Sonntag, September 18, 2005

Bundestagswahl 2005 Teil 1 -- Zwischenstand nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis

Gutes Abschneiden der FDP bereits bei TV Total zu sehen

Am Samstagabend lief auf Pro7 das relativ kurzfristig anberaumte Special zur Wahl von Stefan Raab. Während die geladene "Elefantenrunde" (Müntefering für die SPD, Wulff für die CDU, Westerwelle für die FDP, Trittin für die Grünen und Beckstein für die CSU) nach einer verhältnismäßig kurzen "Diskussion" (wenn man es denn so nennen kann) zum Thema "Bildung" das Studio bereits wieder verließ, ging es den Rest des Abends um eine eher öde (weil zu langwierige) telefonische Wahlabstimmung nach Bundesländern.

Das überraschende Ergebnis dabei: Besonders Linkspartei und FDP hatten insgesamt die stärksten Zugewinne im direkten Vergleich mit der realen Bundestagswahl von 2002. Nun bemühte sich Co-Moderator Peter Limbourg die ganze Zeit ein Mindestmaß an Seriösität zu wahren und betonte, so eine Telefonabstimmung von TV-Total-Zuschauern sei nur ein Spaß und keinesfalls repräsentativ. Womit er natürlich recht hatte, dennoch stellte sich dann am Sonntag heraus, daß besonders das von den Demoskopen so nicht erwartete starke Abschneiden der FDP auch bei der tatsächlichen Bundestagswahl zu erkennen war.

Gewinner? Welche Gewinner?

Wer Gewinner und wer Verlierer ist, läßt sich auch nach Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Endergebnisses nicht so ohne weiteres klar sagen. Faktisch haben alle Parteien verloren.

Die FDP hat eines der stärksten Ergebnisse in ihrer Geschichte eingefahren (obwohl sich die Zweistelligkeit der ersten Hochrechnungen ja jetzt wohl doch nicht bewahrheitet hat), muß aber höchstwahrscheinlich trotzdem in die Oppositon, weil es für Schwarzgelb nicht reicht und eine Ampel oder Schwampel relativ unwahrscheinlich ist (zumindest im Moment noch).

Die CDU/CSU ist zwar wie es im Moment aussieht stärkste Fraktion, knapp vor der SPD, liegt aber deutlich hinter den letzten Umfragergebnisse und hat den unlängst noch sicher geglaubten Sieg von Schwarzgelb verspielt. Scheiterte Stoiber 2002 nicht zuletzt an einer zu schwachen FDP, war es diesmal genau umgekehrt: Die FDP ist stark, doch die CDU/CSU zu schwach für eine gemeinsame Koalition.

Rotgrün hat keine Regierungsmehrheit mehr, das war zwar nicht anders zu erwarten, ist aber trotzdem natürlich eine Bankrotterklärung -- und zwar trotz der unerwartet gut gelaufenen Aufholjagd. Die SPD hat im Vergleich zu 2002 mehr Prozentpunkte verloren als die CDU/CSU und ist nicht mehr stärkste Fraktion (2002 war sie es ja nur Dank Überhangsmandaten noch geworden). Die Grünen konnten sich stabilisieren, sie werden aber im wahrscheinlichen Fall einer Großen Koalition auch die Oppositionsbank drücken müssen und wurden damit aus der Regierung gewählt.

Die Linkspartei hat mit Abstand am meisten hinzugewonnen, noch mehr als die FDP (allerdings hatte das im Gegensatz zur Linkspartei von der FDP keiner geglaubt). Bedenkt man aber, daß die Linkspartei im Sommerhoch schon mal bei 11% angelangt war, schrumpfen die 8,7% die sie jetzt tatsächlich erreicht hat ziemlich zusammen. Auch war die Linkspartei im Osten in den Umfragen ja kurzweilig die stärkste politische Kraft, heute erreicht sie dort zwar stattliche 25%, steht damit aber immer noch hinter SPD und CDU zurück. Weiterhin träumte sie davon insgesamt drittstärkste Fraktion im Bundestag zu werden, das ist aber zur Überraschung aller die FDP geworden. Die Linkspartei wollte zwar von Anfang an nichts anderes als Opposition, die Frage ist dann nur, was sie dort bewirken kann -- so ziemlich nichts. Was bleibt ist die Gewißheit, Schwarzgelb verhindert zu haben.

Sieht man sich dieses Resultat an, läßt sich beim besten Willen kein eindeutiger Gewinner dieser Wahl erkennen.

Die CDU/CSU hat nur drei Mandate mehr als die SPD

Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kommt die SPD auf 34,2% und 222 Sitze, während die CDU/CSU 35,2% erhält und damit 225 Sitze für sich verbuchen kann. Damit beträgt der Vorsprung der CDU/CSU vor der SPD also gerade mal drei Mandate. Mit einbezogen sind dabei die Überhangmandate, von denen die SPD 8 gewinnen konnte, die CDU/CSU nur 6 (soweit ich erinnere).

Kein Wunder also, daß Schröder selbstbewußt von sich behauptet, er bliebe weiter Kanzler, obwohl die CDU/CSU unter Merkel stärkste Fraktion geworden ist. Taktisch wäre es von Schröder falsch gewesen, bereits am Wahlabend die weiße Fahne zu schwenken. Das Ergebnis ist zu knapp und neben der Großen Koalition besteht noch die Möglichkeit einer RotGelbGrünen-Ampel. Die Linkspartei schließen beide großen Parteien als Gesprächspartner aus, die sogenannte "Jamaika- oder auch Schwampel-Koalition" aus SchwarzGelbGrün ist denkbar, aber unwahrscheinlich.

Doch die FDP macht keine Anstalten mit Rot und Grün ins Boot zu steigen. Was plant also Schröder? Verzögerungstaktik, in der Hoffnung die SPD wird doch noch stärkste Fraktion oder zieht zumindest mit der CDU/CSU gleich? Nur dann könnte Schröder in einer Großen Koalition ja vermutlich weiterhin Kanzler bleiben. Oder spekuliert er, die FDP könnte doch noch einknicken und Ja zur Ampel sagen?

Die SPIEGEL TV Sendung am Sonntagabend endete mit der Bekanntgabe, daß in Berlin zur Zeit das Gerücht kursiert, Merkel spiele mit dem Gedanken zurückzutreten. Offenbar weil das Ergebnis der CDU/CSU (in Relation zu den Umfragen der letzten Wochen und in Relation zur letzten Wahl 2002) so lausig ist. Nur ein Gerücht, aber wie lange kann sich eine so geschwächte Merkel tatsächlich in ihrem eigenen Trupp halten? Wäre es am Ende gar denkbar, daß Schröder in einer Großen Koalition Kanzler bleibt, obwohl die CDU/CSU stärkste Farktion geworden ist? Unwahrscheinlich, nicht undenkbar.

Der Dresden-Faktor

Die Frage ist, wer knickt als erstes ein? Schröder, weil er einsehen muß, daß die SPD in einer Großen Koalition nur Juniorpartner sein wird und er sich sicherlich nicht einer Kanzlerin Merkel unterordnen wird? Oder Merkel, die erkennen muß, daß sie diese Wahl zu deutlich verloren hat, weil Schwarzgelb nicht machbar ist und die CDU/CSU mit nur 35,2% hinter dem erwarteten Ergebnis doch deutlich zurückgeblieben ist?

Entscheidend könnte die Nachwahl in einem Wahlkreis in Dresden sein, die in zwei Wochen am 2. Oktober ansteht. Immerhin 200.000 Wähler sind dort stimmberechtigt. Das kann das knappe Ergebnis doch noch mal verändern. Nicht, daß es dann doch noch für Schwarzgelb oder Rotgrün reichen würde. Nein, denkbar wäre aber, daß die SPD doch noch mit der CDU/CSU gleichziehen kann -- eine rein rechnerische, unwahrscheinliche Option (SPON). Umgekehrt könnte aber auch die CDU/CSU ihren Vorspung ausbauen und die Luft für Schröder würde noch dünner.

Als letzte Option blieben dann immer noch erneute Neuwahlen. Nur, was sollten die dann bringen?

Links:

- Vorläufiges amtliches Endergebnis, SPON, 19.09.05
- Wahl ohne Ergebnis, SPON, 19.09.05
- Pressestimmen: "So spannend kann Demokratie sein", Financial Times Deutschland, 09.09.05

Nachtrag:

"Mit einbezogen sind dabei die Überhangmandate, von denen die SPD 8 gewinnen konnte, die CDU/CSU nur 6 (soweit ich erinnere)."

Tatsächlich hat die SPD 9 Überhangmandate gewonnen, die CDU/CSU wie beschrieben 6. Dies kann sich durch die Nachwahl in Dresden theoretisch noch ändern.

"Auch war die Linkspartei im Osten in den Umfragen ja kurzweilig die stärkste politische Kraft, heute erreicht sie dort zwar stattliche 25%, steht damit aber immer noch hinter SPD und CDU zurück."

Tatsächlich ist die Linkspartei in Ostdeutschland zweitstärkste Kraft hinter der SPD geworden und nicht nur drittstärkste, wie es zwischenzeitlich hieß. Dennoch wurde sie aber ja in den Umfragen auf dem Höhepunkt des Hypes mal an erster Stelle verortet.

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