"Die Fiselofin" bricht in ihrem neusten, lesenswerten Blog-Eintrag eine Lanze für sog. Geeks. Der Begriff "Geek" ist ähnlich wie der Begriff "Nerd" schwer zu fassen, ursprünglich war es eine abwertende Bezeichnung für Schul-Streber, für Freaks, "Mathegenies", "Fachidioten", eben Personen die durch die Fixierung auf eine bestimmte Sache und durch ihre hohe Intelligenz irgendwie aus dem Rahmen fallen und als "uncool" gelten. Oft wird Geeks eine unterentwickelte Sozialkompetenz unterstellt, sie sind daher gesellschaftlich "geächtet".
Wie so manch anderer ursprünglich abwertend gemeinter Begriff, hat "Geek" heute aber auch eine positive Bedeutung. Personen bezeichnen sich inzwischen selbst stolz als Geeks, wenn sie z.B. den ganzen Tag vor dem Computer Online-Rollenspielen spielen oder als Klingonen verkleidet auf StarTrek-Convention über die Serie fachsimpeln. Die Fiselofin weist zurecht daraufhin, daß wir heute viele Errungenschaft ohne Geeks gar nicht hätten, wie z.B. einige kultige Zeichentrickserien. Denn das Geektum beinhaltet oft auch einen hohen Grad an Individualismus, aus dem heraus dann erst etwas neues entstehen kann.
Ich möchte den Diskurs um Geeks hier um eine weitere wesentliche Komponente erweitern, die die Fiselofin nicht erwähnt: Das sog. Asperger-Syndrom oder auch "Geek-Syndrom", unter dem angeblich nicht wenige Geeks leiden. Das Asperger-Syndrom ist verkürzt gesprochen eine Art abgeschwächter Autismus. Asperger Patienten sind nicht gänzlich in sich gekehrt wie Autisten, im Gegensatz zu letzteren ist ihnen eine reguläre Kommunikation mit der Außenwelt noch möglich.
Asperger Patienten zeichnen sich im wesentlichen durch drei Dinge aus:
1) Eine Gefühlsblindheit, die es den Patienten nahezu unmöglich macht, mit ihren Mitmenschen zu fühlen oder deren Verhalten auf einer emotionalen Ebene zu verstehen. Sie denken oft in rein rationalen, logischen Bahnen und haben daher Probleme Prozesse nachzuvollziehen, die nicht auf diesem rationalen, logischen Level ablaufen.
2) Daraus ergibt sich eine starke Kontaktstörung. Personen die am Asperger-Syndrom leiden, verfügen oft nicht über das, was man heute unter dem Stichwort "soziale Kompetenz" zusammenfäßt. Also die Fähigkeit mittels Kommunikation mit der Umwelt zu interagieren, Bindungen und Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen.
3) Asperger Patienten, umgangssprachlich auch einfach "Aspies" abgekürzt, sind in der Regel in technischen, naturwissenschaftlichen und mathematischen Fachgebieten überproportional vertreten, hier erbringen sie überdurchschnittlich hohe berufliche wie akademische Leistungen. In geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachrichtungen wird man Aspies dagegen eher weniger antreffen.
Diese Definition des Asperger-Syndroms ist etwas vereinfacht und verkürzt, wer's genauer wissen will kann z.B. bei Wikipedia nachlesen (Link siehe unten).
Nicht jeder Geek ist ein Aspie, nicht jeder Computernerd ein Sozialphobiker. Aber es finden sich unter Asperger Patienten sicherlich überdurchschnittlich viele Geeks. Personen bei denen Asperger diagnostiziert wurde oder die sich selber einfach als Aspie bezeichnen, weil sie die Symptome bei sich zu erkennen glauben, empfinden das oftmals nicht als Makel oder Krankheit, sondern ganz im Gegenteil als Errungenschaft, als "Gabe". Sie definieren sich selbst positiv über ihre Andersartigkeit. Bei anderen hingegen steht eher ihr Leiden im Vordergrund. Das Unvermögen sich anpassen zu können, kann auch frustrierend sein.
Bei Autismus weiß man heute, daß die genetische Prädisposition eine entscheidene Rolle spielt. Es wird daher offen gemutmaßt, ob nicht in Gebieten wo viele Geeks zusammenleben (wie z.B. dem Silicon Valley) eine regelrechte "Aspie-Epidemie" ausbrechen könnte. Wenn beide Elternteile nur leichte Autismus- oder Asperger-Symptome haben, dann treten sie beim Kind umso deutlicher hervor. Eindeutige, wissenschaftliche Beweise anhand von Studien gibt es dafür allerdings nicht (genaueres dazu unter den unten verlinkten Telepolis-Artikeln).
Die Fiselofin schreibt, daß man Geeks auch allein schon deshalb mehr Anerkennung zukommen lassen sollte, weil sie in unserer immer weiter technisierten Gesellschaft zunehmend an Macht gewinnen, sie sein die "heimlichen Herrscher dieses Planeten". Natürlich etwas übertrieben, aber da ist schon etwas wahres dran. In dem Maße wie Technik -- oder besser formuliert, das einwandfreie funktionieren der Technik -- unseren Alltag beherrscht, nimmt auch der Einfluß der bisher belächelten "Fachidioten" zu.
Betrachtet man diese Entwicklung jetzt vor dem Hintergrund, daß viele Geeks am Asperger-Syndrom leiden, daß sie sich durch soziale, emotionale Dysfunktionen auszeichnen, birgt das eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Ein Aspie auf dem Egotrip, seinem Tunnelblick verfallen, unfähig über soziale Prozesse zu reflektieren, ist aus gesellschaftlicher Sicht ein Alptraum, wenn er und seine "Kaste" durch ihr Wissen und ihre Bedeutung zunehmend Macht akkumulieren.
Natürlich überzeichne ich das hier jetzt etwas, dennoch denke ich, daß es aus gesellschaftstheoretischer Sicht nicht unbedingt nur von Vorteil ist, wenn hardcore-individualistische Technik-Aspies, welche Geschehnisse in ihrer Umwelt nur eingeschränkt erfassen können, zu den "heimlichen Herrschern" unseres Planeten aufsteigen.
Lesenswert zu diesem Thema:
- Wikipedia-Definition des Asperger-Syndroms
- Die Geek-Autismus-Connection, Telepolis, 25.03.02
- Ups... falscher Planet!, Telepolis, 31.10.02
- Autisten haben weniger Quecksilber im Haar, Telepolis, 22.06.2003
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