Mittwoch, September 14, 2005

Wird Kirchhof stollmannisiert?

Vor den Bundestagswahlen 1998 war der Unternehmer Jost Stollmann für das Schattenkabinett Gerhard Schröders als zukünftiger Wirtschaftsminister vorgesehen. Das sollte damals der Medien-Coup schlechthin werden, ein parteiloser (bis 1987 war er noch in der CDU Mitglied gewesen) "Jung-Unternehmer" der Millionen in der zukunftsträchtigen IT-Branche verdient hatte, dynamisch und voller Zuversicht, den typisch deutschen Pessimismus ausschimpfend. Man könnte sagen, Jost Stollmann war für Schröder, was Lars Windhorst einst für Kohl war :p, ein Vorzeigedeutscher der den Aufstieg geschafft hat, eine ideale Symbolfigur für den herbeigesehnten ökonomischen Aufschwung.

Doch nach der gewonnen Wahl schmiß Stollmann hin, nachdem die Kompetenzen des Wirtschaftsministeriums zugunsten von Lafontaines Finanzministerium stark beschnitten wurden. Einem solchen Rumpf-Minsterium wollte Stollmann nicht vorsitzen, er zog sich zurück, umsegelte zweimal die Welt und ließ sich in Australien nieder, wo er ein Unternehmen für Kreditkartenabrechnungen gründete (Wikipedia).

SPON titelte nun bereits Mitte August "Endet Kirchhof als Merkels Stollmann?". Damals stand im Mittelpunkt der Spekulationen, daß Stoiber immer noch mit dem Amt des Finanzminister liebäugeln würde oder aber die FDP das Amt zuegschanzt bekäme, womit Kirchhof hinten runterfallen würde.

Inzwischen ist die Situation eine etwas andere, das eigentliche Problem an der "Nominierung" Kirchhofs fürs Schattenkabinett ist, daß es der SPD gelungen ist, ihn öffentlich weitgehend zu demontieren. Die Anti-Kirchhof-Kampagne war eben so platt wie effizient, sie trug maßgeblich zu einem zwischenzeitlichen Höhenflug der SPD bei (inzwischen konnte die CDU diesen Trend ja wieder stoppen, in den letzten Umfragen war es wieder ein Patt zwischen Schwarzgelb und Rotrotgrün).

Der Trick: Friedrich Merz wurde aus der Kiste geholt und verdrängt nun langsam aber sicher Kirchhof aus den Schlagzeilen. Der sprach gestern zwar davon mit Merz ein Tandem bilden zu wollen, aber es wird deutlich, daß man in der CDU offenbar auf Distanz zu Kirchhof geht. Denn wenn man Merz als ausgewiesenen Finanzexperten hat, was braucht es dann noch Kirchhof? Sicher, offiziell gilt Kirchhof immer noch als der Mann, aber Merkel kann sich allein aus taktisch Gründen auch kaum die Blöße geben und ihn nach dem Versuch ihn als Coup zu präsentieren jetzt auf einmal offiziell "kaltstellen". Die taz brachte das in ihrer gestrigen Karikatur sicherlich ganz treffend auf den Punkt.

Was war aber nun das eigentliche Problem? Ist Kirchhof das Opfer von sozialdemokratischem "Negative-Campaigning" geworden oder fehlte ihm (und Merkel) nicht auch ganz einfach das politische Gespür dafür, was man im Wahlkampf laut aussprechen sollte und was lieber nicht (er wurde ja nicht nur von der Gegenseite kritisiert)? Sind Kirchhofs Pläne wirklich so unsozial wie Rotgrün unterstellt oder liegt es vielleicht einfach am alten Paradox, daß der Wähler zwar ständig mehr Ehrlichkeit von den Politikern einfordert, dann aber nicht die Wahrheit erträgt, wenn sie jemand ausspricht? Oder kommen die Unkenrufe zu früh und Kirchhhof wird doch noch Finanzminister?

Links:

- Wikipedia-Eintrag zu Jost Stollmann
- Wikipedia-Eintrag zu Lars Windhorst
- Endet Kirchhof als Merkels Stollmann?, SPON, 18.08.05
- Kirchhof will Tandemlösung mit Merz, SPON, 13.09.05
- taz-Karikatur vom 13.09.05
- Wikipedia-Definition von "Negative Campaigning"

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