Freitag, Oktober 01, 2004

Wie Gore Vidal aus Charlton Heston einen schwulen Ben Hur machte

Heute habe ich mal wieder ein Interview mit dem us-amerikanischen Intellektuellen Gore Vidal im Tagesspiegel gelesen. Es ging um die Bush-Administration und wie furchtbar sie ist, inhaltlich ziemlich langweilig.

Doch erinnerte mich das an ein etwas älteres Vidal-Interview, welches ebenfalls im Tagesspiegel erschien. Damals besuchten die Redakteure Vidal in seinem Haus in Italien. Es war das Jahr 2000 und der mit Gore Vidal verwandte Al Gore schickte sich an, US-Präsident zu werden. Das hat nicht geklappt wie wir wissen. Das Interview mit Vidal zählt trotzdem zu den herrlichsten die je im Tagesspiegel erschienen sind. Hier einige Auszüge:

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tagesspiegel: Romane, Essays, Drehbücher und Ihre historischen Geschichten: Was, würden Sie sagen, ist das Erbe von Gore Vidal?

Gore Vidal: Wenn durch einen glücklichen Zufall die Menschheit in 100 Jahren noch existiert, und wenn durch einen weiteren Zufall die gesamte Literatur verschwunden wäre, außer meinen etwa 60 Büchern - dann könnte man ganz gut nachvollziehen, worüber wir nachgedacht haben, vom 5. Jahrhundert bis hin zu George W. Bush.

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tagesspiegel: Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte bei Ihnen Urlaub machen.

Gore Vidal: Die italienische Regierung fragte, ob ich für sehr viel Geld zehn Tage lang ausziehen könne, für einen bedeutenden Staatsgast. Ich habe abgelehnt, ich wollte nicht aufräumen. Ich sah später in der Zeitung, dass Schröder in genau diesen zehn Tagen im Nachbarort war. Er hatte etwas an der Hauptstraße gefunden, auch nicht schlecht.

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tagesspiegel: Sie sollen Heston, als Drehbuch-Schreiber des Films [Ben Hur], heimlich Zitate aus der Schwulen-Szene in seinen Text geschrieben haben.

Gore Vidal: Sehen Sie dieses braune Buch da im Regal? Eine ganz fürchterliche Biografie über mich, die gerade erschienen ist. Ich kann nicht ertragen, darin zu lesen. Können Sie das Buch nehmen? Suchen Sie die Seiten mit Heston, dort ist die Korrespondenz zwischen dem Produzenten des Films und mir abgedruckt.

tagesspiegel: Auf welcher Seite?

Gore Vidal: Seite 342 etwa. Jedenfalls habe ich in seinen Dialogen eine zweite, homoerotische Ebene eingebaut, und er hat nichts kapiert. Lesen Sie die Stelle bitte vor!

tagesspiegel: "Lieber Gore, Du hättest sehen sollen, wie Charlton all diese hübschen Jungs umarmen musste in einer Szene! Alle am Set mussten die ganze Zeit lachen, nur er merkte nichts. Schade, dass Du nicht mehr hier bist. Du hättest Dein Vergnügen daran gehabt."

Gore Vidal: Hmm, aah, köstlich. Charlton Heston ist ein Witz, aber heute ist er ein gefährlicher Witz. Er ist Vorsitzender der National Rifle Association, der mächtigen Waffen-Lobby in den USA. Er repräsentiert den neuen amerikanischen Faschismus. Es gibt heute etwa 210 Millionen Schusswaffen im Privatbesitz in unserem Land, auf jeden Einwohner fast eine Waffe.

(...)

Das komplette Interview kann man hier nachlesen.

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