Dienstag, Oktober 31, 2006

Martinstag vs. Halloween

Als ich noch klein war, bastelten wir in der Grundschule zum Martinstag Laternen und zogen dann als Schulklasse am 11. November in einem St.-Martins-Zug durch die Straßen und haben Martinslieder gesungen (sowas wie einen römischen Reiter hatten wir allerdings nicht und vermutlich gibt es nicht mal im Rheinland -- wo diese Tradition wurzelt -- so viele Gäule wie Grundschulen). Wir sangen so sinnreiche Hymnen wie "Ich gehe mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir" und achteten penibel darauf, daß die Teelichter in unseren Laternen nicht erloschen. Ob es solche Laternenumzüge heute in Berlin noch gibt, weiß ich gar nicht.

Nicht zu übersehen überhören ist dagegen eine aus den USA übernommene, hierzulande noch relativ "neue" Tradition: Halloween. Zwar gibt es schon lange entsprechende Specials am 31.10. im Fernsehen und wohl auch die ein oder andere Halloween-Party wurde veranstaltet. Daß aber die Kinder wie in den USA durch die Straßen ziehen, an den Häusern klingeln und "Süßes oder Saures!" (Trick or Treat) brüllen, ist eine relativ neue Entwicklung, die es in Berlin erst seit ein paar Jahren gibt.

Wobei eine Großstadt hier vielleicht nicht das richtige Terrain ist, da es zumindest in der Innenstadt nur Wohnhäusern mit mehreren Mietparteien gibt und kaum Einfamilienhäuser, die sich für "Süßes oder Saures" besser eignen. Denn mal ehrlich, welches Kind hat schon Lust etwa in Marzahn einen Plattenbau nach dem anderen zu durchlaufen und dort Wohnung für Wohnung abzuklappern? Da wäre man ja mehr auf Korridoren unterwegs, als an der frischen Luft. Und wen wollte man da zwischen den Wohnungen mit seinem Kostüm auch erschrecken, den Hausmeister vielleicht?

Jedenfalls ist die Halloween-Tradition hierzulande noch noch nicht so tief verankert, daß auch jeder Deutsche Süßigkeiten parat hat, wenn ein paar Bälger am 31.10. bei ihm klingen. Und die Bereitschaft der Kinder ihre Drohung wahr zu machen und "Saures" auszuteilen, wenn man kein "Süßes" erhält, ist meiner Einschätzung nach äußerst gering. Einen Streich jenseits vom Klingelstreich zu spielen und z.B. ein Haus zu klopappen ("You TP'ed a house last week, Cartman?" "No. Last Thursday night was fajitas night.") wäre einfach zu subversiv im deutschen Autoritätsstaat. Zumindest in den gutbürgerlichen Wohngegenden in denen sich "Süßes oder Saures" hierzulande primär durchzusetzen beginnt, läßt man es nicht drauf ankommen und verzichtet dann im Falle eines Falles lieber auf die Durchführung eines Streichs.

In den USA wird Halloween seit jeher von fundamentalistischen Christen bekämpft, die diesen Brauch als heidnisch betrachten. Doch natürlich sind sie zumindest an dieser Front mit ihren Forderungen chancenlos, Halloween in den USA abschaffen zu wollen wäre so als wolle man Weihnachten abschaffen. Zumindest solche Bestrebungen gibt es in Deutschland nicht, hier betrachten die "Alteingessenen" Halloween als Mode, die man eben mitmacht oder auch nicht.

Gerade in finanziell etwas besser gestellten Familien ist die Bereitschaft solchen Mode-Wünschen der Kids nachzukommen vermutlich relativ hoch. Genauso wie das Kind sein neues Pokémon bekommt, wenn es sich das wünscht, veranstaltet man eben auch eine Halloween-Party mit dem entsprechenden finanziellen Aufwand (schmücken des Hauses, Kostüm und Plastik-Kürbisse bei Karstadt kaufen, etc.).

Die Frage ist, ob es wirklich nur eine Mode-Erscheinung ist, die irgendwann wieder vorbei geht, oder ob Halloween wie in den USA zu einer echten Tradition wird, die sich fest etabliert. Schade wäre es ja irgendwo schon, wenn alte Traditonen wie der Martinstag dann hinter adaptierten Traditionen wie Halloween zurückstehen müssen. Halloween ist wie Weihnachten inzwischen hauptsächlich eine kapitalistisch-konsumistische Veranstaltung: es geht de facto darum möglichst viele Süßigkeiten einzufahren, während es an Weihnachten um Geschenke geht. Sowohl Weihnachten als auch Halloween haben historisch natürlich noch andere Bezüge, die aber zunehmend in den Hintegrund treten.

Beim Martinstag geht es hingegen vorwiegend darum, daß die Kinder mit einer selbstgebastelten Laterne in der Dunkelheit umher ziehen, Lieder singen und ihren Spaß haben. Anders als bei Halloween ist aber das "Spaß haben" nicht so durchkommerzialisiert.

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