Freitag, Juli 16, 2004

medienkritik vol. 2 -- das ende der kritik

norbert bolz, professor für medienwissenschaften an der technischen universität berlin, hat für den kulturspiegel einen artikel mit dem titel "warum denken unmodern ist" verfaßt, in dem er beschreibt wie in den massenmedien diskussionen durch emotionen verdrängt werden, wie kritik durch moral ersetzt wird:

(...) Moderne Streitkultur, der Stolz der westlichen Welt, hat sich längst in Talk aufgelöst; und dieser nimmt neuerdings einen Aggregatzustand an, den man als neue Flauschigkeit bezeichnen könnte. Wir haben es offensichtlich mit einer Devolution vom aufgeklärten Streit, der soziale Konflikte artikuliert, zum Geschwätz der Talkshows und schließlich zur Schmusewelt des Politainment zu tun. Die Diagnose lautet ganz einfach: Ende der Kritik.

In der von den Massenmedien formatierten Öffentlichkeit wird Kritik durch Moralisierung ersetzt. Statt über die komplexen Sachverhalte der modernen Welt zu diskutieren, erspart uns der einfache Code der Moral, nämlich Loben oder Tadeln, das Nachdenken. Loben heißt konkret Marketing. Das Tadeln wird als Skandal inszeniert. Bücher, Theateraufführungen und Ausstellungen werden nicht mehr kritisch rezensiert, sondern enthusiastisch angepriesen. Die Folge: Elke Heidenreich hat mit ihrer Wohlfühl-Literatursendung "Lesen!" mehr Einfluss auf die Bestsellerlisten, als dem lautstark diskutierenden "Literarischen Quartett" von Marcel Reich-Ranicki je vergönnt war (...)

im folgenden stellt bolz u.a. information und kommmunikation gegeneinander. der mensch strebe weitaus stärker nach kommunikation, als nach information, da ihn letztere verunsichere. kommunikationen verleihen ihm dagegen durch redundanz und resonanz sicherheit:

(...) Das Internet und das Fernsehen präsentieren Information als Fetisch und Kommunikation als Kult - man denke nur an Talkshows und Chatrooms. Nicht was, sondern dass geredet wird, zählt, und je mehr, desto besser. Kommunikative Lust hat mit Information nichts zu tun. Es geht um Geschwätz, Dabeisein - "Hallo, ich bin's ..." Kein Mensch strebt, Aristoteles zum Trotz, von Natur aus nach Wissen. Und außer einigen Geschäftsleuten und Wissenschaftlern will auch niemand ständig Informationen abrufen. Informationen verunsichern nämlich. Kommunikationen dagegen verleihen Sicherheit, und zwar gerade durch das Gegenteil von Information: Redundanz, Resonanz - kurz: Geschwätz (...)

im letzten artikel dieser kleinen trilogie hier geht es um einen artikel von walter van rossum, der am fallbeispiel der talkshow "sabine christiansen" zu verdeutlichen versucht, daß der kern der deutschen krise in der intellektuellen verfassung der öffentlichkeit zu suchen ist.

Keine Kommentare: