Mittwoch, März 21, 2007

Der 100-Dollar-Laptop

Der sogenannte 100-Dollar-Laptop ist ein Projekt der gemeinnützigen Gesellschaft "One Laptop per Child" (OLPC). Unter dem Vorsitz des MIT-Professors Nicholas Negroponte wurde ein Laptop für Schüler entwickelt, der kostengünstig, robust und für das E-Learning optimiert ist:

"Der Laptop soll die Grundlage für sogenanntes E-Learning sein, wobei dies in einem weiteren Sinn von den Verantwortlichen verstanden werden soll. Zum einen kann der Laptop als ein Hilfsmedium für den regulären Unterricht verwendet werden (sog. E-Learning bzw. digitale Schulbank), jedoch kann er auch zum Lesen eines Buches (als sog. E-Book) oder als modernes Kommunikationsmittel (netzbasiertes Videogespräch, Telefongespräch, Chat) verwendet werden. Schließlich soll die Verwendung von freier Software, welche die Einsicht in den Quellcode und dessen beliebige Veränderung erlaubt, jedem die Möglichkeit geben, Wissen über die zugrundeliegende Informationstechnologie zu erlangen.

[...] Die Zielgruppe sind Schüler aus Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern. Die durch eine hohe Stückzahl erreichte Verringerung der Produktionskosten (sog. Skaleneffekt), wird unmittelbar an die Abnehmer weitergereicht. Es werden zwar Entwicklungs- und Schwellenländer beim Start der Großproduktion besonders berücksichtigt, aber die Vermutung mancher, dass Industrieländer ausgeschlossen sein könnten, ist falsch.

Es bleibt festzuhalten, dass bei Erfolg dieses Projekts der Prozess der digitalen Spaltung (sog. "digital divide") der Industrieländer gegenüber den Entwicklungs- und Schwellenländer langfristig verringert werden würde. Es wird vermutet: Wer Zugang hat zu modernen Kommunikationstechniken, hat bessere soziale und wirtschaftliche Entwicklungschancen. Somit werden auch positive Impulse für die Entwicklungshilfe auf lange Sicht erhofft." (Wikipedia)

Der Laptop wird nur an staatliche Stellen ausgeliefert, die ihn dann an die Schüler verteilen sollen. Er verfügt über einen AMD Geode 366 MHz, 128 MB Arbeitsspeicher und einen 512 MB Flashspeicher, dem man den Vorzug gegenüber einer vibrationsempfindlichen Festplatte gegeben hat. Das Gehäuse ist besonders robust, regen- und hitzebeständig.


Bild: 100-Dollar-Laptop, Fuse Project, Creative Commons Attribution ShareAlike 2.5 License

Zur Ausstattung gehört auch WLAN (die Antennen sind in die beiden "Hasenohren" integriert), eine Webcam, integriertes Mikrofon und Lautsprecher, zwei Touchpads (wobei eines in Verbindung mit einem Eingabestift verwendet werden kann). Der Bildschirm ist sowohl für den Innen- als auch den Außengebrauch konzipiert, besonderen wert hat man darauf gelegt, daß er auch bei starker Sonneneinstrahlung noch nutzbar ist.

Der Energieverbauch wurde soweit nur irgend möglich minimiert. Die Energieversorgung kann alternativ mittels Zugseil, Handkurbel oder über Pedale erfolgen, was es ermöglichen soll, den Laptop auch in Gebieten ohne Stromversorgung einzusetzen. Ein einminütiges manuelles Aufladen durch Muskelkraft soll die Computernutzung für eine Dauer von ca. 10-20 Minuten ermöglichen.

Als Betriebssystem kommt die Linux-Distribution Fedora zum Einsatz, die Sicherheitsplattform Bitfrost soll in der Lage sein, den Rechner ohne weitere Schutzprogramme sicher zu halten. Der Browser arbeitet mit Gecko-Engine, als Office-Anwendung steht AbiWorld zur Verfügung. Mit "TamTam" steht weiterhin ein Musiksynthesizer zur Verfügung. Außerdem gibt es einen Audio-Player und -rekorder, ein Programm zum Malen, sowie einen Chat- und Email-Client. Auch ein paar zum Miteinander spielen geeignete Games (Tetris, SimCity, etc.) dürfen natürlich nicht fehlen.

Als grafische Benutzeroberfläche (GUI) wurde "Sugar" entwickelt, das stark auf Symbole / Icons setzt und auf Schriftzeichen verzichtet, so daß auch Schüler die der Schriftsprache nicht mächtig sind, mit dem Computer umgehen können. Weiterhin steht mit Squeak eine Open-Source-Implementierung der Programmiersprache Smalltalk inklusive Entwicklungsumgebung zur Verfügung. Mit Hilfe von E-Toys sollen die Kinder das programmieren spielend lernen.

Besonderer Wert wurde auf die leichte Vernetzung der Computer untereinander gelegt. Über ein sogenanntes "mobiles Mesh-Netzwerk" vernetzen sich Laptops die in Reichweite liegen automatisch über WLAN, ohne daß eine manuelle Konfiguration durch einen Administrator nötig wäre. Es reicht an der Schule zudem ein einzelner Rechner mit Internetzugang, die Laptops hängen sich dann übers WLAN ran. "Social networking" soll so gefördert werden.


Bild: 100-Dollar-Laptop im E-Book-Modus, Fuse Project, Creative Commons Attribution ShareAlike 2.5 License

Wie heise.de berichtet, soll der Laptop zwar mindestens 140 statt 100 Dollar kosten, hat aber trotzdem gute Aussichten sich durchzusetzen:

"Noch vor Jahresende soll die erste Million Geräte bei dem taiwanischen Hersteller Quanta Computer vom Band laufen [...] Bevor die Massenproduktion starten kann, müssen mindestens fünf Millionen Laptops verbindlich vorbestellt sein. Bislang hat nur Libyen eine Absichtserklärung unterschrieben. Argentinien, Brasilien, Mexiko und Nigeria scheinen ebenfalls unterschreiben zu wollen, wenn die Geräte wie geplant funktionieren. Sollte das Projekt das derzeitige Tempo beibehalten, kann es allen Kritiken zum Trotz zuversichtlich in die Zukunft blicken." ("100-Dollar-Laptop im Test", heise newsticker, 17.03.07)

Natürlich wurde und wird das Projekt aber auch stark kritisiert. Zunächst natürlich von den Konkurrenz Hard- und Software Herstellern (Intel und Microsoft). Kritisiert wurde im wesentlichen die Ausstattung der Computer, aber auch, daß der 100-Dollar-Laptop weitgehend ungetestet in solchen Massen produziert wird.

Der Kritik an der oft verspotteten relativ schwachbrüstigen Hardware-Ausstattung hielt man entgegen, daß es sich ja primär nicht um ein Laptop- sondern um ein Bildungsprojekt handeln würde. Der Laptop sei hier nur Mittel zum Zweck und wäre dafür ausreichend ausgestattet.

Darüber hinaus gibt es aber grundsätzlichere Kritik, inwiefern es überhaupt Sinn macht, Schülern in Entwicklungs- und Schwellenländer diese Laptops in die Hand zu drücken:

"Die indische Regierung lehnte nach anfänglicher Zustimmung im Juli 2006 die Teilnahme am Projekt ab. Staatssekretär Sudeep Banerjee zweifelte am pädagogischen Nutzen des Projekts. Wenn jedes Kind für den Schulgebrauch einen Laptop erhielte, dann würde dies der Entwicklung von Kreativität und analytischen Fähigkeiten abträglich sein. Eine Investition des Geldes in traditionelle Schulmittel wie Schulgebäude und Lehrer wäre zudem sinnvoller." (Wikipedia)

Macht es also Sinn, den 100-Dollar-Laptop in Ländern zu verbreiten, in denen es an wesentlich grundsätzlicheren Dingen (wie Schulbänken oder Lehrern) mangelt? Zwar sind durchaus auch Industrieländer unter den Empfänger aber der Fokus liegt schon deutlich stärker auf Entwicklungs- und Schwellenländern. Durch eine hohe Stückzahl soll man für wenig Geld möglichst viel Computer bekommen und so lanfristig auch Staaten ins IT-Zeitalter verhelfen, die hier noch hinterher hinken.

Grundsätzlich ist die Idee natürlich richtig, Menschen den Zugang zu modernen Technologien zu ermöglichen, der ihnen aufgrund ihrer Lebensumstände bisher verwehrt geblieben ist. Nicht nur der Umgang mit dem Computer, auch die Fähigkeit zur (digitalen) Kommunikation und zur Vernetzung sind in einer Wissensgesellschaft von zentraler Bedeutung. Dennoch wird die Geschichte vermutlich spätestens dann lächerlich, wenn der Computer in Gebieten zum Einsatz kommen soll, in denen nicht mal eine ausreichende Versorgung mit Strom (die Kurbel-Notlösung wurde verlacht, man wird sehen, was sie taugt), Schulen und Lehrern gewährleistet werden kann.

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