Mittwoch, Februar 27, 2008

Das Fleisch der Wassermelone

"Das Fleisch der Wassermelone" (int.: "The Wayward Cloud", orig.: "Tian bian yi duo yun") ist eine taiwanesische Erotikkomödie des chinesisch-malaiischen Regisseurs Tsai Ming-Liang. Im Jahr 2005 wurde der Film auf der Berlinale mit drei Preisen ausgezeichnet, so daß er jetzt Mitte Februar zum ersten Mal von ARTE im Zuge des Berlinale-Begleitungsprogramms im Fernsehen ausgestrahlt wurde und kommenden Sonntag wiederholt wird.

"Das Fleisch der Wassermelone" spielt im Taipeh der Gegenwart, es ist Sommer, brütend heiß und ganz Taiwan leidet unter Wassernotstand. Inzwischen sind mehr Wassermelonen als Wasser vorhanden, weshalb die Regierung die Bevölkerung dazu auffordert, soweit möglich lieber den Saft von Wassermelonen zu trinken.

Und tatsächlich spielen Wassermelonen dann auch eine tragende Rolle im Film -- wenn auch nicht primär als Durstlöscher. Gleich in einer der ersten Szenen sieht man den Hauptdarsteller Lee Kang-Sheng als Pornoakteur Hsiao Kang wie er exzessiv eine halbe Melone leckt und fingert, die sich sein weiblicher Counterpart ("die Japanerin") zwischen die Schenkel geklemmt hat. Und ähnlich zieht sich der Einsatz von Melonen dann auch durch den Rest des Films.

Die Figur des Hsiao Kang ist keine Unbekannte im Universum von Regisseur Tsai Ming-Liang (dessen Filme alle aufeinander Bezug nehmen und direkt oder indirekt zusammenhängen). Er tauchte bereits in "What Time Is It There?" (orig.: Ni neibian jidian) auf, dort noch als jemand der Uhren auf der Straße vertickt. Weil sich das nicht mehr lohnt, ist er nun mit einer minimalistischen Filmcrew (Regisseur, Beleuchter, Kameramann, "die Japanerin") zugange, die in der Hitze des Sommers in einem Wohnhaus vom Typ Plattenbau einen Porno dreht.

Wie es der Zufall will, wohnt im selben Wohnhaus auch Hsiaos Ex-Freundin Shiang Chyi (Chen Shiang Chyi), die in "What Time Is It There?" nach Frankreich verschwunden war (soweit ich das aus den Rezensionen rekonstruieren kann) und nun wieder da ist. Wie nicht anders zu erwarten, kommen sich Hsiao und Shiang schnell wieder näher.

Dieser Wiederannäherungsprozeß zwischen Hsiao und Shiang, Hsiaos neue Tätigkeit als Pornodarsteller, die teilweise absurd komischen Improvisationskünste der Menschen im Zeiten von Wasserknappheit und schließlich die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von Wassermelonen -- darum kreist im wesentlichen der Plot des Films. Wobei es Tsai Ming-Liang gelingt, diese Elemente wundervoll zu verweben.

"Das Fleisch der Wassermelone" wird in der Regel als "Erotikkomödie" klassifiziert, was allerdings angesichts der besonders für das deutsche Fernsehen schon recht expliziten Sexszenen stark verniedlichend wirkt. So ist "die Japanerin" am Ende bewußtlos (um mal von der noch harmlosesten Interpretation auszugehen), nachdem sie beim Masturbieren mit einer Wasserflasche den Verschluß der Flasche in den Untiefen ihrer Liebesgrotte verloren hat (ob wirklich das zu ihrem Knockout führte, sei mal dahingestellt).

Doch die Jungs wollen ihren Porno zuende drehen, also hat Hsiao Sex mit der bewußtlosen "Japanerin". Am Ende ejakuliert er jedoch in den Mund von Shiang, die die Szenerie beobachtet hatte und akustisch mit eingestiegen war (sie war eher zufällig an das Filmset geraten, nachdem sie "die Japanerin" bewußtlos im Fahrstuhl gefunden hatte). Solche Szenen wirken natürlich extrem.

Dennoch schafft es Tsai Ming-Liang auch immer wieder groteske Komik einfließen zu lassen, etwa wenn Pornoregisseur und Beleuchter versuchen den oben erwähnten Schraubverschluß der Wasserflasche "wiederzufinden" oder wenn Shiang vor lauter Langeweile mit einer Wassermelone unter dem Hemd eine Schwangere spielt und die Melone nach dem plötzlichen Einsetzen der "Wehen" in einer schier endlos wirkenden Sequenz dann einsam im Treppenhaus "gebiert".

Martin Rosefeldt schrieb 2005 in einer Rezension "Diese Kombination aus schnödem Hyperrealismus (...) und stilisiertem Kitsch, erzeugt eine seltsame Spannung zwischen Komik und Tragik, zwischen Groteske und Melodram, Lakonie und Tristesse. Tsai Ming-Liangs Bilder sind sicher das Mutigste und Witzigste, was der diesjährige Wettbewerb zu bieten hatte und dies ohne jedes pornographisch-sensationalistische Kalkül" (ARTE).

Ob der Film wirklich ohne "jedes pornographisch-sensationalistische Kalkül" daher kommt kann man diskutieren. Diese These wäre insofern zu bejahen, als daß der Film natürlich selbst kein Porno ist, sondern den Dreh eines Pornos auf einer Metaebene veranschaulicht, diesen Vorgang in seinen eigenen Plot einbindet. Zweitens ist selbst das fast nur eine Beiläufigkeit im gesamten Film, denn es geht natürlich nicht nur um den Sex im heißen Sommer, sondern auch um das Setting drum herum.

Auch daß die Dialoge auf ein absolutes Minimum reduziert sind, stört nicht wirklich, da das Handeln der Akteure für sich spricht. Etwas nervig sind hingegen die infantilen Musical-Einlagen, die den Film "leitmotivisch durchziehen" (Rosefeldt), dabei allerdings nur sehr bedingt unterhaltsam wirken. Faktisch sind sie überflüssig. Ansonsten wäre natürlich noch einzuwenden, daß einem Zuschauer dem Tsai Ming-Liangs Werke nicht vertraut sind, sicherlich etliche Anspielungen entgehen.

Insgesamt ist "Das Fleisch der Wassermelone" aber ein sehr unterhaltsamer, tragisch komischer Film, der jedem zu empfehlen ist, der schon immer wissen wollte, wozu Wassermelonen außer zum Verzehr noch gut sein können, und der kein Problem mit einer streckenweise doch recht expliziten Darstellung von Sex hat.

Zu sehen ist der Film auf ARTE am Sonntag den 02.03. (in der Nacht zu Montag) um 0:50 Uhr.

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