Montag, Januar 22, 2007

Der Berliner Skandalbahnhof

*lol* Unfaßbar, aber Berlins Hauptbahnhof mußte gestern erneut wegen einer Sturmwarnung gesperrt werden (SPON, 21.01.07). Nachdem der Orkan Kyrill am Donnerstag einen tonnenschweren Stahlträger von der Fassade des Gebäudes geblasen hatte, der dann einen zweiten mitgerissen hatte, welcher sich dann wieder in einen dritten verkeilte, mußte das Bahnhofsgelände gestern erneut evakuiert werden, weil keiner sagen konnte, ob die Fassade des Protzbaus nicht noch weiter bröckeln würde.

Eine Milliarde Euro hat der Bahnhof gekostet, die mit ihm einhergehende Änderung des Berliner Streckennetzes von einer Ost-West-Achse in eine Nord-Süd-Achse inklusive der zu Fernbahnhöfen ausgebauten Stationen Gesundbrunnen und Südkreuz hat nach Schätzungen insgesamt angeblich sogar schlappe 10 Milliarden Euro verschlungen (Wikipedia).

Im Rausch der "Gründerzeit" unmittelbar nach der Wende in Planung genommen, war der neue Hauptbahnhof von Anfang an völlig überdimensioniert. Der alte Lehrter Bahnhof der unter Denkmalschutz stand und den man erst 1987 für 10 Millionen saniert hatte, wurde komplett abgerissen, um dem neuen Hauptbahnhof Platz zu machen (Wikipedia). Heute führt nur noch die S-Bahn-Station den geschichtsträchtigen Namen weiter.

Seine praktischen Defizite offenbarte der neue Hauptbahnhof gleich nach seiner Eröffnung: So bot das großzügig angelegte Gebäude nur einen einzigen WC-Bereich für die erwarteten 300.000 Fährgäste am Tag (stern.de, 02.06.06) und Reisende werden bei Regen naß, weil das Glasdach über dem Bahnsteig gekürzt wurde (Berliner Zeitung, 13.01.07). Schließlich kam es noch zu einem Rechtsstreit zwischen dem Architekten des Bahnhofs, Gerkan, und der Bahn, weil die sich aus Kostengründen geweigert hatte, die Innendecke nach seinen Entwürfen zu gestalten. Gerkan klagte wegen Verletzung des Urhebrrechts -- und bekam in erster Instanz recht (stern.de, 28.11.06).

Die größte Kritik aber gab es wegen der Ausgrenzung des Bahnhofs Zoo, dem ehemaligen "Hauptbahnhof" von West-Berlin, aus dem neuen Streckenkonzept. Der Bahnhof paßte nicht ins Konzept der neuen Nord-Süd-Achse und wurde daher kurzerhand zum Regionalbahnhof degradiert. Dies wirkt sich verheerend auf die Umgebung des Bahnhof Zoos aus, der ein entscheidener Dreh- und Angelpunkt der West City war. Geschäfte und Hotels haben seit dem mit starken Einbußen zu kämpfen, müssen nach und nach dichtmachen. Das ganze Ku'damm-Eck leidet unter der Reduzierung. Der eigentliche Irrsinn besteht jedoch darin, daß der Bahnhof Zoo über all die Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr verfügt, die beim neuen Berliner Hauptbahnhof immer noch fehlen. Obwohl in der Mitte von Berlin gelegen, steht der neue Bahnhof immer noch weitgehend im Niemandsland (Wikipedia).

Und nun auch noch das: Es lösen sich bei Sturm Stahlträger aus der Fassade des neuen Hauptbahnhofs, weil diese weder verschweißt noch verschraubt wurden, sondern einfach nur aufliegen *lol*. Nach Angaben des Tagesspiegels soll der Bahn das Sicherheitsrisiko bereits schon länger bekannt sein (Tagesspiegel, 21.01.07), Handlungsbedarf sieht man freilich erst jetzt. Die Bahn dementiert den Bericht des Tagesspiegel, alles sei damals von der zuständigen Baubehörde genehmigt worden, man sei davon ausgegangen, die Fassade würde halten. Nun suchen alle nach einem Schuldigen, während die Bahnreisenden vor der Tür stehen.

Und schon werden die ersten spöttischen Stimmen laut, man solle doch den Bahnhof Zoo wieder für den Fernverkehr öffnen und den neuen Hauptbahnhof dichtmachen und unter Denkmalschutz stellen (FAZ, 20.01.07).

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