SPON, 09.08.05
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