Sonntag, Juni 03, 2007

Weeds -- Kleine Deals unter Nachbarn

Seit kurzem läuft jeden Mittwoch auf ProSieben die us-amerikanische Dramedy-Serie "Weeds -- Kleine Deals unter Nachbarn" die man allein schon für ihre Titelmelodie lieben muß. "Little Boxes" ist das bekannteste Stück der Sängerin und Songschreiberin Malvina Reynolds (1900-1978), in dem sie sich über den Konformismus und die Spießigkeit us-amerikanischer, weißer Mittelschicht-Vorstadt-Siedlungen lustig macht:

"Little boxes on the hillside, Little boxes made of ticky tacky / Little boxes on the hillside, little boxes all the same / There's a green one and a pink one and a blue one and a yellow one / And they're all made out of ticky tacky and they all look just the same. / And the people in the houses all went to the university / Where they were put in boxes and they came out all the same, / And there's doctors and there's lawyers, and business executives / And they're all made out of ticky tacky and they all look just the same."

Im Vorspann zur Serie (den man sich bei YouTube ansehen kann) wird zum Song die fiktive Vorstadt "Agrestic" gezeigt, die diesem Klischeebild schon recht nahe kommt. Hier lebt auch die junge Witwe Nancy Botwin, gespielt von Mary-Louise Parker. Nancys Figur weist starke Ähnlichkeiten mit Lorelai Gilmore von den Gilmore Girls auf, konsequenterweise hat sie auch gleiche deutsche Synchronstimme bekommen.

Nancy hat zwei Söhne, den 10jährigen Shane Botwin (Alexander Gould) und den 16jährigen Silas Botwin (Hunter Parrish). Beide leiden sehr unter dem plötzlichen Tod ihres Vaters, aber besonders der jüngere Shane zeigt Verhaltensauffälligkeiten: er legt Feuer, spielt terroristische Entführungsvideos nach und fordert seine Mutter auf, ihm endlich "Drogen" (Antidepressiva) zu besorgen. Für sein junges Alter hat er schon einen recht gesunden Instinkt für Sarkasmus. Sein älterer Bruder Silas droht sich von der Familie zu entfremden, er geht mit seinen Problemen lieber zu der Familie seiner gehörlosen Freundin Megan (Shoshannah Stern, die auch im echten Leben gehörlos ist).

Und als wäre das nicht genug, zieht in Nancys Haus auch noch ihr unreifer Schwager Andy Botwin (Justin Kirk) ein. Andy ist der jüngere Bruder von Nancys verstorbenem Ehemann und gilt als das schwarze Schaf der Familie. Er ist der typische Kiffer, der am liebsten abhängt ohne viel zu tun. Sein Einstieg in die Serie beginnt damit, daß er T-Shirts mit irgendwelchen blasphemischen Sprüchen an der High School seiner Neffen verkauft, was in dem stark christlich geprägten Vorort natürlich sofort für einen Skandal sorgt.

Doch Nancy hat wesentlich größere Probleme, mit ihrem Ehemann hat sie den einzigen Versorger der Familie verloren und weiß nun nicht, wie sie ihre Familie durchbringen soll ohne dabei zeitgleich ihren Mittelstands-Lebensstandard in Agrestic zu verlieren. Die unkonventionelle Lösung: Sie wird die lokale Drogendealerin für Marihuana (im US-Slang "Weed").

Ihren Stoff bekommt sie in einer wesentlich unfreundlicheren Wohngegend in der die beleibte Schwarze Heylia James (Tonye Patano) zusammen mit ihrer Familie lebt, eine lokale Größe im Marihuana-Handel ist und ihr Geschäft vom Küchentisch aus führt. Sie versorgt Nancy mit Stoff und weist sie nach und nach in das Geschäft ein. Dabei ist sie ziemlich unnachgiebig während ihr Neffe Conrad Shepard (Romany Malco) gegenüber Nancy großzügig ist und ihr nach Kräften zu helfen versucht.

Sukzessive weitet Nancy ihr Absatzgebiet aus, sie wird überall da aktiv, wo man normalerweise keine Dealer erwartet, in wohlhabenden Gegenden, in denen es aber trotzdem eine nicht minder hohe Nachfrage gibt. An der lokalen Uni engagiert sie sogar ein paar indische Studenten, die sie für das Weed auf dem Campus absetzen. Dennoch bleibt es nicht aus, daß Nancy bald Probleme mit dem Dealer Alejandro (Vincent Laresca) bekommt, als sie in sein Gebiet eindringt. Da sie jedoch besseren Stoff als er hat, drängt er schließlich auf eine Kooperation und beschützt sie ihm Gegenzug vor anderen Dealern.

Eine weitere wichtige Rolle in Nanycs Leben spielt der Regionalpolitiker Doug Wilson (Kevin Nealon), der Unmengen von Gras konsumiert und einer ihrer größten Abnehmer ist. Er ist aber auch ihr Finanzberater und hilft ihr unter anderem eine kleine Bäckerei als Scheinfirma zu gründen, in der dann neben normalem Gebäck auch ganz "Spezielles" gebacken werden soll.

Nancys beste Freundin ist Celia Hodes (Elizabeth Perkins), die die typisch intrigante, tratschende Vorstadtmutter mimt, aber die Scheinheiligkeit und Spießigkeit der anderen Mütter verachtet. Durch eine Krebserkrankung wird sie noch zynischer und gnadenloser (als ihr Mann sie betrügt, füllt sie ihn mit Schlaftabletten ab und rasiert ihm über Nacht den Schädel).

"Weeds" gehört ins Genre der sog. "Dramedy", also einer Mischung aus Drama und Comedy. Producer und Creator der Serie ist Jenji Kohan, die auch schon an Serien wie "Sex and the City", "Gilmore Girls", und "Will & Grace" mitgewirkt hat. Der Vorteil von "Weeds" gegenüber den "Gilmore Girls" liegt in dem unkoventionellen Plot, das Leben einer alleinstehenden Vorstadt-Mutter zu zeigen, die sich als Drogendealerin versucht. Anders als reine Comedy-Serien wie "Will & Grace" hat "Weeds" dabei auch einen ernsthaften Hintergrund und dokumentiert den Selbstfindungsprozeß einer jungen Mutter, die sowohl den sozialen Abstieg als auch den Gang ins Gefängnis immer vor Augen hat und damit umgehen muß, während sie zeitgleich immer noch ihren verstorbenen Mann betrauert.

In den USA wurde der Serie vorgeworfen den Marihuana-Konsum als zu selbstverständlich darzustellen. Was zeigt, daß man dort immer noch nicht wahrhaben will, daß der Konsum von leichten Drogen wie Marihuana eben nicht nur soziale Randgruppen betrifft, sondern weit in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist. Teilweise ist Marihuana-Konsum eben tatsächlich genauso alltäglich, wie er in dieser Serie dargestellt wird. Auch wird deutlich, daß nicht jeder der leichte Drogen verkauft oder konsumiert ein kiffender Junkie oder schlechter Mensch ist. Sieht man von ihrem illegalen Umgang mit Marihuana ab, sind fast alle dargestellten Charakter gute Menschen, die nur irgendwie versuchen über die Runden zu kommen. Nancy z.B. ist eine gute Mutter, die wirklich tut was sie kann, damit es ihren Söhnen gut geht.

ProSieben strahlt "Weeds" jeden Mittwoch um 22:15 Uhr aus, was ein undankbarer Sendeplatz ist, da auf VOX parallel "Boston Legal" läuft, das eine ähnliche Zielgruppe hat. Wer Interesse an einer unkonventionellen Serie mit witzigen und markanten Dialogen hat und gleichzeitig auch auf einen ernsthaften Hintergrund nicht verzichten möchte, sollte aber auf jeden Fall mal reinzappen.

Nachtrag 13.06.07

Mit dem heutigen Beginn der zweiten Staffel hat Pro7 den Sendeplatz auf 23:10 Uhr verschoben, da die Serie nicht die erhoffte Quote gebracht hat. Was einerseits schade ist, da die Anzahl der Fans mit der Verlagerung ins Spätprogramm nicht unbedingt zunimmt, andererseits aber auch den Vorteil bietet, daß man jetzt vorher um 22 Uhr noch "Boston Legal" auf VOX sehen kann.

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