Donnerstag, März 09, 2006

Trash-Kultfilm: "Heat"

Für den Zeitraum März/April hat arte Trash-Filme zum Schwerpunkt erklärt. Jede Woche kann man dort in der Nacht von Donnerstag auf Freitag einen alten Trash-Kultstreifen sehen. arte beschreibt das Anliegen wie folgt:

"Es werden Filme wieder zugänglich gemacht, die zur Zeit ihrer Entstehung und ihrer Erstauswertung den herrschenden Normen widersprachen und heute noch widersprechen: den offiziellen Zensurvorschriften, dem Geschmack der etablierten Filmkritik, den dominierenden politischen und gesellschaftlichen Strömungen. Die Filme, die ARTE präsentiert, sind schriller, bunter, frecher, direkter, provokativer als der Mainstream. Oft schnell und billig produziert und gedreht, nehmen sie keine große Rücksicht auf handwerkliche oder soziale Konventionen." (arte)

Heute Nacht wird der zweite Filme der Reihe, "Die Stunde, wenn Dracula kommt", gezeigt. Ich werde hier jedoch den Film von letzter Woche, "Heat", etwas detaillierter vorstellen, der morgen (10.03.) um 01:10 Uhr wiederholt ausgestrahlt wird.

"Heat" (1972) ist nach "Flesh" (1968) und "Trash" (1970) der letzte Teil der Trash-Trilogie von Andy Warhol (Producer) und Paul Morrissey (Regie, Drehbuch). Wie schon in den zwei vorhergehenden Teilen spielt auch hier Joe Dallesandro die Hauptrolle. In "Heat" mimt er "Joey Davis", einen Schauspieler der obwohl noch relativ jung seine Karriere faktisch schon hinter sich hat.

Joey wurde als Kind durch eine Serie zum Hollywood-Star, bekommt jetzt als Erwachsener aber keine Angebote mehr. Er versucht einen Einstieg in die Musikbranche, welcher aber mehr schlecht als recht verläuft. Alles was ihm bleibt um wieder nach oben zu kommen, ist Kapital aus seinem austrainierten Körper zu schlagen (zu deutsch: sich nach oben zu vögeln). Er läßt sich in einem billigen Motel nieder, daß von der übergewichtigen Lydia (Pat Ast) geführt wird, die sehr direkt, selbstbewußt und aggressiv auftritt. Sie ist dann auch die erste, mit der Joey in die Kiste steigt, damit diese ihm einen Mietnachlaß gewährt.

Ebenfalls wohnhaft im Motel ist die etwas verrückte Jessica Todd (Andrea Feldman), ständig knapp bei Kasse teilt sie sich ihr Zimmer mit ihrem kleinen Baby und ihrer Lebensabschnittsgefährtin. Zwischen Motel-Eigentümerin Lydia und Jessica gibt es ständig Streit, weil Jessica nie die Miete rechtzeitig zahlt und in den Augen von Lydia auch ziemlich unverschämt ist. Jessica ist finanziell von ihrer Mutter, Sally Todd (Sylvia Miles), abhängig. Sally ist eine berühmte Schauspielerin die aber den Zenit ihrer Karriere auch schon längst überschritten hat. Sie ist es leid ihre Tochter durchzufüttern und ständig besorgt, daß deren lesbische Liaison und das uneheliche Baby an die Öffentlichkeit kommen könnten. Denn nichts fürchtet die Hollywood-Kennerin Sally mehr, als in Negativ-Schlagzeilen zu geraten.

Am Pool des Motels lernen sich dann Joey und Jessica kennen, es stellt sich heraus, daß Jessicas Mutter (Sally) früher mal eine Gastrolle in der Serie gespielt hat, in der auch Joey als Kind eine Rolle hatte. Jessica schlägt vor, daß Sally und Joey sich wiedersehen sollten und lädt diesen in ihr Zimmer ein, auf dem sie ihre Mutter erwartet. Joey ist zunächst dagegen, läßt sich dann aber breitschlagen. Die "Reunion" von Sally und Joey bleibt dann aber zunächst nur recht flüchtig, beide geben sie höflich aber reserviert.

SPOILER WARNING

Das ändert sich, als Jessica tagsdarauf Joey mit zu dessen Plattenfirma nehmen will. Auf dem Weg zur Plattenfirma schauen die beiden noch schnell bei Sally vorbei, die in einer riesigen prunkvollen Villa lebt (die sie kaum noch unterhalten kann). Natürlich geht es mal wieder um Geld, das Jessica ihrer Mutter aus der Tasche leiern möchte. Doch als ihre Freundin anruft und mit Selbstmord droht, nur weil Jessica Joey ein Stück mitgenommen hat, muß Jessica das Anwesen vorzeitig verlassen und läßt Joey mit ihrer Mutter zurück. Die erwartet zwar ihren Anwalt, will Joey aber vorher noch durch das Haus führen, wobei sich beide erstmals näher kommen.

Sally, die schon vier Ehen hinter sich hat, ist krank vor Einsamkeit und hat wahnsinnige Angst, daß Joey sie wieder verlassen wird. Der verspricht sich jedoch von seiner Affäre mit ihr endlich wieder eine Rolle zu bekommen und bleibt daher bei ihr. Und Sally läßt tatsächlich alle ihre Connections spielen, um ihm den beruflichen Wiedereinstieg zu ermöglichen -- allerdings erfolglos. Die Produzenten suchen für ein neues Projekt einen Ostküsten-Intellektuellen, der frisch von Harvard kommt. Mit dem langhaarigen Joey, der vor Jahren mal in einer Rancher-Serie mitgespielt hat, können sie nichts anfangen.

Nachdem Jessica herausgefunden hat, daß sie doch nicht lesbisch ist, zieht sie zusammen mit ihrem Baby in das Haus ihrer Mutter, wo sie sofort versucht Joey zu verführen. Der weiß natürlich, daß es nicht gut gehen kann, wenn er zeitgleich etwas mit Mutter und Tochter anfängt -- zudem noch im selben Haus. Seine Abwehrversuche sind allerdings nur recht halbherzig, es scheint, als sei er einfach zu müde, sich Jessica wirklich vom Hals zu halten. Als Sally die beiden während einem von Jessicas Annäherungsversuchen in flagranti ertappt und dann auch noch rausfindet, daß Joey zeitgleich etwas mit Motel-Besitzerin Lydia hatte, rastet sie aus, kann aber nicht anders, als an Joey festzuhalten.

Als sich Sally mit ihrem letzten Ex-Mann in dessen Haus trifft, kommt es zwischen den beiden zu einem lautstarken Streit. Der Ex-Mann ist bereit Geld an Sally abzudrücken, will aber nicht, daß dies am Ende in Joeys Taschen landet. Während die beiden sich in ein anderes Zimmer begeben und dort weiterstreiten, kommen Joey und der schwule Lover des Ex-Manns von Sally sich näher. Beide werden während des Akts überrascht und Sally rastet erneut aus. Schließlich ist es jedoch Joey, der sie verläßt, als ihm klar wird, daß sie nichts für seine Karriere tun kann. Sally ist am Boden zerstört und wahnsinnig vor Wut. Sie gibt zunächst Jessica die Schuld, greift dann aber zur Waffe, um Joey zu erschießen. Sie findet ihn am Pool des Motels (wo Joey inzwischen wieder wohnt), doch zu dessen Glück ist der Revolver nicht geladen und Sally schmeißt die Waffe irritiert in den Pool, um dann zu verschwinden.

Obgleich sehr unterschiedlich haben alle Charaktere in dem Film doch eines gemeinsam: sie befinden sich auf einem absteigenden Ast, was sie teilweise einfach nicht wahrhaben möchten bzw. sie versuchen zwar diesem Abstiegs-Prozeß entgegenzuwirken, bleiben dabei aber erfolglos. Der Film skizziert die Schattenseite des Hollywood-Lifestyles und lebt dabei von vielen unfreiwillig komischen Dialogen (zum Glück strahlt arte den Film im Original mit deutschen Untertiteln aus, bei einer synchronisierten Fassung würde vieles verloren gehen) und einer schauspielerischen Leistung der Akteure, die gerade durch ihre Mittelmäßigkeit originell rüberkommt. Das Script war sehr locker gehalten, was den Schauspielern Raum zu Improvisationen gab. Auch davon lebt "Heat", der schnell zum Kultfilm avancierte.

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