Samstag, April 02, 2005

Zur Gefahr von Unwissen in der Demokratie, Teil 2

Teil 2 -- Notwendigkeit und Unvermögen zwischen Meinung und Tatsache zu differenzieren

Was senorita vermutlich so stört, ist der Umstand, ständig mit ansehen zu müssen, wie irgend welche Personen ihre Meinungen kund tun, obwohl sie von dem Sachverhalt eigentlich keine Ahnung haben, z.B. weil ihn einfach das entsprechende Hintergrundwissen fehlt. Und sein wir doch ehrlich, Meinungsfreiheit hin oder her, wer kann denn behaupten, daß es ihn nicht manchmal annervt, irgend jemand über ein Thema quatschen zu sehen, von dem man selbst mehr Ahnung hat als dieser jemand?

Sicher, Meinungsfreiheit bedeutet, daß man akzeptieren muß, daß jemand unter Umständen auch eine andere Meinung hat, als man selbst. Problematisch wird es, wenn in einer Gesellschaft nicht mehr zwischen subjektiven Meinungen und objektiven Tatsachen differenziert wird. Ich kann, z.B. die Meinung vertreten, daß die Erde eine Scheibe ist. Es ist mein verbrieftes Recht, diese Meinung zu vertreten. Nur richtiger wird sie dadurch auch nicht.

Meine These ist, daß es einen Trend dahingehend gibt, daß einerseits zunehmend mehr Personen zwar ihr Recht auf eine freie Meinungsäußerung betonen, sich aber andererseits wenig dafür interessieren, ob diese Meinung auf nachweisbaren Fakten beruht. Die Faktizität wird durch die Meinung ersetzt und damit einer Beliebigkeit ausgesetzt.

Klassisches Beispiel: die Bush-Administration sagt, der Irak hätte Massenvernichtungswaffen. Es wurden aber trotz gründlicher und langer Suche keine gefunden. Das ist nicht eine x-beliebige Ansicht, sondern eine Tatsache. Trotzdem vetraten noch unmittelbar kurz vor den Präsidentschaftswahlen 72% der Bush-Anhänger die Ansicht, der Irak hätte Massenvernichtungswaffen gehabt (Quelle, siehe Link zu Telepolis-Artikel unten). Dabei konnte man zu diesem Zeitpunkt in jeder Zeitung nachlesen, daß dem nicht so war. Selbst Pro-Bush-Medien haben das irgendwann einräumen müssen. Dennoch bleibt die Mehrheit bei einer anderen Ansicht. Denn als Fakt wird nur noch anerkannt, was der eigenen politischen Ansicht entspricht. Dieser Effekt ist nicht neu, doch er nimmt zunehmend immer gefährlichere Dimensionen an. Denn wenn es nur noch um die eigene subjektive Ansicht geht und nicht mehr darum ob diese auch objektiven Tatsachen entspricht, dann ist der Rückfall in alte Zeiten nicht fern.

Jeder hat eine Meinung und trägt sie mit stolz geschwellter Brust vor sich her. Und wenn ein anderer die besseren Argumente hat, über mehr Hintergrundwissen aufgrund eines höheren Bildungsstandes verfügt, seine Ansicht mit Fakten untermauern kann -- es spielt keine Rolle, denn man hat ja seine eigene Meinung und bleibt auch dabei, komme was da wolle.

Links:

- "Bush-Anhänger zeichnen sich durch Realitätsausblendung aus", Telepolis-Artikel, 23.10.04

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