Samstag, Oktober 28, 2006

Denny Crane!

Zu den besten Serien die man zur Zeit im deutschen Fernsehen konsumieren kann, gehört zweifellos "Boston Legal". VOX strahlt die Folgen der ersten Staffel zur Zeit jeden Mittwoch um 22:05 Uhr aus.

Boston Legal wurde von David E. Kelley ins Leben gerufen, der schon diverse preisgekrönte Anwaltsserien produziert hat. Am bekanntesten ist darunter vermutlich "Ally McBeal", die hierzulande als die "Frauen-Serie" schlechthin galt, bis sie in dieser Funktion von "Sex and the City" abgelöst wurde.

Bei Boston Legal handelt es sich jedoch um einen Spin-off der ebenfalls von Kelley kreierten Serie "The Practice", die deutlich düsterer und ernster ist und daher in Deutschland wenig Anklang fand (gleichwohl hat Kabel1 laut Wikipedia die ersten drei Staffeln in den Jahren 2001 und 2002 ausgestrahlt).

Um den fließenden Übergang von The Practice zu Boston Legal verstehen zu können, sollte man sich bei Kennern der Materie belesen. Sehr zu empfehlen ist hier ein Review zu Boston Legal des serienjunkies.de-Redakteurs Christian Junklewitz.

Einer der beiden Hauptprotagonisten in Boston Legal ist der junge Anwalt Alan Shore (James Spader). Arrogant, eloquent, selbstgefällig und skrupellos entspricht er perfekt dem negativen Stereotyp des gewissenlosen Anwalts. Alan biegt und bricht das Gesetz wo er nur kann, er lügt, besticht, schüchtert ein. Frauen sind für ihn Objekte, zu denen er keine feste Bindungen einzugehen in der Lage ist, die aber immer wieder auf seinen Charme und seine verbale Schlagfertigkeit hereinfallen.

Eigentlich also eine durch und durch unsympathische Figur. Doch Alan hat auch noch eine andere Seite, wenn er sich z.B. für die Schwachen einsetzt. Sich selbst als Underdog wahrnehmend zeigt er sich solidarisch mit Mitmenschen die ebenfalls ein Leben als Underdog in der Gesellschaft fristen. Ob er seine Ex-Freundin aus der Psychiatrie boxt (obwohl diese dort ist, weil sie ihn mit dem Auto überfahren wollte), einem Hypochonder zum Sieg über seinen Arzt der ihn ausgenommen hat verhilft oder einem schwarzen Mädchen die Rolle eines weißen Mädchens in einem Musical verschafft (obwohl das schwarze Mädchen nicht wegen seiner Hautfarbe sondern wegen seiner Körperfülle abgelehnt wurde), Alan hat ein Faible für Ausgegrenzte und Unterdrückte. Dennoch ist er natürlich kein Robin Hood, kein Gutmensch, auch das wird immer wieder mehr als deutlich.

Alans in der Regel hoffnungslos unterlegener Gegenspieler innerhalb der Kanzlei ist Brad Chase (Mark Valley). Während Alan den Rebell und Underdog mimt, ist Brad der Saubermann, der die Linie der Kanzleiführung klar befolgt und aufpassen soll, daß das der Rest auch so macht. Obwohl Brad rein optisch maskuliner wirkt -- er hat ein markantes Gesicht, breite Schultern, etc. -- ist er bei weitem nicht so ein Womanizer wie der schmalbrüstige Alan. Auch in Sachen verbaler Schlagfertigkeit reicht er an Allan nicht heran, der immer einen entwaffnenden Spruch auf den Lippen hat. Viel mehr zieht Alan ihn als "Ken" (in Anspielung auf Barbies gleichnamigen Freund) und wegen seines Zu-schnell-redens immer wieder auf. Das ist eines der bemerkenswerten Merkmale der Serie: Das selbstsicher auftretene "Alphamännchen" ist nicht der Typ mit dem breiten Kreuz, dem idealtypisch schönen Gesicht und den Muskeln, sondern der schmächtige aber rhetorisch begnadete Typ.

Die zweite Hauptfigur ist neben Alan Shore allerdings Denny Crane (William Shatner). Denny Crane ist ein etwas in die Jahre gekommener Staranwalt und Seniorpartner in der Kanzlei. Den Zenit seines Schaffens überschritten muß sich Denny mit den Problemen des Älterwerdens herumplagen. Er ist vergeßlich, planlos und oft ein wenig desorientiert, man könnte auch sagen, er wird langsam senil. Was ihm bleibt, ist sein Name, mit dem er zur Legende wurde: Denny Crane! Einige Folgen bestreitet er nur damit, diesen laut auszusprechen, entweder im beisein Dritter oder auch nur für sich selbst. Der Ruf der ihm vorauseilt ist so nachhaltig, daß die Erwähnung seines Namens manchmal wirklich ausreicht. Oft dient sein Aussprechen allerdings auch nur ihm selbst, als letzte Möglichkeit der Selbstbestätigung.

Denny Crane bringt seine Kanzlei durch seine Verplantheit und sein dreistes bis unverschämtes Auftreten immer wieder in Schwierigkeiten. Dies wird bereits in der ersten Folge klar: Der wichtigste Klient der Kanzlei will, daß seine Frau von einem Detektiv überwacht wird, weil er glaubt, daß sie ihn mit jemandem betrügt. Das Problem: Es ist Denny Crane selbst, der mit der besagten Frau in die Kiste steigt. Trotz solcher Eskapaden schafft es die Kanzlei jedoch nicht Denny Crane loszuwerden, weil dieser im richtigen Moment doch immer noch ein Ass aus dem Ärmel schütteln kann und nicht ganz so senil ist, wie alle dachten.

Wenn man überlegt, daß William Shatner in den 60er Jahre als Captain Kirk jahrelang den Bauch einziehen mußte und den heroischen Raumschiffskapitän spielte und dann in den 80ern den toughen Straßencop in der reaktionären Serie "T.J. Hooker" mimte, ist es schon erstaunlich, daß er jetzt im hohen Alter (inzwischen ist er 75) noch zu einer so zwiespältigen und selbstironischen Figur wie die des Denny Crane fähig ist. Dabei spielt er de facto ja nur sich selbst: Einen leicht abgehalfterten Ex-Star, der zwar immer noch seine Glanzmomente hat, ansonsten aber damit beschäftigt ist, das Sinken seines Sterns zu verarbeiten. Und es ist gerade die Figur des Denny Crane, die Boston Legal in den USA zur Kultserie gemacht hat.

Natürlich gibt es neben diesen drei Herren, auch noch drei charmante Damen in der Serie. Diese werden jedoch bereits nach der ersten Staffel ausgewechselt, offenbar waren ihre Rollen nicht nachhaltig genug angelegt. Erst später erscheinen mit Shirley Schmidt (Candice Bergen) und Denise Bauer (Julie Bowen) zwei weibliche Charaktere, die so angelegt sind, daß sie es mit den Herren aufnehmen können.

Insgesamt läßt sich sagen, daß die Serie von ihren absurden Geschichten und den immer etwas skurril bis wundersam wirkenden Figuren lebt. Wer den schnellen verbalen Schlagabtausch liebt und ein Fan von trockenem Humor ist, der wird die Serie ausgesprochen unterhaltsam finden.

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