Freitag, März 30, 2007

Die Satansweiber von Tittfield

Seit kurzem läuft bei ARTE wieder die inzwischen legendäre Trash-Filme-Serie (siehe auch "Supervixens" und "Heat" im Bloomsday Blog) mit "neuen" Kultklassikern aus dem B- und C-Movie-Bereich. Wie auch schon in der letzten Serie gibt es auch diesmal wieder einen der legendären Streifen des Sexfilm- und Oberweiten-Gurus Russ Meyer.

Wobei "Faster pussycat! Kill! Kill!" aus dem Jahre 1965 (DE 1966) sicherlich der bekannteste aller Russ-Meyer-Filme ist und einen weltweiten Kultstatus genießt. Unzählige Filmkritiker und -analytiker haben sich an diesem Machwerk bereits abgearbeitet und den Aufstieg dieses Billigstreifens zur Ikone der Popkultur dokumentiert. Die deutsche Version trägt den denkwürdigen Titel "Die Satansweiber von Tittfield", bei Wikipedia gibt es zum Film einen sehr ausführlichen und wirklich lesenswerten Eintrag.

Handlung

Die drei vollbusigen Stripperinnen Varla (Tura Satana, bis heute der Urtyp aller Oberweiten-Darstellerinnen von Russ Meyer), Rosie (Haji) und Billie (Lori Williams) veranstalten nach einem Tabledance-Auftritt ein Rennen in der Wüste (dem klassischen Handlungsort von Russ Meyer Filmen).


YouTube Video: Varla, Rosie und Billie beim Tabledance

Während Varla in einem schwarzen Porsche 356 unterwegs ist (der aus Meyers Privatbesitz stammte), fahren ihre beiden Gespielinnen weiße Cabrios (Roadster). Aus den Dialogen wird ersichtlich, daß Varla die dominant aggressive Anführerin des Trios ist, während Rosie die ihr treu ergebene Liebhaberin ist (die lesbische Beziehung zwischen beiden wird immer nur angedeutet, ist aber trotzdem recht offensichtlich, wobei Rosie deutlich verliebter in Varla zu sein scheint, als umgekehrt) und die blonde Billie die nymphomanisch veranlagte Rebellin mimt, die immer wieder gegen Varla opponiert.

Beim Rennen in der Wüste treffen sie auf Linda (Sue Bernard) und Tommy (Ray Barlow), ein junges, typisches Vorstadt-Pärchen. Während Tommy und Linda freundlich auftreten, ist das Trio deutlich aggressiver drauf. Besonders Varla hat es auf den Aufschneider Tommy abgesehen und fordert ihn zu einem Rennen heraus. Tommy kann sich gegen Rosie und Billie durchsetzen, als er jedoch auch Varla zu überholen droht, schneidet sie ihn und donnert dabei von der Strecke. Anschließend macht sie Tommy jedoch den Vorwurf, er hätte sie geschnitten. Schließlich bekommt Varla, was sie offenbar schon die ganze Zeit gesucht hat, eine Schlägerei mit Tommy an deren Ende sie ihm zum Entsetzen seiner Freundin das Genick bricht (der Sound wurde im Film mit dem Knacken einer Walnuß erzeugt *rofl*).


YouTube Video: Varla verprügelt Tommy und bricht ihm das Genick

Das Trio beschließt Tommys Tod wie einen Unfall aussehen zu lassen, hat aber immer noch die hysterische Linda an der Backe, die man anders loswerden will. Varla setzt sie zunächst unter Drogen und nimmt sie mit. An einer Tankstelle im Nirgendwo erfahren sie vom örtlichen Tankwart (Michael Finn) die Geschichte des "Alten" (Stuart Lancaster), der seit einem Zugunglück querschnittsgelähmt ist und mit einem kleinen Vermögen an gebunkertem Geld von der Versicherung zusammen mit seinen beiden Söhnen auf seiner Ranch lebt.

Varla beschließt ihm das Geld abzunehmen. Sie denkt sich eine Geschichte aus, derzufolge sie zusammen mit ihren beiden Freundinnen von einer prominenten Familie beauftragt wurde deren Tochter Linda dezent nach Hause zurück zu bringen. Laut Varlas Geschichte ist Linda geschockt durch den Unfalltod ihres Freundes und hat durchgedreht, da die Familie prominent ist, möchte sie kein öffentliches Aussehen und hat das Frauen-Trio privat beauftragt, die verrückte Linda nach Hause zu bringen. Dabei kommen sie nun "zufällig" auf die Ranch des Alten und wollen nur etwas Wasser aus dessen Wasserspeicher. Der Alte ahnt natürlich woher der Wind weht, ist aber als Lüstling und Perverser dem Damenbesuch nicht abgeneigt und lädt die vier Frauen ein zum Essen zu bleiben.


YouTube Video: Rosie und Billie geraten aneinander, bis sie von Varla getrennt werden

Ebenso wie Varla ein gestörtes Verhältnis zu Männern zu haben scheint, hat der Alte ein gestörtes Verhältnis zu Frauen. Besonders fixiert ist er auf Linda, in der er das junge Mädchen wiederzuerkennen glaubt, das er einst vor dem herannahenden Zug zu retten versucht und sich dabei seine Querschnittslähmung zugezogen hatte. Verbittert über dieses Ereignis hat er einen Haß auf Frauen und zudem seinen Sohn, das geistig zurückgebliebene Muskelpaket "Blumenkohl" (im Original "The Vegetable", Dennis Busch), in Wahn und Wut jedes Mal verprügelt, wenn ein Zug vorbei kam. Welche Folgewirkungen das hat läßt sich erkennen, als Billie sich an Blumenkohl heran macht und dieser sich infolge der "pawlowschen Konditionierung" in Heulkrämpfen windet, als ein Zug vorbeifährt.

Der einzig halbwegs "Normale" in der Familie des Alten scheint sein zweiter Sohn Kirk (Paul Trinka) zu sein. Kopflastig, introvertiert und sensibel kann dieser sich jedoch nicht gegen seinen herrischen Vater durchsetzen. Insbesondere aber wegen der geistigen Behinderung seines Bruders, möchte er die Ranch nicht verlassen. Anfangs noch zögerlich und unsicher entwickelt sich Kirk langsam zum Helden der Geschichte, der Linda schließlich vor dem Zugriff des Altens beschützt.


YouTube Video: Trailer zum Film

Linda und Kirk sind dann schließlich auch die einzigen der Hauptprotagonisten, die die sich zum Ende des Films zuspitzende Gewaltspirale überleben: Zunächst überfährt Rosie von Varla angestiftet den Alten in seinem Rollstuhl, wobei das Geld zum Vorschein kommt. Billie ist entsetzt und will sich von Rosie und Varla absetzen, was letztere natürlich nicht akzeptieren kann und Billie ein Messer in den Rücken wirft. Während Varla sich um das Geld kümmern will, beauftragt sie Rosie das Messer wiederzuholen. Doch bevor diese es aus der Leiche ziehen kann ist Blumenkohl zur Stelle, mit dem Billie ja zuvor angebandelt hatte. Während es zunächst so aussieht, als könne Rosie Blumenkohl überreden ihr das Messer auszuhändigen, ersticht er sie mehr oder minder emotionslos und meint dann nüchtern sich auf das Messer beziehend "Jetzt kannst du es haben".

Als Varla registriert, daß Rosie von Blumenkohl erstochen wurde, reagiert sie umgehend und überfährt ihn mit ihrem Porsche. Doch den muskelbepackten Blumenkohl bringt das nicht um. Varla versucht es erneut und will ihn diesmal mit ihrem Wagen an einer Wand zerquetschen. Der angeschlagene Blumenkohl stemmt sich mit aller Gewalt gegen den Porsche, unterliegt aber am Ende. Nun will Varla noch Linda und Kirk als Zeugen ausschalten, die in einer vorhergehenden Auseinandersetzung mit dem Alten in der Wüste zurückgelassen wurden. Varla holt die beiden mit einem Pickup ein, es kommt zu einem Kampf zwischen Varla und Kirk. Als Varla Kirk fast besiegt hat handelt Linda und überfährt Varla mit dem Pickup. So hat sie Kirk gerettet, der sie zuvor vor dem Alten und Blumenkohl gerettet hatte.


YouTube Video: Varla gibt Billie Anweisungen wie man Linda ruhigstellen kann

Rezension

Billig und mit einfachsten Mitteln produziert war der Film nach seinem Erscheinen zunächst ein absoluter Flop. Selbst dem anvisierten männlichen Zielpublikum war das dominante Auftreten der männer-verprügelnden Tura Satana samt lesbischen Untertönen damals einfach "too much". Zudem sich Russ Meyer aus Kostengründe entschlossen hatte den Film in schwarz/weiß zu drehen, obwohl zum damaligen Zeitpunkt Farbfilme schon die Regel waren und s/w als altbacken galt. Weiterhin gibt es im ganzen Film keine einzige Nacktszene (von der Rückenansicht während des Duschens in freier Natur mal abgesehen) geschweige denn einen Koitus zu sehen, der Streifen konnte somit nicht mal als echter Sex- oder Tittenfilm vermarktet werden.

Dennoch avancierte "Faster pussycat! Kill! Kill!" spätestens ab den 80ern zum Kultstreifen, bei Wikipedia kann man die Gründe nachlesen:

"Meyer bekräftigte stets, dass er seine Filme aus kommerziellen Gründen drehte und nicht, um sich künstlerisch auszudrücken. Meyer schafft es aber in Die Satansweiber von Tittfield, durch die Beschränkung der Handlung auf sexuelle Konnotationen und Gewaltakte eine eigene filmische Welt zu kreieren, in der die Figuren die Motivation für ihr Handeln nicht nach moralischen Maßstäben finden, sondern nur noch ihr Recht aufs Überleben und auf Triebbefriedigung durchsetzen.

... Meyer stellt die Konventionen des Filmmelodrams der 1950er-Jahre bloß, indem er sie auf den Kopf stellt: Die Werte der Familie sind nicht mehr existent und die traditionellen Geschlechterrollen sind getauscht worden: Die Männer sind es, die sich in der vertrauten Umgebung des Heims aufhalten, die Frauen hingegen sind die aktiven Handlungsträger, die sich auf freier Wildbahn herumtreiben. Nicht einmal in der einzigen Szene, in der die Darstellerinnen eine traditionelle Frauenrolle bedienen, beim Tanz im Nachtclub, entsprechen sie dem Bild des passiven Weibchens, sondern wirken bereits da, betont durch Schnitt, Musik und Ausleuchtung, aggressiv und nicht beherrschbar.

... Besonders Tura Satana wurde zum Sinnbild reizvoller weiblicher Dominanz. Ihr Outfit mit schwarzem, tief ausgeschnittenem Jumpsuit, Lederstiefeln, Ledergürtel und Lederhandschuhen, dazu Zigarillos rauchend und einen schwarzen Porsche fahrend, wurde zum Vorbild für viele Künstlerinnen von Madonna bis zu den Spice Girls, um ein ähnliches Image zu kreieren.

... In den 1990er-Jahren entdeckte die Lesbenbewegung den Film als Symbol eines starken lesbischen Selbstbewusstseins. Die amerikanische Filmwissenschaftlerin B. Ruby Rich deutete den Mord an Tommy als aggressiven Ausdruck lesbischer Identität: Tommy und Linda seien als Paar das Symbol für die normative Heterosexualität, zwei Spießer, von denen zumindest der Mann der lesbischen Dominanz zum Opfer fallen muss." (Wikipedia)

Getauschte Geschlechterrollen, Amazonen mit üppiger Oberweite die in lesbischer Beziehung zueinander stehen und in engen Klamotten irgendwo in der Mojave-Wüste jagt auf Männer machen. Hinzu kommt, daß die Mehrheit der auftretenden Charaktere ziemlich kaputt ist und das Drehbuch konsequent und unbarmherzig auf die Gewaltexzesse am Ende hin geschrieben wurde. Schnelle Schnitte und brachial-spitzzüngige Dialoge tun ihr Übriges.

ARTE strahlt die Wiederholung (im Originalton mit deutschen Untertiteln) am kommenden Sonntag, dem 01.04.07 um 0:30 Uhr aus. Unbedingt ansehen und wer Montag früh raus muß, kann es sich ja alternativ aufzeichnen.

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