Samstag, Juli 17, 2004

medienkritik vol. 3 -- das fallbeispiel sabine christiansen

walter van rossum beschäftigt sich in seinem ursprünglich in der frankfurter allgemeinen sonntagszeitung erschienenden artikel mit sabine christiansen. das ist sein lieblingsthema zu dem er bereits ein buch veröffentlicht hat. van rossums these ist, daß in der sendung von christiansen beständig verschiedene reformvorschläge vorgestellt werden, zu denen die teilnehmenden talk-gäste in wahrheit gar keine unterschiedliche ansichten vertreten:

(...) Sabine Christiansen funktioniert als eine Tonspur in der Endlosschleife mit den stets gleichen Figuren, die bloß unterschiedliche Namen tragen. Transkribierte man die Palavermasse - 98 Prozent des Wortumsatzes ließe sich keiner Person oder einem eigenen Programm zuordnen. Heinrich von Pierer, Friedrich Merz, Wolfgang Clement mögen sich genetisch unterscheiden, rhetorisch tun sie es nicht (...)

es geht also darum, daß nicht wirklich alternativen zu bestimmten konzepten diskutiert werden, sondern die vorgestellten alternativen alles nur schein-alternativen sind. aus diesem mißstand leitet van rossum nun die these ab, daß das eigentliche problem in deutschland die "intellektuelle verfassung der öffentlichkeit" ist:

(...) Der vordringliche Sanierungsfall im angeblichen Sanierungsgebiet Deutschland ist die intellektuelle Verfassung der Öffentlichkeit (oder ihres medialen Simulakrums) selbst. Das Zentralkomitee der Sabine-Christiansen-Demokratie wird irgendwann an den Folgen jahrelangen Inzests eingehen (...)

unterm strich geht es nach meinung van rossums bei christiansen lediglich darum, daß allwöchentlich "die wünsche der chefetage ans volk durchgereicht" werden:

(...) Das Weltbild, das bei Sabine Christiansen zusammengeplappert wird, ist nicht neu und keineswegs exklusiv. Es ist nicht einmal besonders "deutsch". Doch im Sendegebiet der deutschen Kampfzone dürfte es keine politische Talkshow geben, die auf ähnliche Weise die Wünsche der Chefetage ans Volk durchreicht - und dabei eine unschlagbare journalistische Unbedarftheit an den Tag legt (...)

frotzelnd beendet van rossums seinen artikel mit den sätzen:

(...) Bei Sabine Christiansen staut sich der dräuende Fluß der Zeit zu einem schier uferlosen Teich. Alle Aktualität gerinnt zu kleinen Ewigkeiten. Jedes dieser hochartifiziellen Gespräche über angeblich hochbrisante Aktualitäten hätte (wie die vertauschte Neujahrsansprache von Helmut Kohl) auch ein Jahr früher oder später stattfinden können. Allenfalls beiläufige Requisiten der Zeitgeschichte müßten angepaßt werden. Sabine Christiansen arbeitet Themen und Probleme in universelle Erzählstrukturen um - in Sagen, Legenden, Komödien, Tragödien, in Heldenepen und immer in ihr eigenes Märchen von dem armen Mädchen, die zur Chefsekretärin des Juste-milieu wurde, weil sie furchtlos eklige Politiker zu küssen wagte.

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