Mittwoch, September 21, 2005

Bundestagswahl 2005 Teil 4 -- Jamaika- vs. Kongo-Koalition

Die Schwierigkeiten bei der Bildung einer großen Koalition brachten kurz nach der Wahl auch eine Koalition in Reichweite, die vor der Wahl wohl von den meisten als völlig irreal abgetan worden ist: SchwarzGelbGrün, also eine schwarze Ampel, kurz "Schwampel" genannt.

Dana hat bereits zurecht darauf hingewiesen, daß "Schwampel" ein ziemliches Unwort ist. Zum Glück hat irgend jemand die alternative Bezeichnung "Jamaika Koalition" ins Spiel gebracht. Wikipedia weist als begriffgeschichtlichen Ursprung dieser Bezeichnung die CDU Dormagen aus, wo ein gewisser Reinhard Hauschild sie zum ersten Mal am 7. Oktober 2004 nachweislich gebrauchte. Jamaika ist hier eine Anspielung auf die Farben der jamaikanischen Flagge: schwarz, gelb und grün.

Um diese Jamaika-Koalition ist innerhalb von nur 48 h ein regelrechter Medienhype entstanden, nicht zuletzt, weil es offenbar "hip" erscheint eine Regierung zu haben, die mit einer Karibikinsel assoziiert werden kann. Jamaika steht klischeehaft nicht nur für einen lässigen Lebensstil und Rastalocken, sondern auch für den Konsum von Gras. Da sowohl FDP wie Grüne sich für die Legalisierung von Cannabis-Produkten einsetzen, würde das also ganz gut passen :p.

Der eigentliche Reiz einer Jamaika-Koalition besteht aber wohl darin, daß sie im Moment realistischer erscheint, als eine Ampel. Während die FDP stoisch die Beteiligung an einer Rotgrünen-Koalition ausschließt, ist sie wohl der Schwampel nicht abgeneigt. Jedenfalls hat man hier Gespräche nicht kategorisch abgelehnt, diese müßten dann aber von Frau Merkel initiiert werden. Im Unionslager traten bisher besonders der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber und der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf öffentlich für entsprechende Gespräche ein. Bei den Grünen ist man unentschlossen, einerseits will man nicht zum Steigbügelhalter einer neoliberalen Politk von Schwarzgelb werden, gegen die man ja angeblich angetreten war. Andererseits erscheint vielen Grünen eine solche Variante wohl doch angenehmer, als zurück auf die Oppositonsbank gehen zu müssen und einer übermächtigen großen Koalition gegenüber zu sitzen.

Bei den Grünen erklärten sich allen voran Renate Künast und Oswald Metzger zu Gesprächen mit Union und FDP bereit, während andere wie Christian Ströbele davor warnten, eine Jamaika-Koalition könne zu einem "Bermuda-Dreieck" werden, in dem die Grünen sang- und klanglos verschwinden würden. In der Tat würde eine Beteiligung an einer Schwampel-Koalition die Grünen der linken Parteiklientel wohl noch mehr entfremden, als das in 7 Jahren Rotgrün nicht ohnehin schon geschehen ist. Joachim Raschke spricht demgegenüber von der "historischen Chance" der Grünen mit der Jamaika-Koalition "eine Synthese breiter gesellschaftlicher Interessen" zu vollziehen. Die Frage bleibt dennoch, ob die Grünen als Partei innerhalb dieser "Synthese" dann nicht marginalisiert werden.

Käme es zu einer Jamaika-Koalition, dann vermutlich nur unter größeren Zugeständnissen für die FDP und die Grünen, so daß diese ihr Profil wahren können und nicht nur als Sidekicks der CDU/CSU angesehen werden. Es ist jedoch fraglich, ob die Union dafür bereit ist. Davon mal ganz abgesehen sind Koaltionsverhandlungen zwischen drei Beteiligten in der Regel immer noch komplizierter als solche mit nur zwei Beteiligten. Die Jamaika-Koalition wäre etwas ganz neues, Schnittmengen zwischen den Koalitionspartner müßten erst mal "gesucht werden".

Der Hype um die Jamaika-Koalition führte auch zur sporadischen Umbenennung anderer Koalitonen. So erklärte Stefan Raab die Ampel-Koalition zur "Kongo-Koalition", weil die Farben der Kongo-Flagge rot, gelb und grün sind. Dagegen sei ja wohl nichts einzuwenden, schließlich könne Deutschland froh sein, wenn es die Wachstumsrate des Kongos hätte. Das war wohl ironisch gemeint und erntete viele Lacher, ist tatsächlich aber die Realität: die Republik Kongo (nicht zu verwechseln mit der Demokratischen Republik Kongo, die eine ganz andere Flagge hat!) hatte laut Auswärtigem Amt im Jahr 2000 eine Wirtschaftswachstums-Rate von 8%, Deutschland im selben Jahr nur 3%. Im Jahr 2003 konnte die Republik Kongo dann nur noch 2% Wachstum ausweisen, selbst damit lag sie aber vermutlich höher als Deutschland im selben Jahr. Schönes Beispiel, wie bei TV Total Unterhaltung auf Basis von Bildungslücken funktioniert ;).

Doch ist die Kongo-Koalition tatsächlich eine Alternative zur Jamaika-Koalition? Während Westerwelle Gespräche für eine Schwampel zumindest nicht ausschließen will, gibt es von Seiten der FDP weiterhin ein klares Nein zur Ampel. Offenbar will die FDP auf keinen Fall ihrem Image als "Umfallerpartei" gerecht werden. Wechseln dagegen die Grünen von Rot nach Schwarzgelb, wären sie die "Umfaller", womit sie offenbar deutlich weniger Probleme haben als umgekehrt die FDP. Falls Schröder mit seiner Siegesgewißheit am Wahlabend darauf spekulierte, die FDP würde doch noch einknicken, scheint er sich getäuscht zu haben. Er kann letztlich nur auf eine große Koalition unter seine Führung hoffen, weil eine Ampel im Moment weiter entfernt denn je erscheint und bei einer Schwampel die SPD ja ohnehin auf die Oppositonsbank müßte.

Links:

- Dana wählt "Schwampel" in ihrem MSN Space zum Unwort
- Wikipedia-Eintrag zur Jamaika-Koalition
- Übersicht der "Cannabis-Poltik" der FDP
- Übersicht der "Cannabis-Politik" der Grünen
- FDP und Grüne wollen sich teuer verkaufen, SPON, 20.09.05
- Joachim Raschke: Der Kompromiss, taz, 20.09.05
- Wikipedia-Eintrag zur Republik Kongo
- Wikipedia-Eintrag zur Demokratischen Republik Kongo
- Informationen zur Republik Kongo beim Auswärtigen Amt

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