Samstag, September 24, 2005

Bundestagswahl 2005 Teil 7 -- Die Israel-Variante bzw. das Job-Sharing-Modell

Nachdem am Freitag die Möglichkeit einer Jamaika-Koalition erst mal geplatzt ist, weil bei Sondierungsgesprächen zwischen CDU/CSU und den Grünen offenbar kein Ansatz gefunden wurde, wie man vielleicht übereinkommen könnte, scheint jetzt alles auf eine große Koalition hinauszulaufen.

Nach wie vor ist hier jedoch die Kanzlerfrage das größe Problem. Sowohl Merkel wie auch Schröder beanspruchen für sich das Kanzleramt. Merkel, weil die CDU/CSU stärkste Fraktion ist, Schröder weil die CDU/CSU deutlich schlechter abgeschnitten hatte als allgemein prognostiziert, während die SPD noch mal stark zulegen konnte und Schwarzgelb keine Mehrheit hat.

Wenn sich beide nicht einigen könnten, bestünde die Möglichkeit, daß einer oder beide von ihrer eigenen Partei abgesetzt werden. Daß also entweder die SPD Schröder zum Rücktritt zwingt, die CDU/CSU Merkel, oder beide zusammen abtreten müssen. Wulff hat einer möglichen Kanzlerschaft inzwischen eine klare Absage erteilt, er stehe für das Amt nicht zur Verfügung. Bliebe der hessische Ministerpräsident Roland Koch der dann anstelle von Merkel Kanzler wird, mit Peer Steinbrück, dem ehemaligen Ministerpräsidenten von NRW, als Vize-Kanzler.

Kommt es zwischen Merkel und Schröder zu keiner Einigung und kann weder der eine noch der andere abgesägt werden, bliebe dann als weitere Möglichkeit einer großen Koalition die so genannte "Israel-Variante", bei der Schröder jetzt zunächst noch zwei Jahre im Amt bleibt und dann von Merkel abgelöst wird.

Die "Israel-Variante" geht begriffsgeschichtlich auf ein Abkommen der Arbeiterpartei und der Likud-Partei in Israel zurück. Von 1984 bis 1986 war damals Schimon Peres von der Arbeitspartei Ministerpräsident und wurde dann für die zweite Hälfte der Legistaturperiode von Jitzhak Schamir von der Likud-Partei abgelöst (Kölner Stadt-Anzeiger). Ein ähnliches Rotationsmodell könnten jetzt auch Merkel und Schröder vereinbaren.

Schröder könnte damit vermutlich sehr gut leben, er könnte jetzt noch zwei Jahre bis 2007 regieren und würde dann ohne Wahlniederlage oder Rücktritt einfach in den Ruhestand gehen und wie vereinbart Merkel das Zepter überlassen.

Schwieriger könnte es da schon für Merkel werden: Wie soll sie sich, jetzt wo sie ohnehin schon angeschlagen ist, noch zwei Jahre an der Spitze ihrer Partei halten können ohne Kanzlerin zu sein? Wäre die Wahrscheinlichkeit nicht relativ hoch, daß früher oder später jemand wie Wulff oder Koch nach vorne drängt und sie ablöst? Ein kleiner Fehler ihrerseits würde doch dafür schon reichen. Dann würde die CDU/CSU 2007 zwar den Kanzler stellen, aber der hieße vermutlich nicht Merkel. Ob sich "Angie" also tatsächlich für eine solche Lösung breitquatschen läßt?

Zudem das Zugeständnis Schröder noch zwei Jahre regieren zu lassen dem Eingeständnis der Union gleich käme, nicht sie, sondern die SPD sei der eigentliche Gewinner dieser Wahl. Und was, wenn es sich die SPD 2007 anders überlegt? Dann sprengt sie die Koalition, es gibt wieder vorgezogene Neuwahlen und es wird wieder nichts mit der Kanzlerschaft für die Union. Es sei denn natürlich, sie gewinnt die Neuwahlen. Okay, sagen wir, es gibt bereits 2007 wieder Wahlen, würde die CDU/CSU dann erneut Merkel aufstellen? Vermutlich nicht. Merkel muß klar sein, daß ihre Chancen nicht unbedingt wachsen jemals Kanzlerin dieses Landes zu werden, wenn sie jetzt Schröder seinen Thron läßt.

Aber warum unbedingt die "Israel Variante"? Es gibt ja auch noch andere Formen des Job Sharing Modells. Claudia Kissling macht den -- sicherlich nicht ganz ernst gemeinten -- Vorschlag, Merkel und Schröder könnten sich ihre Stelle doch teilen. Der eine arbeitet vormittags, der andere nachmittags. So hätten beide mehr Zeit für ihre Familie und bei den Bezügen könnnten sie auch jeweils nur von der Hälfte eines Kanzlergehalts leben. Schröder würde sich außenpolitisch mehr um Chirac und Putin kümmern, Merkel mehr um Bush und Blair. Innenpolitisch nimmt Merkel die Termine mit der Wirtschaft wahr, Schröder die mit den Gewerkschaften, usw. Die perfekte Arbeitsteilung eben :p.

Links:

- Union und Grüne beerdigen Schwampel, in: SPON, 23.09.05
- Christian Wulff lehnt Kanzlerschaft ab, in: SPON, 24.09.05
- Wahl 2005, Überblick: Parteien und Bündnisse, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 20.09.05
- Claudia Kissling: Wie wär's mit Job Sharing? in: Telepolis, 21.09.05

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