Sonntag, März 04, 2007

Die Schlacht um Ungdomshuset

Ungdomshuset, zu deutsch "das Jugendhaus", ist war ein Treffpunkt der alternativen Szene im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro. Es wurde bereits im Jahr 1982 besetzt und von Aktivisten zum Jugendzentrum umgebaut.

Im Jahr 1999 wurde das Haus dann an die Freikirche Faderhuset (Vaterhaus) verkauft. Sehr zum Unwillen der bisherigen Nutzer des Hauses. Faderhuset gilt als christlich-fundamentalistisch, die taz spricht von einer "christlichen Sekte", die den Zuschlag für das Haus von der Stadt hauptsächlich deshalb bekommen hat, weil diese einen Brand als Vorwand genommen hatte, das "politisch unbequem gewordene Zentrum" loszuwerden:

"Ursprünglich 1982 von der Stadt Kopenhagen an verschiedene Jugendinitiativen zur selbstständigen Nutzung überlassen, hatte eine Mehrheit des Stadtrats 1999 einen Brand zum Vorwand genommen, dieses politisch unbequem gewordene Zentrum für einen großen Teil der autonomen Szene der Hauptstadt offiziell für geschlossen zu erklären. Ohne den NutzerInnen eine Alternative angeboten zu haben, war es von der Stadt dann an eine kleine, aber offenbar zahlungskräftige christliche Sekte verkauft worden. Dieses 'Faderhuset' will dort in dem zu einem großen Teil von AusländerInnen muslimischen Glaubens bewohnten Nørrebro offenbar ein christliches Missionszentrum errichten." ("Jugendliche raus, christliche Sekte rein", taz, 03.03.07)

Nach der Besetzung im Jahr 1982 wurde das Haus den Jugendlichen und Autonomen also überlassen, entsprechend groß war dann der Zorn, als es jetzt nach Jahren des Aufbaus losgeschlagen werden sollte. Nach langem hin und her gab es dann im Dezember 2006 die erste Androhung, das Haus räumen zu lassen, was schon damals zu ersten Straßenschlachten führte ("Heißer Winter in Kopenhagen", taz, 18.12.06).

Danach gab es Versuche ein alternatives Haus zu suchen, bzw. Ungdomshuset durch Spendengelder selbst zu kaufen. Diese Pläne scheiterten jedoch alle, woran die alternative Szene durch ihr Auftreten nicht ganz schuldlos ist ("Jugendliche raus, christliche Sekte rein", taz, 03.03.07).

Am letzten Donnerstag (01.03.) war es dann soweit, das Haus wurde am frühen Morgen von einer Antiterroreinheit geräumt. Von Hubschraubern aus seilte sich die Spezialeinheit auf das Dach des Hauses ab und konnte dann, durch Wasserwerfer- und Tränengas-Einsatz unterstützt, das Haus zügig räumen. Der neue Eigentümer war sich allerdings noch nicht ganz sicher, ob er das Haus abreißen oder renovieren lassen wollte. In jedem Fall wurde es schon mal entrümpelt.

In der Nacht zum Freitag (02.03.) eskalierte die Lage dann vollends, es kam zu schweren Ausschreitungen, Müllcontainer und Autos wurden in Brand gesetzt, Barrikaden errichtet (Fotostrecke, SPON, 02.03.). Insgesamt wurden schon in dieser ersten Nacht 200 Demonstranten festgenommen. Später am Freitag wurde dann auch die Parteizentrale der dänischen Sozialdemokraten besetzt, um gegen die Räumung zu protestieren ("Autonome kapern Parteizentrale", SPON, 02.03.07).

Pikantes Detail: Um die dänischen Autonomen zu unterstützten, reisten auch Autonome aus dem Ausland an. So sollen sich im harten Kern der Krawallmacher auch Deutsche befinden. Parallel dazu gab es Solidaritätsaktionen im Ausland, in Deutschland gingen Demonstranten in Hamburg, Hannover, Göttingen und Flensburg auf die Straße ("Demonstrationen für 'Ungdomshuset' in Norddeutschland", taz, 03.03.07).

In der Nacht von Freitag zu Samstag (03.03.) gab es dann abermals schwere Krawalle in Kopenhagen, nachdem man tagsüber noch friedlich demonstriert hatte ("Kopenhagen erlebt zweite Krawallnacht", SPON, 03.03.07). Wieder wurden 100 Menschen festgenommen. Diesmal war die Polizei besser vorbereitet, es wurden zusätzliche Einheiten aus anderen Landesteilen herbeigeschafft, tagsüber gab es dann zahlreiche Hausdurchsuchungen und Razzien. Zudem wurden die Grenzkontrollen verschärft, um das "Einsickern" von weiteren Autonomen aus dem Ausland zu verhindern.

In der dritten Nacht von Samstag auf Sonntag (04.03.) war es dann dementsprechend ruhiger ("Lage in Kopenhagen beruhigt sich", SPON, 04.03.07). Insgesamt wurden während der Krawalle 700 Personen festgenommen, darunter 100 Ausländer aus Deutschland, Schweden, Norwegen, Italien, Irland, Großbritannien und Spanien, die alle ausgewiesen wurden.

Ob das rosa Ansprühen der Kleinen Meerjungfrau, dem Wahrzeichen Kopenhagens, auch im Kontext der Krawalle geschah, ist noch unklar. Tatsächlich wäre es nicht das erste Mal, daß die "lille havfrue" von Unbekannten aus Protest angemalt bzw. demoliert wird:

"So wurde 1964 und 1998 der Kopf abgesägt, einmal der rechte Arm abgesägt und Anfang September 2003 die komplette Meerjungfrau, wahrscheinlich mit Hilfe von Sprengstoff, von ihrem Felsen gestürzt. (...) Die letzte Schändung fand anlässlich des Weltfrauentags am 8. März 2006 statt: Unbekannte bemalten sie mit dem Datum und versahen sie mit einem Dildo." (Wikipedia)

Die Staatsmacht hat sich am Ende also natürlich mal wieder durchgesetzt, die Frage ist nur, was das den neuen Eigentümern des Hauses bringt. Egal, ob sie das bestehende Haus renovieren oder es abreißen um anschließend ein neues Gebäude für ihre Kirche zu errichten, solange das Grundstück nicht permanent unter Polizeischutz gestellt wird, wird es vermutlich immer wieder Attacken geben. Denn die alternative Szene, die dieses Haus 25 Jahre genutzt hat, wird diese Geschichte sicherlich nicht so schnell vergessen.

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