Dienstag, Januar 23, 2007

Befürworter der Rudi-Dutschke-Straße gewinnen Abstimmung

Wie bereits mehrfach berichtet (18.12.04, 27.02.06, 29.08.06) führt die taz seit Dezember 2004 in Berlin eine Kampagne zur Umbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße. Der legendäre Studentenführer der 68er-Bewegung hätte sich seine eigene Straße mehr als verdient, so die taz.

Pikantes Detail: Neben der taz residiert auch die Axel Springer AG an der Kochstraße. Im Fall einer Umbenennung würden dann Rudi-Dutschke-Straße und die bereits bestehende Axel-Springer-Straße an einer Kreuzung aufeinander treffen. Harald Neuber formuliert es wie folgt:

"Der Antrag auf eine Umbenennung eines Teils der Berliner Kochstraße hatte ursprünglich durchaus seinen Reiz. Schließlich soll die Rudi-Dutschke-Straße künftig an dem Axel-Springer-Hochhaus vorbeiführen, vor dem der Namensgeber als Aktivist des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes einst demonstriert hat. Und wenn der Springer-Konzern eine Straße vor der eigenen Haustür nach seinem Gründer benennen konnte, warum sollte es der taz nicht gelingen, die nahe Kochstraße, in der sie ihre Redaktionsräume hat, Dutschke zu widmen?" (Telepolis, 22.01.07)

Während sich Springer beim Protest gegen die Umbenennung dezent im Hintergrund hielt, liefen die CDU und einige Anwohner der Kochstraße gegen die Umbenennungspläne Sturm. Auf einer eigens angelegten Website versuchten sie argumentativ darzulegen, warum eine Umbenennung nicht in Frage kommt. Genannt werden "finanzielle, historische und politische Gründe". Mit "finanziell" sind die Kosten für die Bewohner der Straße gemeint, die durch die Umbenennung entstehen, "historisch" bezieht sich auf den Bekanntheitsgrad der Kochstraße über Berlin hinaus (gemeint ist hier vermutlich als traditioneller Sitz diverser Zeitungsredaktionen und Verlage) und auf den "ehrenwerten Bäckermeister Johann Jakob Koch" (obwohl dieser gar kein Bäckermeister war, siehe Tagesspiegel, 21.01.07); "politisch" schließlich bezieht sich auf Dutschkes "Äußerungen und Taten" die ihn "als undemokratischen Revolutionär ausgezeichnet" haben (pro-kochstrasse.de).

Wobei der letzte Aspekt sicherlich im Vordergrund steht. Für viele Konservative ist Rudi Dutschke immer noch ein rotes Tuch, jemand der im schlimmsten Fall für die Radikalisierung der Studentenbewegung hin zur RAF teilverantwortlich ist und im besten Fall einfach nur ein Unruhestifter war. In keinem Fall also jemand, nach dem man eine Straße benennen sollte. Ganz anders natürlich Axel Springer, gegen dessen Presse-Imperium sich Dutschkes Protest ja nicht zuletzt richtete (bekanntlich gab es inbesondere zwischen BILD-Zeitung und Studierenden einen harten Schlagabtausch), der hat bereits seine eigene Straße im Viertel.

Die CDU hat im linken Friedrichshain-Kreuzberg jedoch nur eine marginale Stammwählerschaft. Dies findet auch in der Besetzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Ausdruck, in der Grüne und Linkspartei mit ihrer Mehrheit problemlos die Umbenennung beschließen konnten. Da jedoch eine Umbenennung der gesamten Kochstraße auch eine Umbenennung des U-Banhofs Kochstraße bedingt hätte und dies mit gut 100.000 Euro veranschlagt wurde, beließ man es dabei nur ein Teilstück der Kochstraße umzubenennen.

Die CDU gab sich damit jedoch nicht zufrieden und initiierte zunächst ein Bürgerbegehren, für das sie knapp 6.000 Unterschriften im Bezirk sammeln konnte. Dies reichte aus um die nächste Stufe zu veranlassen, einen Bürgerentscheid bei dem alle wahlberechtigen Einwohner von Friedrichshain-Kreuzberg zu einer Abstimmung über die Umbenennung gebeten wurden.

Besagter Bürgerentscheid fand nun am verganenen Sonntag in Friedrichshain-Kreuzberg statt. Von 184.827 Wahlberechtigten beteiligten sich aber nur 30.695 was eine Wahlbeteiligung von 16,8% entspricht. Damit wurde das Abstimmungsquorum (die nötige Mindestbeteiligung) von 15% knapp erreicht. Die von vielen als verwirrend kritisierte Frage lautete:

"Das Bezirksamt wird aufgefordert, die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße zurück zu nehmen." (Bezirkswahlamt Friedrichshain-Kreuzberg, 21.01.07)

Wer also die alte Kochstraße beibehalten wollte, mußte mit "Ja" stimmen, wer die Rudi-Dutschke-Straße wollte mußte mit "Nein" votieren. Diese "verkehrte Fragestellung" ist ein Resultat der Tatsache, daß die BVV die Umbenennung schon beschlossen hatte und es im Bürgerentscheid faktisch um die "Rück-Umbenennung" ging.

Von den Wählern votierten 57,1% mit Nein (also für die Rudi-Dutschke-Straße) und 42,9% mit Ja (also für die Kochstraße). Damit hatten die Befürworter der Rudi-Dutschke-Straße gewonnen, wenn auch nicht ganz so eindeutig wie ursprünglich gedacht. Den Gegnern der Umbenennung fiel es sichtlich leichter ihre Anhänger zu mobilisieren, während es der Masse der Einwohner schlicht weg egal war, ob die Straße umbenannt wird oder nicht. Trotzdem gelang es der taz zusammen mit diversen "Politgrößen" aus den Reihen der Grünen genug Leute an die Urnen zu bekommen, um eine Umbenennung durchzusetzen. Der Tagesspiegel berichtet:

"Während in den Grünen-Hochburgen eine klare Mehrheit für die Rudi-Dutschke-Straße war und in CDU-Hochburgen erwartungsgemäß mit einer ebenso deutlichen Mehrheit dagegen gestimmt wurde, gab es in anderen Wahllokalen Überraschungen. In SPD-Hochburgen beispielsweise fand sich eine Mehrheit für die Kochstraße, und auch in Bezirken, in denen die Linkspartei/PDS in der Vergangenheit Wahlerfolge feierte, fiel das Ergebnis knapp pro Kochstraße aus. Die PDS in der BVV hatte damals für die Umbenennung votiert. Eindeutig fielen das Ergebnis wie die Wahlbeteiligung im Kochstraßen-Viertel aus: Dort waren am Ende 75 Prozent für den alten Namen." (Tagesspiegel, 22.01.07)

War der Aufwand also gerechtfertigt? Einerseits argumentierte die CDU unter anderem, eine Umbenennung sei einfach zu kostspielig. Andererseits brachte sie dann aber einen Bürgerentscheid auf den Weg der den Bezirk gut 200.00 Euro kostete (Telepolis, 22.01.07) -- und damit vermutlich deutlich mehr als die Umbenennung. Dies wäre wenn überhaupt nur dann zu rechtfertigen, wenn sie zu irgend einem Zeitpunkt eine reale Chance gehabt hätte, diese Abstimmung zu gewinnen. Tatsächlich ist es ihr gelungen, ihre Anhängerschaft stärker zu mobilisieren als die Dutschke-Freunde die ihrige -- nur eine wirkliche Chance hatte sie in einem Bezirk in dem die Linke so übermächtig ist zu keinem Zeitpunkt.

Endgültig erledigt ist die Sache damit allerdings immer noch nicht, denn eine Interessengemeinschaft bei der die Axel Springer AG federführend ist, hat schon vor längerem vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen die Umbenennung Klage eingereicht (Telepolis, 22.01.07). So wäre es denkbar, daß sich die Gegner der Rudi-Dutschke-Straße am Ende doch noch durchsetzen.

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