Dienstag, September 26, 2006

Shake your money maker



Das Original-Video zu Ludacris feat. Pharrell Williams neuer Kulthymne "Money Maker" war auf YouTube gar nicht so leicht zu finden, da es dort inzwischen zig Klon-Varianten von Amateur-Filmern/Entertainern gibt. Als klassisches "Whoop-your-a**-Video" erfreut es sich großer Beliebtheit, weil Hinz und Kunz das eigene Hinterteil zu entsprechender Musik halt auch ganz gerne selber bewegt.

Was kann "Shake your money maker" auch sonst meinen, ginge es um die Oberweite so würde man vermutlich im Plural rappen ("Money makers") und um des Mannes bestes Stück scheint es auch nicht zu gehen. Endgültige Gewißheit verschaffen dann Zeilen wie "But you's a hell of a distraction when you shake your behind". Natürlich verrät ein zweiter Blick auf die Lyrics, daß es in dem Song nicht nur ums "shaken" geht.

Zu einem so sexistischen Song gehört natürlich auch ein entsprechendes Video mit viel "money" und "girls". Die "Verkastelung" (ineinandergreifende Frames) als filmisches Stilmittel ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber sonst ist der Clip ästhetisch durchaus ansprechend und unterhaltsam.

Dienstag, September 19, 2006

Analyse zu den Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern

In Berlin wie in Mecklenburg-Vorpommern (Meckpomm) fanden am vergangenen Sonntag Landtagswahlen statt (in Berlin ist das die Wahl des Abgeordnetenhauses). In Berlin wurden zusätzlich die Bezirksverordnetenversammlungen (BVVs) gewählt (entspricht einer Kommunalwahl), erstmals waren hier auch 16jährige wahlberechtigt.

RotRot zurecht gestutzt, aber nicht wirklich abgewählt

In Berlin konnte die SPD unter Bürgermeister Klaus Wowereit leicht hinzugewinnen (+1,1%), erstmals wurde die Partei sowohl in West- als auch in Ost-Berlin stärkste Kraft. Erdrutschartig waren dagegen die Verluste der Linkspartei (-9,2% insgesamt, in Ost-Berlin allein gut -20%), die bis dato Ost-Berlin bei jeder Wahl immer deutlich dominieren konnte. Jetzt mußte sie jedoch Pankow, Treptow-Köpenick und was die Zweitstimmen angeht auch Friedrichshain-Kreuzberg (bei den Erststimmen war die Linkspartei bereits 2001 wie jetzt 2006 unterlegen) an die SPD abtreten, die Linkspartei bleibt damit nur in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf stärkste Kraft. In allen West-Bezirken blieb sie unter 5%.

Genau umgekehrt fällt das Ergebnis in Meckpomm aus, hier kann die Linkspartei leichte Gewinne verbuchen (+0,4%), während die SPD unter Ministerpräsident Harald Ringstorff stark abgestürzt ist (-10,4%). Es gibt hier was die Ergebnisse in den Wahlbezirken angeht ein starkes Ost-West-Gefälle: Während der Westen von Meckpomm stark von der SPD dominiert wird, fielen die strukturschwächeren Wahlbezirke im Osten des Landes fast alle an die CDU.

In beiden Ländern könnte die rotrote Koalition aber knapp weiterbestehen, von daher kann man schwerlich behaupten, RotRot sei abgewählt worden. Beide Koalitionen haben einen starken Dämpfer erhalten, abgewählt wurden sie nicht. Daß sich möglicherweise trotzdem andere Koalitonen ergeben, ist eine andere Frage, die weiter unten thematisiert werden soll.

CDU verliert in Berlin und Meckpomm Stimmen

Der Spitzenkandidat der CDU in Berlin, Friedbert Pflüger, hat das mit 21,3% (-2,5%) historisch schlechteste Ergebnis seiner Partei in Berlin eingefahren. Nur in den beiden gutbürgerlichen West-Bezirken Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf konnte sich die CDU als stärkste Kraft durchsetzen. Die CDU mutiert in Berlin damit vollends zur Randpartei, die sich nur noch auf eine immer schmaler werdene Schicht von (etwas) Besserverdienenden im Westen der Stadt stützen kann. Ähnlich wie die Linkspartei im Westteil hat auch die CDU im Ostteil der Stadt nichts zu melden. Wobei der Vergleich etwas hinkt, denn die CDU kommt in den Ost-Bezirken immerhin noch locker auf über 5%, ihr Stand im Osten ist also nicht ganz so schwer wie umgekehrt der der Linkspartei im Westen.

In Mecklenburg-Vorpommern sieht das Resultat für die CDU deutlich besser aus, auch wenn sie ihr Ziel als stärkste Fraktion aus der Wahl hervorzugehen knapp verfehlt hat (zwischenzeitlich sah es beim ZDF so aus, als wäre sie doch stärkste Kraft geworden). Ihre Verluste von -2,6% fallen deutlich geringer aus als die der SPD (-10,4%), trotzdem hat es wie gesagt nicht gereicht stärkste Fraktion zu werden. Immerhin könnte es aber sein, daß sich Ministerpräsident Harald Ringstorff doch lieber mit der CDU einläßt, als eine äußerst knappe Mehrheit mit der Linkspartei zu bilden. In diesem Fall hätte die CDU zumindest ihr zweites Ziel, die Linkspartei aus der Regierung zu drängen, erreicht.

Die FDP trumpft in Meckpomm auf, die Grünen in Berlin

Als eindeutigen Wahlgewinner kann man die Grünen in Berlin bezeichnen. Sie haben nicht nur Gewinne zu verbuchen (+4,0%), sondern werden vermutlich auch die Linkspartei als Koalitionspartner der SPD ablösen. Das einzige Direktmandat (Erststimme) konnte sie in Friedrichshain-Kreuzberg holen. In den Zweitstimmen bleibt sie jedoch hier wie in allen anderen Bezirken hinter der SPD (bzw. der CDU / Linkspartei) zurück. Auffällig ist, daß die Grünen wie schon 2001 in beiden Teilen der Stadt ungefähr gleichstark sind, sowohl im Westen wie im Osten finden sich starke wie schwache Bezirke für die Grünen. Insgesamt dominieren sie zwar den Westteil immer noch stärker als den Ostteil (wo sie neben der SPD auch die Linkspartei als starke Konkurrentin haben), aber die beiden Stadtteile gleichen sich deutlich an.

Weniger schön ist das Ergebnis für die Grünen natürlich in Meckpomm, hier schafften sie es mit 3,4% nicht mal über die 5%-Hürde, da kann auch die Freude über einen Zuwachs von +0,8% nicht allzu groß sein. Die Grünen kriegen auch weiterhin in Ostdeutschland keinen Fuß in die Tür.

Genau umgekehrt lief es für die FDP, diese büßt in Berlin -2,3% ein, gewinnt jedoch in Meckpomm +4,9% dazu und ist damit auf einen Schlag wieder im Landtag vertreten. Während die Grünen sich jedoch reale Chancen ausrechnen können, in Berlin ans Ruder zu kommen, ist eine Regierungsbeteiligung der FDP sowohl in Berlin wie auch Meckpomm so gut wie ausgeschlossen. Es bleibt die Freude, in Meckpomm endlich wieder im Parlament zu sitzen.

Interessant ist, wo der Stimmenzuwachs für die FDP in Meckpomm eigentlich herkam. In den Fernsehanalysen war am Sonntagabend zu hören, daß dies mehrheitlich keine Wechselwähler waren, sondern Wähler, die bei der letzten Wahl zu Hause geblieben sind. Scheinbar hat die FDP also diesmal Wähler für sich mobilisieren können, die letztes Mal gar nicht erst wählen gegangen sind. Angeblich soll der Wiedereinzug der FDP ins Landesparlament aber auf deren verstärktes Engagement auf der Kommunalebene zurückgehen (hieß es gestern bei der Analyse im Fernsehen). Nur was versprachen sich diese Wähler? Spekulierten sie darauf, daß die CDU stärkste Fraktion wird und dann mit der FDP eine schwarzgelbe Koalition bilden könnte? Eine recht unrealistische Idee. Realistisch wäre gewesen, daß die CDU stärkste Kraft wird und dann mit der SPD als Juniorpartner eine Große Koaltion bildet. Nun kommt es vielleicht zum umgekehrten Fall, Große Koaltion aber mit der CDU als Juniorpartner. Kurzum, die FDP-Wähler hätten sich selbst vermutlich einen größeren Gefallen getan, wenn sie auch mit der Zweitstimme CDU gewählt hätten. Vielleicht waren es aber auch nur Protestwähler, die sich die FDP ausgesucht haben, um ihren Frust sowohl über die Große Koalition im Bund als auch über die rotrote Koalition in Meckpomm zum Ausdruck zu bringen.

Ärgerlichstes Ergebnis: Der Einzug der NPD

Anders als vom Online-Portal einer bekannten Zeitung zwischenzeitlich am Wahlabend ausgewiesen (*lol*), hat die NPD zum Glück nicht die absolute Mehrheit in Meckpomm erreicht. Jedoch hat sie mit 7,3% (+6,5%) deutlich die 5%-Hürde überwunden. Seit den 1960ern ist Meckpomm damit das zweite Bundesland, in welchem die NPD (nach Sachsen 2004 (9,2%)) ins Landesparlament einzieht. Besonders im strukturschwachen Osten von Meckpomm konnte die NPD auftrumpfen. Im Wahlkreis Uecker-Randow II erzielte sie 13,1% und in Uecker-Randow I sogar 15,0%. Daraus folgt allerdings nicht, daß die NPD ihren Erfolg nur einer bestimmten Region innerhalb von Meckpomm verdankt. Flächendeckend hat sie die 5%-Hürde genommen (bis auf zwei Wahlbezirke in Rostock).

Bei der aktuell aufflammenden Diskussion über den Wahlerfolg der NPD in Meckpomm geht unter, daß sie auch in Berlin Erfolge zu verzeichnen hat. Dort konnte sie zwar nicht ins Abgeordnetenhaus einziehen, jedoch in einige Bezirksverordnetenversammlungen (BVVs). Denn hier beträgt die zu nehmende Hürde nur 3%. In Neukölln erhielt die NPD 3,9% (2 Sitze), in Treptow-Köpenick 5,3% (3 Sitze), in Marzahn-Hellersdorf 6,4% (3 Sitze) und in Lichtenberg 6,0% (3 Sitze). Damit ist die NPD jetzt also in 4 BVVs vertreten. Zählt man den Erfolg der Republikaner mit 3,1% (1 Sitz) in Pankow hinzu, sind es sogar 5 BVVs. Auch wenn die Sitzzahlen klein sind, der Trend ist bedenklich. Stark ist die NPD demnach besonders im Ostteil der Stadt, zu den Hochburgen zählen z.B. der Kiez um den S-Bahnhof Schöneweide in Treptow-Köpenick und der Weitlingkiez in Lichtenberg. Der einzige Westbezirk indem die NPD den Sprung in die BVV geschafft hat, ist wie erwähnt Neukölln, hier steht besonders der südliche Ortsteil Rudow im Ruf, eine braune Hochburg zu sein (man suche einfach mal in den Google-News nach Rudow, Weitlingkiez oder Schöneweide).

Woher kommen nun die Stimmen für die NPD? Anders als landläufig vermutet hätten nicht hauptsächlich Protestwähler der NPD zu ihrem Sieg verholfen sagte gestern ein Experte (auf NTV oder N24). Die gäbe es zwar auch, der NPD sei es aber auch gelungen eine Stammwählerschaft aufzubauen (gemeint ist hier Meckpomm). Grundlage für diesen Erfolg sei ein zunehmendes Engagement auf kommunaler Ebene gewesen. Der NPD-Verband in Meckpomm sei jedoch auch noch radikaler, als z.B. jener in Sachsen. Ende 2005 seien zahlreiche Neonazis in Meckpomm in die NPD eingetreten, so der Experte. Auf Spiegel Online ist nachzulesen, daß es hauptsächlich junge Männer waren, die die NPD gewählt haben. Den größten Erfolg habe die NPD zudem bei Wählern mit niedrigem und mittlerem Schulabschluß. Auch in Berlin ist die NPD vorwiegend in sozialschwachen Ortsteilen stark (allerdings nur solange diese keinen größeren Ausländeranteil haben). Es gibt jedoch auch Hinweise, daß sie zunehmend in bürgerlichen Schichten Fuß fassen (z.B. in Köpenick).

Aufstieg der Außenseiter

Rechnet man alle Mini-Parteien in Berlin zusammen, die den Sprung über die 5%-Hürde nicht geschafft haben, so kommt man auf gut 13%. Ein ungewöhnlich hohes Ergebnis für Randparteien die am Wahlabend immer nur unter "Andere" zusammengefaßt werden. Ursächlich dafür waren im wesentlichen zwei Faktoren: Die Unzufriedenheit mit der Großen Koalition im Bund, die die Wähler weg von den beiden großen Volksparteien und hin zu den kleineren Parteien trieb und eine nur sehr geringe Wahlbeteiligung, die immer Randparteien (wie z.B. auch der NPD) nutzt. Mit 59,2% in Meckpomm und 58,0% in Berlin erreichte die Wahlbeteiligung in beiden Bundesländern einen historischen Tiefststand.

Die Rentnerpartei Die Grauen Panther schaffte es in ganz Berlin bei der Abgeordnetenhauswahl immerhin auf 3,8%, dabei erreichten sie in Spandau 6,4% und in Reinickendorf sogar 7,2%. Die WASG, die in Berlin gegen die Linkspartei antrat, gelang der Sprung ins Abgeordnetenhaus jedoch nicht, sie versackte bei knapp 3% und scheiterte somit an der 5%-Hürde. Bei den BVV-Wahlen, bei denen die Hürde bei nur 3% liegt, gelang ihr dagegen der Einzug in Mitte mit 4,1% (2 Sitze), in Friedrichshain-Kreuzberg mit 6,0% (3 Sitze), in Pankow mit 3,6% (2 Sitze), in Tempelhof-Schöneberg mit 3,1% (1 Sitz), in Treptow-Köpenick mit 3,6% (2 Sitze), in Marzahn-Hellersdorf mit 4,8% (2 Sitze) und in Lichtenberg mit 5,0% (2 Sitze). Damit zieht die WASG immerhin in sieben von zwölf BVVs ein, wenn auch jeweils nur mit 1 bis 3 Sitzen.

Lichtenberger Bürgerentscheid und Volksabstimmung über eine Änderung der Berliner Landesverfassung

Parallel zur Wahl des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen gab es in Berlin auch noch eine Volksabstimmung über eine Änderung der Landesverfassung, die die Hürden für die Möglichkeiten der Ausübung von Direkter Demokratie in Berlin senken soll (im Detail hier nachzulesen). Hier stimmten die Berliner mit 84,0% für eine Änderung der Landesverfassung, also eine ganz klare Mehrheit.

In Lichtenberg wurde zudem in einem Bürgerentscheid über die Zukunft des Coppi-Gymnasiums abgestimmt. Wegen Schülermangel will die Lichtenberger BVV die Schule schließen und mit einer anderen zusammenlegen. Dagegen hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die es bis zu diesem Bürgerentscheid geschafft hat. Es ist dies der erste Bürgerentscheid (nicht mit Bürgerbegehren verwechseln) in Berlin. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes Berlin bzw. des Landeswahlleiters liegt für den Bürgerentscheid noch kein Ergebnis vor (Stand: 18.09.06).

Fazit

Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ist in der angenehmen Situation sich aussuchen zu können, ob er die Koalition mit der Linkspartei fortsetzt oder zukünftig lieber mit den Grünen regiert. Es mehren sich die Anzeichen, daß es in Berlin zu einem Wechsel zu RotGrün kommen wird. Bereits am Wahlabend sollen die Genossen von der SPD das gute Abschneiden der Grünen mehr bejubelt haben, als ihr eigenes. Auch SPON will unterschiedliche Anzeichen erkennen, daß es zu einer rotgrünen Koalition kommen wird. Erster Gesprächspartner von Wowereit ist jedoch die Linkspartei.

Auch Harald Ringstorff hat in Meckpomm die Wahl zwischen einer Fortsetzung der rotroten Koalition oder dem Wechsel zu RotSchwarz. SPON berichtet, wie er von beiden Seiten umworben wird. Für einen Koaltionswechsel spricht, daß Ringstorff in der Vergangenheit mit der Linkspartei auch schon negative Erfahrungen gemacht hat und deren Fraktionsdisziplin bröckelte. Gerade bei einer knappen Mehrheit ist das immer riskant. Von daher wäre eine satte Mehrheit zusammen mit der CDU vielleicht angenehmer.

Meine Prognose lautet, daß es in Berlin einen Wechsel zu RotGrün und in Meckpomm einen Wechsel zu RotSchwarz geben wird, die Linkspartei wird in beiden Ländern zukünftig die Oppositionsbank drücken müssen. Es spricht in beiden Ländern mehr für als gegen einen Wechsel des Koalitonspartners. Mal sehen, inwieweit ich recht behalte :p.

Was mag aber Friedbert Pflüger geritten haben, sich nur sechs Monate vor der Wahl bereit zu erklären, als Spitzenkandidat für die CDU zu kandidieren? Daß er gegen Wowereit keine Chance haben würde, war allen klar, nicht aber daß das Ergebnis das letzte noch mal im negativen Bereich derart toppen könnte. Pflüger hat vor der Wahl gesagt, er bleibt in jedem Fall in Berlin (einige hatten vermutet, er würde danach zur Bundes-CDU zurückkehren). Nur warum? Er war zuletzt Staatssekretär im Verteidigungministerium und hat zumindest in seiner eigenen Truppe den Ruf ein fähiger Außenpolitiker zu sein. In der Berliner Landes-CDU, dem republikweit desolatesten CDU-Verband, droht er nun in den dort üblichen Intrigen aufgerieben zu werden (siehe dazu auch SPON). Glaubt er wirklich, er könne es schaffen die Berliner CDU zu reformieren? Als externer Akteur, ohne eigene Hausmacht? Ein kaum durchführbares Unterfangen. Meine Prognose: er wird innerhalb von ein oder zwei Jahren von den einflußreichen "Warlords" in den Bezirksverbänden aufgerieben, vermutlich schon früher.

Die Linkspartei wurde in fünf Jahren Berliner Regierungsarbeit -- wie von vielen vorhergesagt -- entzaubert. Allzu oft hat sie den Sozialabbau der SPD einfach nur abgenickt statt sich dieser Politik wie von ihrer Wählerschaft erhofft entgegenzustemmen. Wenn die Linkspartei die gleiche Politik wie die SPD betreibt, warum dann nicht gleich SPD wählen? Nirgends ist die Diskrepanz zwischen zelebriertem Image und Realpolitik momentan so groß wie bei der Linkspartei. Nur eine Frage der Zeit, bis ein solches System kollabiert. In Berlin hat man Grün gewählt, weil die Grünen in der Opposition gut reden können. 2011 wird dann wieder die Linkspartei nach fünf Jahren Opposition an die Stelle der Grünen treten.

Für die Linkspartei hätte es trotz der herben Verluste aber noch schlimmer kommen können, wenn es der WASG gelungen wäre, die 5%-Hürde zu nehmen und ins Abgeordnetenhaus einzuziehen. Da ihr das nicht gelungen ist, ist der Machtkampf zwischen WASG-Rebellen und Linkspartei endgültig entschieden. Die WASG mag in den BVVs noch eine marginale Rolle spielen, faktisch ist sie geschlagen. Daher meine Prognose, daß der Teil der WASG, der nicht in der Linkspartei aufgeht nun endgültig in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwinden wird.

Daß nun ausgerechnet jetzt Anti-Rechts-Programme zusammengestrichen werden sollen, vielen Initiativen gegen Rechtsextremismus der Hahn von Ursula von der Leyen zugedreht wird und man stattdessen auf Engagement der Politik auf kommunaler Ebene setzt, klingt wie Hohn. Kommunalpolitiker haben meist die häßliche Tendenz rechtsextreme Probleme vor der eigenen Tür kleinzureden. Wer ein Problem wirklich offensiv angehen wollte, müßte sich selbst erst mal einräumen können, daß er eines hat. Zudem die nicht-staatlichen Initiativen häufig über ein professionelleres Knowhow im Umgang mit dem Problem verfügen. Der monokausale Erklärungsansatz, daß Arbeitslosigkeit Rechtsextremismus bedingt und man folglich nur mehr Wirtschaftswachstum schaffen muß und die Arbeitslosigkeit abbauen sollte, bringt nur bedingt etwas. Erstens ist das leichter gesagt als getan, zweitens müßte das Ziel doch eigentlich lauten, demokratische Strukturen so tief zu verankern, daß sie selbst dann nicht aufzubrechen drohen, wenn es wirtschaftlich mal bergab geht. Da das nicht passiert, wird der Landtag in Meckpomm wohl nicht der letzte gewesen sein, in den die NPD einzieht.

Übersicht:

Mittwoch, September 13, 2006

Deutsche Piratenpartei gegründet

Piratpartiet -- Die schwedische Piratenpartei

Die schwedische Piratenpartei (Piratpartiet) wurde am 1. Januar 2006 gegründet, sie setzt sich für Informationsfreiheit, Datenschutz, Bürger- und Freiheitsrechte ein. Ihre wichtigsten politischen Ziele sind eine Reform des schwedischen Urheberrechts und eine Abschaffung des Patentrechts. In Wikipedia heißt es:

"Ihre wichtigsten Zielgruppen stellen die Internetnutzer (die in Schweden etwa 70% der Bevölkerung ausmachen) und insbesondere Nutzer von P2P-Börsen, sowie Studenten dar. Die Partei hat bereits über 8500 Mitglieder, dies ist mehr als die bereits im schwedischen Parlament vertretenen schwedischen 'Grünen'." (Wikipedia)

Bei den schwedischen Parlamentswahlen am kommenden Sonntag (17.09.06) hofft die Piratpartiet darauf 225.000 Stimmen zu erhalten, was 4% entspricht und damit einen Einzug in den schwedischen Reichstag bedeuten würde. Inwieweit das realistisch ist wird sich dann in ein paar Tagen herausstellen. In jedem Fall wächst sie für eine Mini-Partei sehr schnell.

Piratbyrån, The Pirate Bay und eine Razzia auf Druck der USA

Auf international große Medienresonanz stieß die schwedische "Piratenbewegung" erstmals Ende Mai / Anfang Juni 2006 als beim schwedischen BitTorrent-Tracker The Pirate Bay (TPB) diverse Server bei einer polizeilichen Razzia beschlagnahmt wurden. Es wurden ferner drei Personen vorläufig festgenommen, nur wenig später wieder freigelassen. Der Vorwurf: Verstoß gegen das Urheberrecht. Eigentlich nichts ungewöhnliches, was den Fall so brisant macht, läßt sich bei Wikipedia nachlesen:

"Ein BitTorrent-Tracker stellt selbst keine zu tauschenden Daten zur Verfügung, sondern lediglich .torrent-Dateien, anhand derer sich Anbieter und Nachfrager bestimmter Dateien untereinander verbinden können. Dem schwedischen Urheberrecht zufolge konnte TPB, da sie als Tracker selbst keine urheberrechtlich geschützten Dateien anbietet, nicht belangt werden. (...) Wie sich später herausstellte wurde die Schließung auf Verlangen der USA durchgeführt, die Handelssanktionen im Rahmen der WTO gegen Schweden androhte, falls die Server nicht geschlossen werden. (Wikipedia)"

Obwohl TPB nach schwedischem Recht also nichts vorgeworfen werden konnte, wurden sie beschuldigt und ihre Hardware beschlagnahmt. Als dann schließlich herauskam, daß die schwedische Justiz auf Druck der USA gehandelt hatte, welche damit gedroht hatten, Schweden ansonsten im Rahmen der WTO zu sanktionieren, war der Skandal perfekt:

"Dass die US-Regierung Druck auf die schwedischen Behörden ausübte, damit diese die Server des BitTorrent-Trackers PirateBay beschlagnahmen, war bereits bekannt. Welches Druckmittel die USA einsetzten, blieb bisher jedoch im Dunkeln. Nun äußerte Dan Eliasson, Staatssekretär im schwedischen Justizministerium, gegenüber dem schwedischen Fernsehen, die US-Regierung habe seinem Land Handelssanktionen im Rahmen der WTO angedroht, sollte Schweden das 'Problem PirateBay' nicht aus der Welt schaffen. Zunächst habe das Justizministerium Maßnahmen gegen den weltgrößten BitTorrent-Tracker abgelehnt, weil es keine ausreichende rechtliche Grundlage dafür gab, so Eliasson. Erst als die USA mit Handelssanktionen drohten, sei man tätig geworden." (heise Newsticker, 21.06.06)

Die Organisation Piratbyrån ("Das Piratenbüro"), die "The Pirate Bay" als Projekt im Jahr 2004 ursprünglich ins Leben gerufen hatte, die schon erwähnte Piratpartiet und andere Gruppen demonstrierten wenige Tage nach der Razzia öffentlich gegen das Vorgehen der Justiz. Der Piratenbewegung im Allgemeinen und der Piratpartiet im Speziellen verschaffte dieser Skandal einen enormen Aufschwung. Ein Blick auf die Mitgliederstatistik zeigt, daß die Mitgliederzahlen just in dem Moment in die Höhe schnellten, als die Bewegung wegen des Skandals im medialen Mittelpunkt stand.

Gründung der Deutschen Piratenpartei

Überall auf der Welt haben sich inzwischen Piratenparteien (Frankreich, Italien, USA, Belgien, etc.) nach dem schwedischen Vorbild gegründet. In Österreich gibt es sogar eine bizarre Konkurrenzsituation zwischen der offiziellen Piraten Partei Österreichs und der "PiratInnenpartei" der KPÖ, die meint, "schon die richtige Piratenpartei mit den notwendigen Positionen zu sein" (netzpolitik.org, 24.07.06).

So war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis es auch in Deutschland endlich eine Piratenpartei geben würde. Am 10.09.06 fand im legendären c-base in Berlin die Gründungsversammlung statt (Fotos und Bericht z.B. bei musikdieb.de). Die Teilnehmeranzahl beschränkte sich zwar auf 50 Personen, aber das reichte um die "Piratenpartei Deutschland" zu gründen. Wegen noch nicht vorhandener Relevanz wurde der entsprechende Wikipedia-Eintrag zwar zum Löschen vorgemerkt, man erfährt dort aber trotzdem:

"Ihre Ziele umfassen die Förderung freien Wissens und freier Kultur, Schutz vor dem Überwachungsstaat sowie ein Prinzip des gläsernen Staates anstatt dem des gläsernen Bürgers. Im einzelnen umfasst ihr Grundsatzprogramm die Sicherung des Fernmeldegeheimnisses, eine Reduzierung der Patentierbarkeit insbesondere in den Bereichen Software wie auch der Gentechnik sowie freier Zugang zu Ergebnissen der öffentlich geförderten Forschung und Entwicklung. Ziel der Partei ist es zur Wahl des Europaparlaments und der Bundestagswahl 2009 anzutreten." (Wikipedia)

Die Entstehung der Partei kann im Forum und im Wiki mitverfolgt, mitgestaltet und mitdiskutiert werden. Dort findet sich auch das Parteiprogramm.

Erfolgschancen der Deutschen Piratenpartei

Daß die Piratenpartei in Deutschland bei den Bundestagswahlen die 5%-Hürde nimmt, halte ich persönlich für utopisch. Im direkten Vergleich mit einem Land wie Schweden gibt es in Deutschland ein paar Punkte, die deutlich gegen einen ähnlichen Erfolg sprechen. Die zwei wichtigsten:

Die Zielgruppe der Piratenpartei besteht in erster Linie aus Personen die die Informationsgesellschaft dominieren (Internetnutzer allgemein, Informatiker, Hacker, Nerds, Blogger, Journalisten, Medienfuzzies, etc.). Daher wäre natürlich zunächst anzuführen, daß die deutsche Bevölkerung kulturell bei weitem nicht so im Internet verwurzelt ist, wie die Schweden. Die Schweden haben einfach eine ausgeprägtere "Netzkultur" als die Deutschen (was sich nicht nur in der Anzahl der am Internet partizipierenden Bürger messen läßt, sondern z.B. auch in Bereichen wie eGovernment). Zweitens verfügt Deutschland nicht über eine ähnlich starke liberale / libertäre Tradition wie Schweden, die der politischen Basis der Piratenbewegung entspricht.

Zu den Ländern, in denen die Piratenparteien noch am ehesten Wahlerfolge verbuchen könnten, würde ich neben den Niederlanden und den skandinavischen Ländern noch die baltischen Staaten zählen, die bekanntlich eine sehr hohe Internetdichte und relativ stark ausgeprägte Netzkultur besitzen. Das Land mit der höchsten Internetdichte, Südkorea, würde ich erstmal außen vor lassen, da bin ich mir unsicher, ob die politische Tradition einer Bewegung wie der der "Piraten" den Weg bereiten könnte.

Zu starke Fokussierung auf das Thema "Urheberrecht / Filesharing"

Hinderlich für einen Erfolg im Mainstream (und für 5% muß man dem Mainstream schon recht nahe kommen) halte ich ferner die starke Fokussierung auf das Thema "Filesharing" und die damit einhergehende Kriminalisierung. Genau dagegen wendet sich zwar gerade die Piratenpartei, die Frage ist nur, wie viele Leute man damit tatsächlich erreicht. Die taz zitiert Cristof Leng, den Vorsitzenden der Piratenpartei und ergänzt:

"'Filesharing ist nur ein Aufhänger, weil es Millionen Menschen in Deutschland betrifft. Unsere Themen: Freier Zugang für Kultur - weil es allen Beteiligten, auch den Urhebern, einen Vorteil verschafft', sagt Cristof Leng, der frisch gewählte Bundesvorsitzende. 'Auch Künstler klagen zunehmend, dass ihre Arbeit erschwert wird, weil sie immer weniger Zugriff auf andere Kunsterzeugnisse haben, was die Entwicklung von Kunst und Kultur erschwert.'

Weitere Themen des Piraten-Parteiprogramms: Von Datenschutz und der Sicherung des Fernmeldegeheimnisses über die Reduzierung der Patentierbarkeit und den Abbau von Monopolen im Kommunikationsbereich bis hin zur Forderung nach mehr Transparenz im Staatswesen reicht das Spektrum - Politikfelder, die die Piraten bei den anderen Parteien vernachlässigt sehen." (taz, "Die Digital-Liberalen", 11.09.06)

Eben diese weiteren Themen drohen meiner Meinung nach aber im ganzen Filesharing-Geschrei etwas unterzugehen. In der Tat wäre es wünschenswert wieder eine Partei zu haben, die sich unter anderem stärker für Datenschutz und gegen einen langsam entstehenden Überwachungsstaat einsetzt. Denn welche Partei tut dies sonst? Die FDP? Die Grünen? Nein. Deutschland hat de facto keine wirkliche Bürgerrechtspartei, insofern könnte die Piratenpartei tatsächlich eine Lücke füllen. Die Frage ist nur, ob dies wirklich gelingt, indem man das Urheberrecht ins Zentrum des politischen Engagements stellt (bzw. bei Dritten den Eindruck hinterläßt, dies würde im Mittelpunkt stehen).

Nachtrag, 20.09.06

Anders als erhofft, hat die Piratpartiet am Sonntag bei den schwedischen Parlamentswahlen nur 0,63% erhalten und ist damit von den anvisierten 4% noch weit entfernt.

Dienstag, September 12, 2006

MSN Chats endgültig vor dem Aus?

Nachdem Microsoft die "MSN Groups" nicht in seine neue "Windows Live Offensive" (alle Web-Dienste werden mit dem Zusatz "Windows Live" versehen) aufgenommen hat, mehren sich die Vermutungen, daß Microsoft vielleicht plant, die "MSN Groups" in nächster Zeit ganz einzustellen.

Zumindest die MSN Chaträume (!) in den USA werden am 18. Oktober definitiv geschlossen:

"On August 31st Microsoft announced that MSN chat will no longer be provided and all rooms will be closed on October 18th 2006" (Wikipedia)

"IMPORTANT NOTICE: MSN Chat will no longer be offered on or after October 18th." (us-englische Website von chat.msn.com)

Die Schließung betrifft sowohl die so genannten "Public Chats", die in Deutschland bereits seit September 2003 geschlossen sind, als auch die den Groups angegliederten "Group Chats". In der englischsprachigen MSN Group "Community Feedback" heißt es in einer dort geposteten Antwort vom Technical Support:

"(...) With this, MSN Chat will no longer be offered as of October 2006. In line with this, the chat feature within MSN Groups will also be affected (sic!)." (Community Feedback, ID Message 1100856)

Wie die Lage in Deutschland aussieht, hat Susanne versucht zu klären, die Antwort des deutschen Supports kann in der MSN Group "Der Start - spezial" nachgelesen werden. Dort heißt es:

"(...) dass Sie sich erkundigen, inwiefern die geplante Änderung in MSN Chat den deutschen Markt betreffen wird. (...) Nachdem wir eine signifikante Verringerung der Anwender des MSN Chats über die letzten 12 Monate festgestellt hatten, wurde der Entschluss gefasst, den MSN Chat ab Oktober 2006 nicht länger anzubieten." (Der Start - spezial, ID Message 11733)

Die Chats werden demnach also in Deutschland genauso geschlossen. Komisch dabei ist, daß es anders als in den USA dazu bisher keine offizielle Verlautbarung von MSN gibt. Dies kann daran liegen, daß die "Public Chats" wie erwähnt bereits seit Septmber 2003 bei uns nicht mehr existieren (sondern eben nur die "Group Chats").

Wahrscheinlich ist jedoch, daß wenn MSN -- wie es sich in den USA offenbar eindeutig abzeichnet -- die Chats insgesamt schließt (also Public Chats und Group Chats), dies auch die deutschen Groups betrifft. Ansonsten würden sich alle amerikanischen Nutzer doch einfach eine Group im deutschen Bereich zulegen (language switch En-Us -> De-De, danach einen backswitch) um wieder eine Group mit Chat zu haben. Nein, ich bin mir relativ sicher, daß wenn es zu einer Komplettabschaltung der Chaträume in den Groups kommt, dies alle Groups betreffen wird (vielleicht mit einer Zeitverzögerung je nach Land).

Irritierend ist, daß in dem Schreiben des deutschen Supports offenbar einfach nur eine Übersetzung der englischen Verlautbarung gebracht wurde. Dort ist einfach nur von "MSN Chat" die Rede, zwischen "Public Chats" und "Group Chats" wird nicht differenziert. Auch wenn es die "Public Chats" in Deutschland seit 3 Jahren nicht mehr gibt, wäre ein expliziter Verweis auf die "Group Chats" wünschenswert, damit endgültig Gewißheit herrscht. Denkbar wenn auch unwahrscheinlich wäre es ja, daß hier einfach eine englische Ankündigung übersetzt und übernommen wurde, ohne hinreichend zu prüfen, ob es tatsächlich auch Deutschland betrifft. Wenig Sinn machen zumindest Sätze wie:

"MSN Chat Anwender werden über die MSN Chat homepage in naher Zukunft über weitere Details informiert." (Der Start - spezial, ID Message 11733)

Denn in Deutschland gibt es ja keine "MSN Chat homepage" mehr, sondern nur diese alte Infoseite, die man zu sehen bekommt, wenn man auf chat.msn.de geht. Auf diese Seite schaut aber doch der normale Group-Chat-Nutzer gar nicht mehr. Vermutlich wäre die Info wenn, dann auf der deutschsprachigen Groups Seite (groups.msn.de) zu finden.

Insgesamt läßt sich sagen, daß die Wahrscheinlichkeit, daß die deutschen MSN Group Chats nach dem Oktober weiterhin bestehen als gering einzuschätzen ist. Die Indizien sprechen eher für eine Schließung. Stärkstes Argument ist hier die belegbare Ankündigung, daß in den USA auch die Group Chats geschlossen werden. Für Deutschland läßt sich das nach derzeitiger Faktenlage nicht mit gleicher Gewißheit sagen, die Antwort vom deutschen Support spricht aber dafür (... "inwiefern die geplante Änderung in MSN Chat den deutschen Markt betreffen wird (...) wurde der Entschluss gefasst, den MSN Chat ab Oktober 2006 nicht länger anzubieten", Der Start - spezial, ID Message 11733).

Die Frage ist, was dann? Nicht wenige deutschsprachige MSN Groups leben ja von ihrer Chat-Community. Es wird sich vermutlich ein Trend fortsetzen, der sich bisher schon abzeichnete: Das Ausweichen auf Drittanbieter was die Verwendung eines Chats angeht. Dort muß man sich dann aber immer noch mal separat anmelden und jede Group greift dann womöglich auf ein anderes Chatsystem zurück. Alles sehr mühselig und nicht besonders benutzerfreundlich. Letztlich würde es wahrscheinlich zu einem schleichenden Zusammenbruch der Group Community in Deutschland kommen.

Und das ist vielleicht durchaus gewollt. Nachdem die Groups wegen des Wegfallens des Chats weiter stark Mitglieder verlieren, werden dann im nächsten Schritt konsequenterweise die MSN Groups ganz geschlossen. Und werden die MSN Groups allen Unkenrufen zum Trotz doch nicht geschlossen, werden sich langfristig nur die Groups halten, in deren Zentrum das Forum (Messageboard) und nicht der Chat steht.

Nachtrag, 20.09.06

In Österreich und der Schweiz ist es jetzt amtlich:

"Der Chatdienst steht ab dem 18. Oktober 2006 nicht mehr zur Verfügung. Wir danken Ihnen für die Verwendung des Dienstes und entschuldigen uns für eventuelle Unannehmlichkeiten."

Nachtrag, 16.10.06

Heute wurden, zwei Tage früher als ursprünglich geplant, tatsächlich alle MSN Group-Chats dichtgemacht. Entsprechend findet sich auch ein Hinweis auf der deutschen Groups-Hauptseite, der zur alten (jetzt aktualisierten) Info-Seite führt. Dort heißt es lapidar wie auch schon früher bei ausländischen Group-Dependancen:

"Ab dem 16. Oktober 2006 wird der Chat innerhalb von MSN Groups nicht mehr zur Verfügung stehen. Wir danken Ihnen für die Verwendung des Dienstes und bedauern die mit der Schließung der Chats verbundenen eventuellen Unannehmlichkeiten."

Montag, September 11, 2006

Im Gedenken an 9/11

Seit 2003 platziere ich jedes Jahr am 11.09. einen Thread in den MSN Groups (2003, 2004, 2005, 2006), der den Titel "Im Gedenken an 9/11" trägt. Das Ausgangspostings enthält nichts weiter als ein Bild von Salvador Allende. Zwar erkennt natürlich nicht jeder sein Gesicht, aber aus dem Namen der entsprechenden Jpeg-Datei geht hervor, wer die Person ist. Nicht ganz klar ist den meisten, was nun Allende mit "9/11" zu tun hat, denn die meisten assoziieren mit dem 11. September natürlich den Terroanschlag von 2001 und nicht den Putsch von 1973 in Chile (in den die USA verwickelt waren).

Ursprünglich entstanden ist diese "Tradition" heraus als Persiflage der pathos-triefenden 9/11-Gedenkpostings in den MSN Groups (mit protzigen, animierten Gifs, usw.). Zwar ist natürlich generell nichts gegen Trauer und Gedenken zu sagen, die Frage stellt sich aber dennoch: Warum wird jedes Jahr der Opfer vom 11.09.2001 gedacht, aber nicht der vom 11.09.1973 (bzw. der Folgeopfer in der Pinochet-Diktatur)?

Hier das Posting von 2004 aus meinem alten Nucleus-Blog:

Im Gedenken an den 11.09. ...

seit den anschlägen in new york 2001 wird weltweit alljährlich am 11.09. der opfer dieses terrors gedacht. bei all dem tamtam verliert man schnell aus den augen, daß sich am 11.09. auch noch ganz andere historische ereignisse jähren.

so wurde z.b. vor 31 jahren am 11.09.1973 der chilenische präsident salvador allende im zuge eines putsches ermodert. ihm folgte die diktatur pinochets, der bis zu ihrem ende etwa 3000 menschen zum opfer fielen. allende war demokratisch gewählt, stand jedoch als kommunist den interessen der us-regierung entgegen, so daß dann wohl auch die CIA in den sturz allendes mitverwickelt war. völlig unverblümt brachte das der spätere us-außenminister henry kissinger 1970 auf den punkt, als er im hinblick auf den bevorstehenden wahlsiegs allendes in chile sagte: "I don't see why we need to stand by and watch a country go communist because of the irresponsibility of its own people."

wenn also in einem land eine kommunistische regierung frei gewählt wird, dann zeugt das von der unverantwortlichkeit der bevölkerung in diesem land und die USA müssen dies nicht hinnehmen. so wurde die beteiligung am putsch legitimiert und die rechtsgerichtete diktatur unter pinochet gut geheißen, weil sie aus sicht der USA eine angenehmere alternative zu einer allzu linksgerichteten regierung war.

wenn sich die welt nun jährlich an die opfer von 2001 in new york erinnert, aber keiner an diesen blutigen putsch, was bedeutet das dann? daß ein us-bürger, der von islamistischen terroristen ermordert wurde, eher betrauert werden sollte, als ein chilenischer bürger der in einer diktatur umgekommen ist, die von den USA mitinstalliert wurde? oder liegt es daran, daß es von 1973 keine so medienwirksamen bilder gibt, wie von 2001? oder einfach daran, daß 2001 kürzer zurück liegt und immer noch aktuell ist, während die süd-amerika-politik der USA im kalten krieg keinen mehr interessiert?

"selektive geschichtswahrnehmung" bedeutet, man nimmt nur den teil der vergangenheit wahr, der ins eigene, aktuelle weltbild paßt. der unangenehme rest wird ausgeblendet, wenn er im pathosschweren und patriotismustrunkenden gedöns keinen platz mehr findet.

Zum Nachlesen:

- taz, 1998: Der Putsch in Chile
- Telepolis, 2003: Der Putsch in Chile
- Telepolis, 2003: Der erste 11. September
- Freitag, 2003: Zusehen, wie ein Land kommunistisch wird?
- Historische Übersicht über US-Militärinterventionen in Amerika
- Chile Documentation Project (CIA-Papiere zu Chile)

Sonntag, September 10, 2006

11'09"01 - September 11

Pünktlich zum Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 ist auch in Deutschland wieder ein breites Angebot an Dokumentationen im Fernsehen zu finden, die den Terroranschlag dokumentieren.

Brauchbare Filme zum Ereignis gibt es bisher nur wenige und alle sind in der Regel stark umstritten (siehe z.B. Oliver Stones neuer Film "World Trade Center"). Einer der bis dato besten Filme zu dem Thema ist der Episoden-Spielfilm 11'09"01 - September 11 aus dem Jahr 2002 (also nur ein Jahr nach den Anschlägen).

Der Film ist ein internationales Gemeinschaftsprojekt: 11 Regisseure haben jedenfalls einen Kurzfilm zum besagten Datum gedreht. Die einzige Bedingung der Initiatoren war, daß jeder Kurzfilm genau 11 Minuten, 9 Sekunden und 1 Bild lang ist (daher die Schreibweise des Titels 11'09"01, natürlich auch in Anspielung auf das Datum der Anschläge).

Die 11 Regisseure sind
- Samira Makhmalbaf (Iran),
- Claude Lelouch (Frankreich),
- Youssef Chahine (Ägypten),
- Danis Tanovic (Bosnien-Herzegowina),
- Idrissa Ouédraogo (Burkina Faso),
- Ken Loach (Großbritannien),
- Alejandro González Iñárritu (Mexiko),
- Amos Gitai (Israel),
- Mira Nair (Indien),
- Sean Penn (USA) und
- Shohei Imamura (Japan).

So unterschiedlich der kulturelle Background der 11 Filmemacher ist, so unterschiedlich sind auch ihre Assoziationen mit dem Datum. Der Brite Loach bringt das Datum z.B. in Verbindung mit dem 11. September 1973, dem Tag an dem Pinochet mit Hilfe der USA Allende stürzte und eine Militärdiktatur errichtete. In Burkina Faso läßt Regisseur Ouédraogo zwei Jungen auf die Jagd nach dem Chefterroristen höchstselbst gehen. Sie meinen ihn erkannt zu haben und wollen die Belohnung einstreichen, die ihnen einen Ausweg aus der Armut bieten würde. In Sean Penns Episode spielt Ernest Borgnine einen einsamen, resignierten Rentner der in New York in seiner Wohnung vor sich hinvegetiert. Als die Türme des World Trade Centers fallen, erhält seine Wohnung - die bisher im Schatten der Türme stand - auf einmal Licht und verwelkte Blumen auf dem Fensterbrett fangen symbolisch wieder an zu blühen. Eine ästhetisch und kameratechnisch geniale Episode.

Die verschiedenen Sichtweisen der Filmemacher dokumentieren die Komplexität der Realität und stehen damit auch als ein Appell gegen eine zu einseitige, allein auf Schwarz-Weiß-Denken basierende Wahrnehmung. Ein- und dasselbe Ereignis kann bei unterschiedlichen Personen divergente Wahrnehmungen hervorrufen. Anders als z.B. bei Oliver Stones neuem Film ist es also nicht das Ziel dieses Epiosdenfilms, einfach nur den Ablauf des Attentats (und das daraus resultierende Grauen) auf die Leinwand zu bannen, sondern das Thema "9/11" etwas abstrakter und vielschichtiger anzugehen. Den Film ist in jedem Fall sehenswert, auch wenn die Episoden von teils unterschiedlicher Qualität sind. Der eine mag den einen Part lieber, der nächste einen anderen. Insgesamt ist der Film jedoch sowohl ästhetisch wie politisch ansprechend.

Der Film läuft zu den folgenden Terminen:

- 11.09.06, ARTE, 22:15 Uhr
- 12.09.06, NDR, 23:45 Uhr
- 14.09.06, SF2, 03:20 Uhr
- 16.09.06, ARTE, 00:40 Uhr

Sonntag, September 03, 2006

Wenn im "Kurhaus Weissbad" die Tische aus dem Fenster fliegen



Mit "Horst" hat die deutsche Rap-Combo Blumentopf (nicht zu verwechseln mit Blumfeld) ein absolutes Kultvideo rausgebracht. Als Low-Budget-Clip gedreht (zumindest wirkt er so), geht es im wesentlichen um simple physikalische Tricks und ein wenig Pyrotechnik. Trashig natürlich, aber das ist ganz offensichtlich gewollt und alle mal unterhaltsamer als moderne computeranimierte Special Effects. Vom Stil her ist es fast schon eher Pop (im Sinne eines Rocko Schamoni), als Rap. Und was den Text angeht, nun ja, er paßt halt zum Titel... :p

Samstag, September 02, 2006

Hörenswert (3)

Die "Eagles Of Death Metal" sind eine Rock-Band um den Frontman Jesse Hughes, optisch bekannt vor allem durch seinen markanten Schnauzer. Mastermind der Band ist jedoch Josh Homme, den die meisten vermutlich eher von der bekannteren Band "Queens of the Stone Age" kennen. Daher erinnert der Sound der Band musikalisch auch stark an die Queens of the Stone Age. Es ist ein tiefer, archaischer, psychedelischer Rock, eben Stoner Rock. Anders als der Name der Band suggeriert, geht es hier also nicht um "Death Metal".

Führten die Eagles of Death Metal bisher eher ein Nischendasein sind sie mit ihrem neuen Album "Death By Sexy" im Mainstream angekommen. Zumindest lief das Video zu "I Want You So Hard (Boy's Bad News)" eine zeitlang bei MTV rauf und runter. Es erscheinen unter anderem Dave Grohl (Nirvana, Foo Fighters, etc.) und Jack Black (Tenacious D, legendär unter anderem für ihr Ulk-Video zu ihrem Song "Tribute") an einer Theke. Den Song kann sich auf der entsprechenden MySpace-Präsenz anhören.