"Aber wieso will ein land das jede menge arbeitslose hat auch noch menschen aus anderen laendern die sie nach ihrer ankunft unterhalten muessen einladen?" (Gitty)
I. Die moralisch-humanitäre Argumentation
Zunächst wäre hier sicherlich eine moralische Argumentation anzuführen. Und dabei will ich mich gar nicht auf politische Verfolgte beschränken, daß denen Asyl gewährt werden muß, versteht sich von selbst.
Die Frage muß viel grundsätzlicher gestellt werden. Sind die Menschen in der Dritten Welt wirklich dazu verdammt im Elend zu leben, weil sie auf der falschen Seite der Erde geboren wurden? Sollte nicht jeder Mensch die Freiheit haben, den Ort an dem er leben möchte frei zu wählen? Es gibt Theoretiker die vertreten die radikale Position, daß Zuwanderung grundsätzlich nicht reglementiert werden darf. Natürlich sind dies zunächst theoretische Erwägungen, Utopien die nicht zwangsläufig den Anspruch haben, realpolitisch umsetzbar zu sein.
So schreibt etwa Joseph H. Carens:
"(...) They are ordinary, peaceful people, seeking only the opportunity to build decent, secure lives for themselves and their families. On what moral grounds can these sorts of people be kept out? (...)
(...) To most people the answer to this question will seem obvious. The power to admit or exclude aliens is inherent in sovereignty and essential for any political community. Every state has the legal and moral right to exercise that power in pursuit of its own national interest, even if that means denying the entry to peaceful, needy foreigners. States may choose to be generous in admitting immigrants, but they are under no obligation to do so.
I want to challenge that view. In this essay, I will that borders should generally be open and that people should normally be free to leave their country of origin and settle in another, subject only to the sorts of contraints that bind current citizens in their new county. The argument is strongest, I believe, when applied to the migration of people from third world countries to those of the first world. Citizenship in Western liberal democracies is the modern equivalent of feudal privilege - an inherited status that greatly enhances one's life chances. Like feudal birthright privileges, restrictive citizenship is hard to justify when one thinks about it closely (...)".
(Carens, Joseph H.: "Aliens and Citizens: The Case of Open Borders", in: Beiner, Ronald (ed.): Theorizing Citizenship, State University of New York Press, 1995, p. 229-253)
Carens orientiert sich dann im folgenden an Robert Nozick und John Rawls, gibt aber als Gegenposition auch Michael Walzer an ("Across a considerable range of decisions that are made, states are simply free to take strangers in (or not)", in: Spheres of Justice, p. 61), gegen den er dann Stellung bezieht. Ich kann das hier nicht im Detail wiedergeben, es lohnt sich aber mal das komplette Essay von Carens zu lesen.
Eine gänzlich ungesteuerte Migration ist unrealistisch
Betrachten wir das Ganze etwas realistischer so wird klar, daß wir die Zuwanderung in die westlichen Industriestaaten in irgend einer Form reglementieren müssen, weil eine gänzlich ungesteuerte Migration zweifellos die westlichen Wohlstandssysteme kollabieren lassen muß -- und davon hätte dann keiner mehr etwas.
Dennoch sollte ein moderner Staat eben nicht nur politischen, sondern auch ökonomischen Flüchtlingen die Zuwanderung gewähren. Menschen also, die in ihrem Heimatland nicht verfolgt werden, sondern einfach nur den Traum von einem besseren Leben in einem anderen, reicheren Land träumen. Da wir diese "Wirtschaftsmigranten" aber nun mal nicht alle aufnehmen können, müssen wir zwangsläufig Regularien aufstellen.
Daß diese Zuwanderer nicht nur soziokulturell eine Bereicherung sein können, sondern wir trotz hoher Arbeitslosigkeit auch aus ökonomischen (und demographischen) Gründen auf sie angewiesen sind, will ich im folgenden versuchen kurz zu skizzieren.
II. Pragmatische Argumentation
Beispiel: Polnische Saisonarbeiter für Spargel-Ernte
Es gibt nämlich auch ganz pragmatische Gründe mehr Migration zuzulassen. Obwohl die Arbeitslosenzahlen sehr hoch sind, gibt es viele freie Arbeitsplätze, die die Deutschen nicht besetzen können oder nicht besetzt wollen.
Bestes Beispiel ist der hier an anderer Stelle schon angeführte Fall mit den polnischen Spargelstechern, der Versuch diese Saisonarbeitskräfte durch deutsche Arbeitslose zu ersetzen, scheiterte kläglich. Nun ist das zwar kein Migrationsproblem, weil die Saisonarbeiter ja wieder nach Polen zurückkehren, das Beispiel macht aber dennoch exemplarisch deutlich, daß freie Arbeitsplätze nicht immer ohne Probleme durch deutsche Arbeitslose besetzt werden können, sondern durch Ausländer abgedeckt werden müssen.
Beispiel: Indische Programmierer
Nicht nur im Niedriglohnbereich werden ausländische Arbeitskräfte benötigt, auch im Hochlohnbereich. Zu nennen wäre hier z.B. der Versuch, indische Informatiker per Greencard ins Land zu locken. Das hat zwar nicht so richtig funktioniert (weil die Inder es nicht besonders attraktiv fanden, in Deutschland zu arbeiten), machte aber doch eine vorhandene Lücke offenbar. Und der Versuch, einen 50jährigen, arbeitslosen Industrieschlosser zum Informatiker oder Biochemiker umzuschulen, erscheint wenig ausrichtsreich.
Wir stellen also fest, es gibt in einigen Bereichen freie Arbeitsplätze, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mit deutschen Arbeitslosen besetzt werden können. Der Verweis auf die hohe Arbeitlosigkeit in Deutschland ist ein relativ schwaches Argument gegen mehr Zuwanderung. In dem Moment wo diese Personen ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, sollte man ihnen aber auch ermöglichen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.
Demographische Notwendigkeit
Ein weiteres, pragmatisches Argument ist natürlich, daß das Bevölkerungswachstum in Deutschland rückgängig ist, was sich insbesondere bei den sozialen Sicherungssystemen als massives Problem herausstellt. Entweder die Deutschen bekommen in Zukunft deutlich mehr Kinder oder man muß eben deutlich mehr Migration zulassen. Das Problem ist allerdings schon jetzt so immens, daß es nur gelöst werden kann, wenn beides passiert.
III. Fazit
Deutschland ist de facto längst ein Einwanderungsland, es braucht trotzdem noch deutlich mehr Migranten als bisher. Dummerweise kommen aber nicht unbedingt vermögende Migranten ins Land, bei denen besteht ja kein Druck zur Migration. Der Hauptteil der Migranten kommt aus armen Verhältnissen und muß folglich in Deutschland erst mal finanziell unterstützt werden. Woher diese Personen in ihrem Heimatland das Geld für Sprachkurse herkriegen sollen, die sie nach Schäubles Willen vor dem Zuzug zu ihren Familien nach Deutschland absolvieren müssen, bleibt unklar. Letztlich ist das völlig unrealistisch, diese Personen müssen nicht da, sondern hier die deutsche Sprache erlernen.
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