Samstag, April 15, 2006

Migrationsdebatte in den USA

Nicht nur in Deutschland wird das Thema "Migration / Integration" zur Zeit heiß diskutiert, auch in den USA gibt es eine ähnliche Debatte, Hunderttausende gehen dort auf die Straße, um für die Rechte von Migranten zu demonstrieren. Auslöser für diese Massendemonstrationen war der im Dezember 2005 vom Repräsentantenhaus verabschiedete "Border Protection, Antiterrorism, and Illegal Immigration Control Act":

"Das Repräsentantenhaus hatte im Dezember einen Gesetzentwurf verabschiedet, der alle Möglichkeiten zur Legalisierung der 'Illegalen' ausklammert. Stattdessen wird darin der Schwerpunkt ganz auf eine verstärkte Absicherung der Grenze zu Mexiko gelegt, über die die meisten 'Illegalen' ins Land kommen. Vorgesehen ist in dem Entwurf unter anderem der Bau eines mehr als tausend Kilometer langen Grenzzauns." (SPON)

Konkret geht es im Moment um den Status von gut 11 Millionen illegal in den USA lebender Hispanics, mehrheitlich wohl Mexikaner. Während illegalen Einwanderern in der Vergangenheit von der Regierung immer wieder die Chance gegeben wurde, ihren Status zu legalisieren, offiziell die us-amerikanische Staatsangehörigkeit annehmen zu können, soll es dies in Zukunft nicht mehr oder nur noch eingeschränkt geben. Inzwischen wurde zwischen den widerstreitenden Parteien im Senat ein Kompromiß ausgearbeitet:

"Der Kompromissvorschlag sieht vor, dass solche illegalen Einwanderer, die bereits mehr als fünf Jahre lang in den USA leben, eine bis zu elfjährige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten und sich dann unter bestimmten Auflagen einbürgern lassen können. Wer sich zwischen zwei und fünf Jahren rechtswidrig im Land aufhält, muss ausreisen, kann aber von seinem Heimatland aus die Teilnahme an einem Gastarbeiterprogramm beantragen. Wer weniger als zwei Jahre ohne Papiere im Land ist, kann an diesem Programm nicht teilnehmen." (SPON)

"Der Senatsausschuss gab den Protesten in dieser Hinsicht zwar nach, stimmte allerdings der Aufrüstung und Militarisierung der Grenze zu Mexiko zu. Die derzeit 11.300 Mann starke Grenzpolizei soll bis zum Jahr 2011 verdoppelt werden, um der weiteren illegalen Zuwanderung einen Riegel vorzuschieben." (Telepolis)

Die Mehrheit der Illegalen würde dieser Regelung zur Folge die Möglichkeit bekommen, ihren Status zu legalisieren. Andererseits soll aber eben auch die Grenze zu Mexiko noch stärker als bisher abgesichert werden. Während es zunächst so aussah, als würde sich dieser Kompromiß-Vorschlag des Justizausschusses im Senat durchsetzen, wurde die Abstimmung inzwischen doch wieder verschoben. Der Senat hat sich bis nach Ostern vertagt. Selbst wenn der Senat sich aber auf einen Kompromiß einigt, muß dieser noch mit dem Repräsentantenhaus abgeglichen werden, das eine ungleich härtere Linie gegenüber den Illegalen verfolgt (siehe besagter "Border Protection, Antiterrorism, and Illegal Immigration Control Act").

Während die Demokraten eine eher liberale Migrationspolitik verfolgen und der Legalisierung der Illegalen offen gegenüberstehen, sind die Republikaner mehrheitlich eher für eine restriktivere Migrationspolitik. So kam auch die Mehrheit für besagten Kompromiß-Vorschlag im Justizausschuss des Senats nur zu stande, weil es republikanische Abweichler gab (SPIEGEL), was in den USA durchaus normal ist, da dort die Bindung einzelner Kongreßmitglieder an eine offizielle Parteilinie deutlich schwächer ist als im deutschen Parlamentarismus (so man denn unterstellt, es gäbe in den USA überhaupt so etwas wie eine offizielle Parteilinie). Auch beim "Border Protection, Antiterrorism, and Illegal Immigration Control Act" des Repräsentantenhauses zeigt sich, daß die Republikaner diejenigen sind, die eine härtere Anti-Migrationsposition beziehen: 92% der Republikaner waren für dieses Gesetz, 82% der Demokraten dagegen. Trotz Abweichlern wie z.B. dem republikanischen Senator John McCain (der mit dem Demokraten Ted Kennedy einen liberaleren Entwurf präferiert), sind in beiden Häusern die Republikaner diejenige Fraktion, die in der Migrationspolitik die härtere Linie verfolgt. Dabei können sie auf gut 70% der us-amerikanischen Bevölkerung setzen:

"Gegendemonstrationen gab es am Montag zwar keine, doch sind laut einer jüngsten Umfrage der Tageszeitung Washington Post und des Senders ABC rund 70 Prozent der US-AmerikanerInnen der Ansicht, dass die Regierung zu wenig gegen illegale Migration unternehme. Nur wenige Politiker äußerten ihre ablehnende Haltung am Montag so offen wie der republikanische Abgeordnete John Allen aus Arizona: 'Die Frage ist doch, wann und wie wir die illegale Migration stoppen. Gegenwärtig ist es so, dass du jeden Morgen aufwachst und es sind noch mehr von ihnen da. Es wird so weiter gehen, bis wir endlich eine gesicherte Grenze haben.'" (taz)

Es ist also eine klare Mehrheit der Bevölkerung der Ansicht, es werde von der Regierung nicht genug gegen die illegale Einwanderung unternommen. Überfremdungsängste treten angesichts der Tatsache, daß die Hispanics in vielen Regionen der Südstaaten die dominierende Gruppe werden und gar nicht daran denken sich zu integrieren, immer stärker zu tage. Und das obwohl durchaus klar ist, was für eine zentrale Rolle die illegalen Billiglöhner aus Süd- und Mittelamerika in der US-Ökonomie inzwischen spielen und wie wenig gerade deshalb von offizieller Seite dagegen getan wird:

"Tatsächlich hängen ganze Branchen von den billigen Arbeitskräften ab. Illegale zerlegen Rinder in den großen Schlachthöfen des Mittleren Westens, sie waschen Autos, spülen Geschirr in den Restaurants und pflegen die Gärten in den reichen, weißen Vorstädten. Keine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, kein Drängen auf einen Mindestlohn, keine Krankenversicherung -- Amerikas boomende Wirtschaft liebt die Latinos. Auch die Statistik verrät, dass es so etwas wie eine stillschweigende Übereinkunft zwischen dem Staat und den Flüchtlingen gibt: 2004 wurden gerade mal drei US-Betriebe wegen Beschäftigung von Ilegalen bestraft". (SPIEGEL)

Neben den ökonomischen Gründen gibt es zunehmend auch politische Gründe mit einer eher Anti-Migrations-Haltung vorsichtig zu sein. Die immens großen Teilnehmerzahl an den Demonstrationen gegen eine restriktivere Migrationspolitik sind etwas Neues. Allein an den landesweiten Demonstrationen am zum "National Day of Action for Immigrant Justice" erklärten 10. April nahmen mehrere Huntertausend Menschen teil:

"Die ungewöhnlich großen Zahlen der Demonstrationsteilnehmer - gestern waren es allein in Phoenix, Arizona mehr als 100.000, am Sonntag über eine halbe Million in Dallas, Texas - gehen auf die Organisationsfähigkeiten eines losen Bündnisses aus Kirchengemeinden, Gewerkschaften, Studenten, örtlichen 'community agencies' und nicht zuletzt spanischsprachigen Medien zurück." (Telepolis)

Diese Massendemonstrationen fanden in den letzten Wochen regelmässig statt -- bei gleichbleibender oder gar wachsender Anzahl von Teilnehmern. Die bereits in den Staaten lebenden Hispanics setzen sich für ihre eigene Aufenthalts-Legalisierung ein -- oder für die ihrer Verwandten. Um ein noch stäkeres politisches Gewicht zu bekommen, wollen sie natürlich auch das weitere Hispanics einwandern dürfen. Ein ähnliches Interesse hat die katholische Kirche, für die jeder neue Hispanic ein potentielles Kirchen-Mitglied mehr ist. Auch die Gewerkschaften haben ein Interesse daran, daß der Aufenthaltsstatus der Illegalen legalisiert wird, denn dann werden aus den konkurrierenden, illegalen Billiglöhnern potentielle Gewerkschaftsmitglieder. Die 1,8 Millionen Mitglieder starke Dienstleistungsgewerkschaft SEIU wirbt z.B. massiv bei den Illegalen (Telepolis).

Noch mag eine starke Mehrheit der US-Bevölkerung für eine restriktivere Migrationspolitik eintreten, doch im selben Maße wie die "Hispanisierung" der südlichen Regionen der USA weiter voranschreitet, wird auch der politische Einfluß der Hispanics dort steigen -- spätestens mit dem Erwerb der us-amerikanischen Staatsangehörigkeit und damit der Möglichkeit an Wahlen teilzunehmen. Die Losung auf den Demonstrationen lautet ja nicht zufällig "Hoy marchamos, mañana votamos" ("Heute marschieren wir, morgen wählen wir") und "Somos América" ("Wir sind Amerika").

Auch wenn die Hispanics keine homogene Gruppe sind, teilen sich doch unabhängig von ihren verschiedenen Herkunftsländer mehrheitlich ein paar zentrale politische Ziele. Dazu gehört die Erlangung von Macht und Einfluß, was zu vorderst auch eine entsprechende Wählerklientel voraussetzt. Je mehr Hispanics ins Land kommen, desto mehr von ihnen werden über kurz oder lang auch in politische Ämter gewählt und erhalten damit auch die Option, auf die Migrationspolitik einzuwirken und den Zuzug weiterer Hispanics zu fördern.

Links:

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

SCHATZ BITTE!

ich hab bislang nur die überschrift gelesen und muss adden:

IM IM IM IM IM IM

:D