Mittwoch, August 30, 2006

Auswüchse des Alarmismus

Nach den gescheiterten Anschlägen auf zwei Regionalzüge in Deutschland hat Henryk M. Broder bei SPON einen Was-wäre-wenn-Fall durchdiskutiert: Was wäre gewesen, wenn die Anschläge geglückt wären? Wie hätte ein so einschneidenes Ereignis die Republik verändert? Wie würden sich "Personen des Zeitgeschehens" wohl äußern?

Broder entwirft zwei denkbare Szenarien: "Beschwichtigung" und "Alarmismus". Unter dem ersten Fall malt er aus wie linke Gutmenschen versuchen den Vorfall zu relativieren. Dabei kommt er zu dem Ergebnis: "Ein solches Szenario basiert auf Erfahrungswerten, ist aber eher unwahrscheinlich" (SPON, 21.08.06). Für wahrscheinlicher hält er dagegen die zweite Variante, eine regelrechte Hysterie die es in der Form seit der RAF nicht mehr gegeben hat, da der (islamistische) Terror nicht unmittelbar in Deutschland stattfand. Doch wenn es erst mal soweit ist, droht der kopflose Alarmismus erst richtig auszubrechen:

"Die laufende Debatte über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren hört schlagartig auf. Alle Bahnhöfe, Flughäfen, Radio- und TV-Stationen, Sendeanlagen, Regierungsgebäude und Parlamente werden von Einheiten der Bundeswehr umstellt und bewacht. Die Polizei ist dazu schon deswegen nicht in der Lage, weil sie flächendeckend den Verkehr auf den Autobahnen kontrolliert. Fahrer, die sich auffällig verhalten, werden angehalten und überprüft. Und auffällig ist, wer 'südländisch' aussieht, und wenn es eine Familie aus Sizilien ist." (SPON, 21.08.06)

Ein fiktives Szenario das an anderer Stelle bereits von der Realität überholt wurde. Auf einem Flug von Malaga nach Manchester der britischen Fluggesellschaft Monarch Airlines wurden zwei Männer des Flugzeugs verwiesen, allein aufgrund der Tatsache, daß sie sich nach Meinung einiger Passagiere verdächtig verhielten (SPON, 20.08.06). Wie sich nach Ermittlungen der spanischen Polizei dann herausstellte, waren die beiden Männer völlig unschuldig und durften ihre Reise mit einer späteren Maschine fortsetzen. Florian Rötzer schreibt in Telepolis:

"Den Briten sei das Verhalten der Männer verdächtig gewesen, die nicht nur häufig auf ihre Uhren geschaut und für die Temperaturen ungewöhnliche Kleidung getragen, sondern möglicherweise auch noch Arabisch gesprochen hätten. Passagiere hätten vor Angst geweint und Kinder gesagt, dass die beiden Männer wie Attentäter aussähen.

Die Fluggesellschaft war willig, nachdem auch noch zwei Familien aus Angst wieder aus dem Flugzeug ausgestiegen waren, und informierte die spanische Polizei, die die beiden Männer abführte und mehrere Stunden lang verhörte. Da sich kein Verdacht ergab, konnten sie in einem der nächsten Flüge ihre Reise fortsetzen. Der Flug der Monarch Airlines startete drei Stunden später. Ein Mitarbeiter der Fluglinie rechtfertigte das Verhalten der Crew dadurch, dass die Männer 'sich offensichtlich verdächtig verhalten' hätten, ohne jedoch einen näheren Grund anzugeben. Vermutlich reicht dafür aus, als Muslim zu erscheinen. (...)" (Telepolis, 21.08.06)

Als Hintergrund für derart übertriebene Reaktionen nennt Rötzer die offiziellen Terrorwarnungen, die dann eben auch in einer solchen Hysterie enden können. Andererseits würde man der Regierung im Ernstfall natürlich Vorwürfe machen, wenn sie nicht ausreichend genug gewarnt hätte.

Es steht zu hoffen, daß man in Deutschland im Fall der Fälle einen Mittelweg zwischen den von Broder beschriebenen Extremen (Beschwichtigung und Alarmismus) finden wird. Eine Informationspolitik die schon im Vorfeld Alarmismus in Kauf nimmt und dann dazu führt, daß Personen z.B. allein aufgrund ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihrer Sprache vorverurteilt werden, kann dagegen sicherlich nicht der richtige Ansatz zur Terrorprävention sein. Genauso wenig, wie bereits verübte Anschläge einfach zu bagatellisieren.

Dienstag, August 29, 2006

Kampf um Rudi-Dutschke-Straße endet an der Wahlurne

Wie schon mehrfach berichtet (hier und hier) hat die taz im Dezember 2004 eine Initiative gestartet, einen Teil der Berliner Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße umzubenennen (der ursprüngliche Plan, die gesamte Straße umzubennen wurde wegen der zu hohen Kosten fallengelassen).

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg hatte sich mehrheitlich für eine Umbenennung ausgesprochen. Im August 2005 beschlossen Linkspartei und Grüne die Umbenennung des östlichen Teils der Kochstraße. Massiver Protest kam von Seiten CDU, der jedoch die Hände gebunden waren, da sie in der BVV nur eine kleine Minderheit darstellt.

Daher entschloß man sich in der CDU ein Bürgerbegehren ins Leben zu rufen. Wenn die CDU (und andere Umbenennungsgegner) es schaffen würden, ein Quorum von 3% der wahlberechtigen Bevölkerung im Bezirk zum Unterschreiben gegen die Umbenennung zu bewegen (das sind 4.942 Personen), würde es zur nächsten Stufe kommen, dem Bürgerentscheid. Und genau das wurde jetzt tatsächlich erreicht. D.h., der gesamte Bezirk wird demnächst darüber abstimmen, ob die Straße umbenannt werden soll oder nicht.

Würde die gesamte Stadt abstimmen, so ständen die Chancen der CDU relativ gut, daß sich eine Mehrheit gegen eine Umbenennung ausspricht. Abstimmungsberechtigt sind jedoch nur die Anwohner des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg und die sind mehrheitlich eindeutig politisch links-alternativ eingestellt und befürworten die Umbenennung. Die CDU hat also keine reale Chance, dieses Bürgerbegehren für sich zu entscheiden und so die Umbenennung doch noch zu verhindern.

Die Durchführung des Bürgerentscheids wird den Bezirk allerdings ca. 250.000 Euro kosten, Geld das sicherlich anders sinnvoller eingesetzt werden könnte. Andererseits kann sich die Linke auch nicht für mehr Direkte Demokratie einsetzten und dann maulen, wenn sich der politische Gegner dieses Instruments bemächtigt. Schade nur, daß das Geld ausgerechnet für eine Abstimmung draufgeht, die völlig sinnlos ist, weil der Ausgang schon vorher feststeht.

Zum Nachlesen:

- "Der Marsch in die Institution", taz, 22.08.06
- "Der Straßenkampf endet an der Urne", taz, 22.08.06

Montag, August 28, 2006

MediaTenor/Bild vs. ARD/ZDF

"Media Tenor" (früher "Medien Tenor") ist ein Schweizer Unternehmen für Medienanalysen. "Das Institut untersucht mit der Methode der Inhaltsanalyse den Politik- und Wirtschaftsteil der tonangebenden Tageszeitungen, Wochenmedien und Fernsehnachrichtensendungen" (Wikipedia).

Dabei geht das Unternehmen auch immer wieder auf Kollionskurs mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen. So attackierte Medien Tenor im Jahr 2004 die Tagesschau und behauptete deren hohe Zuschauerzahlen sein im ersten Halbjahr auf die EM-Spiele zurückzuführen und die Zuschauer würden die Sendezeit eher für einen Toilettengang nutzen und damit gar nicht wirklich die Tagesschau sehen. In Wahrheit wurde in keiner einzigen Halbzeitpause eine Tagesschau gesendet und die Zahlen von Wasserwerken die den erhöhten Wasser-Verbrauch für den Toilettengang beweisen sollten legte Medien Tenor auch nicht vor (Wikipedia).

Das renommierte NDR-Magazin "Zapp", das sich "kritisch mit der journalistischen Arbeit und anderen Medien sowie deren Beeinflussung durch Dritte" (Wikipedia) beschäftigt, hat sich daraufhin "Medien Tenor" etwas genauer angesehen:

"Stattdessen liefert er [Roland Schatz, Geschäftsführer von Medien Tenor, Anm. Zit.] noch andere Behauptungen. Zum Beispiel über die spanische Prinzenhochzeit in Spanien, im Mai live übertragen auf vielen Kanälen. Sein Vorwurf: ARD und ZDF hätten darüber in den Nachrichten zu viel berichtet - schon in der Woche vor dem Ja-Wort. Schatz behauptet (Forschungsbericht 11. Jahrgang Nr. 146, Juli 2004): '(...) dass schon ab Montag täglich ausführliche Bildberichte über die Vorbereitungen zum Hochzeitsfest den knappen Sendeplatz blockierten.' Der Interviewer fragt dazu Roland Schatz: 'Sie behaupten weiterhin, an allen fünf Tagen gab es Vorberichte in der Tagesschau zu dieser Hochzeit?' Schatz antwortet: 'Selbstverständlich.' Der Interviewer fragt nach: 'Aber sowohl die Bänder als auch die Sendeprotokolle belegen: Dieses ist nicht wahr!' Schatz sagt: 'Dann lassen Sie uns die Bänder anschauen und dann können wir uns darüber unterhalten.' Der Interviewer fragt erneut: 'Gut. Sie bleiben aber bei Ihrer Behauptung?' Schatz antwortet: 'Klar!' Klar ist nur: Seine Behauptung ist falsch." (Zapp, 26.09.04)

In dem Bericht werden noch zahlreiche weitere Fälle und Kritiker zitiert, doch das alles läßt Medien Tenor kalt. Die Notwendigkeit das Zustandekommen der angeblich wissenschaftlichen Studien transparent zu machen, sieht man nicht.

Im Jahr 2004 strebte die ARD ein Verfahren gegen das Unternehmen an, gewann und erwirkte eine Gegendarstellung (tvblogger.de). 2005 ging "Medien Tenor" insolvent, tauchte aber sogleich als "Media Tenor" wieder auf (Wikipedia).

Im Zuge des jüngsten Nahost-Krieges machte Media Tenor dann erneut Schlagzeilen mit der Behauptung, ARD und ZDF würden zu einseitig zugunsten der libanesischen Seite berichten. Dazu erstellte Media Tenor eine Studie. Bei Telepolis faßt Peter Nowak anhand von einigen Passagen das Ergebnis der Studie zusammen:

"'In ihren Hauptnachrichten werden ARD (Tagesschau und Tagesthemen) und ZDF (Heute und Heute Journal) ihrem Auftrag der unparteiischen und unabhängigen Berichterstattung über die Vorgänge im Nahen Osten in unterschiedlicher Weise nicht gerecht', heißt es dort. Konkret wird den Nachrichtensendungen vorgeworfen, die Sendung mit der Berichterstattung über den Konflikt immer im Libanon beginnen zu lassen und damit Israel als Angreifer an erster Stelle und die Gewalt der Hisbollah als nachrangig darstellen. 'Täter ist in erster Linie Israel – Opfer in erster Linie die Zivilbevölkerung im Libanon', sei die Botschaft der Sendungen. Außerdem werde die UN-Resolution zur Entwaffnung der Hisbollah und die Unfähigkeit oder der Unwille der libanesischen Armee, diese umzusetzen, nicht genügend erwähnt. 'Damit fehlt die Grundlage für das Verständnis für das Agieren der israelischen Regierung', heißt es in der Studie. Außerdem wird das Fehlen von Hisbollah-Kämpfern in den Sendungen bemängelt. Dafür seien israelische Soldaten ständig im Bild." (Telepolis, 16.08.06)

Daß nun ausgerechnet die BamS diesen Einseitigkeits-Vorwurf der Studie so stark aufgegriffen hat, klingt wie blanker Hohn angesichts der Tatsache, daß die Bild selbst einseitig zugunsten Israels berichtete, wie im BILDblog sehr plastisch veranschaulicht wurde (siehe Einträge vom 08.08.06 und 09.08.06).

Natürlich hat die private Bild-Zeitung nicht den gleichen Auftrag zur unparteiischen und unabhängigen Berichterstattung wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Bekanntermaßen müssen sich Journalisten die für den Axel-Springer-Verlag arbeiten zur Solidarität mit Israel in ihrer Berichterstattung verpflichten. Trotzdem ist es natürlich verlogen wenn dann "'Bild am Sonntag' die Mahnung zitiert, dass in einem Krieg 'jede der handelnden Parteien ein eigenes Interesse bei der Zurverfügungstellung von Informationen' habe, und Medien deshalb Distanz wahren und vermitteln müssten" (BILDblog). Und so schreibt Peter Nowak für Telepolis:

"Die Macher der Medienstudie vergessen zu erwähnen, dass dem hehren Ziel der Ausgewogenheit in der Regel nicht Emotionalität, sondern unterschiedliche Interessen entgegen stehen. Darüber müsste der Springerkonzern, der jetzt so lautstark für die Ausgewogenheit im Nahostkonflikt trommelt, eigentlich am Besten Bescheid wissen. Dort müssen sich alle Journalisten zur Solidarität mit Israel in ihrer Berichterstattung verpflichten. Dafür mag es gute politische Argumente geben. Die sollte man dann aber auch diskutieren. Das ist allemal sinnvoller, als eine Neutralität und Ausgewogenheit zu fordern, die es gar nicht geben kann." (Telepolis, 16.08.06)

Nowaks Kritik an der Studie fußt darauf, daß dort eine Ausgewogenheit gefordert wird, die gar nicht geleistet werden kann. Weder von der ARD/ZDF noch der Springerpresse oder sonst wem. Daneben gibt es natürlich noch weitere Kritikpunkte. So haben ARD/ZDF Media Tenor abermals aufgefordert die Basisdaten offenzulegen, auf denen die Studie basiert. Und wieder hat sich Media Tenor dem verweigert (Wikipedia). Unter diesen Voraussetzungen fällt es schwer, die Studie tatsächlich als "seriös" wahrzunehmen, weil niemand verifizieren kann, wie die Ersteller zu ihren Ergebnissen gekommen sind. Die taz schreibt:

"Denn dass die blanke Erbsenzählerei des Bonner Instituts für Medienanalyse nicht eben wissenschaftlich überzeugt, ist ein alter Hut. Zumal auch dort nach den nackten Zahlen nochmal die große Interpretationsmaschine angeworfen wird, die in ihrer Tendenz ziemlich dicht am postmodernen Springer-Weltbild parkt." (taz, 14.08.06)

Zudem heißt es in der Einleitung der Studie auch klar, daß sie in Zusammenarbeit mit der Politikredaktion der BamS entstanden ist. Die Connection zwischen Springer und Media Tenor ist also offensichtlich. Die am Ende der Studie zitierten "Unternehmensgrundsätze" die u.a. "Unparteilichkeit" aufführen, sind angesichts der Verquickung der Studie mit der BamS-Redaktion und deren ARD/ZDF-Bashing vor dem Hintergrund der axel-springer-eigenen politischen Leitlinien ein schlechter Scherz.

Selbst wenn man der Studie recht geben will und ARD/ZDF das Leid der libanesischen Seite stärker fokussiert haben, müßte man überlegen, ob es dafür nicht gute Gründe gibt. So haben Bevölkerung und Infrastruktur auf libanesischer Seite nun mal deutlich mehr gelitten, als umgekehrt die israelische Bevölkerung und Infrastruktur. Die Raketeneinschläge in Süd-Israel haben weit weniger Schaden angerichtet, als umgekehrt die Bomben und Artellerie-Angriffe auf libanesische Seite, wo unter anderem ganze Stadtviertel von Beirut in Schutt und Asche gelegt wurden.

Bei der Darstellung der Zerstörung ist also klar, daß die libanesische Zivilbevölkerung stärker fokussiert wurde. Eine andere Frage ist die Darstellung der politischen Hintergründe, die zu diesem Krieg führten. Auch hier müßte man den Vorwurf der einseitigen Berichterstattung sicherlich empirisch stärker untermauern. Aufbau der Studie so wie die Umstände unter denen sie publiziert wurde, haben es ARD und ZDF jedenfalls leicht gemacht (vielleicht zu leicht), die Vorwürfe von sich zu weisen.

Mittwoch, August 23, 2006

Hundstage-Blog eingestellt

Heute enden die Hundstage und damit auch mein "Hundstag(e) Blog". Künftig wird wieder hier gebloggt, alle Einträge aus dem Hundstage-Blog wurden schon transferiert. Auch eure Kommentare habe ich mühsam mittransferiert, damit sie nicht fürn A**** waren :p.

Samstag, August 19, 2006

Gerhard Richter bei 618,7 MHz *lol*

"Plötzlich, bei 618,7 Megahertz, erscheint das Abbild einer Benutzeroberfläche auf dem Schirm vor ihm, schwarzweiß und leicht verwaschen wie ein Bild von Gerhard Richter. Eine lange Excel-Preistabelle flimmert auf, die wie von Geisterhand um weitere Einträge ergänzt wird." (Hilmar Schmundt)