Donnerstag, April 07, 2005

Der Gedenkstreit

Der Papst ist tot, doch der Streit darüber, wie seiner gedacht werden soll, nimmt immer grostekere Züge an.

So kam es im spanischen Parlament zu einem Eklat, weil 12 Abgeordnete von Linksparteien bei einer Gedenkminute für den Papst demonstrativ sitzen blieben. Weitere Abgeordnete erschienen aus Protest erst gar nicht im Parlament. Als Begründung nannten sie, daß es eine solche Ehrung für andere Staatsoberhäupter im Parlament ja auch nicht geben würde. Die konservative Presse nannte das eine "Demonstration mangelnden Respekts".

Auch in Frankreich ist ein Streit entbrannt. Hier ging es darum, ob die Fahnen landesweit auf Halbmast gesetzt werden sollen oder nicht. Der Innenminister hatte eine entsprechende Beflaggung angeordnet und stieß auf Widerstand. Die Beflaggung würde der Religions-Neutralität des säkularen Staates widersprechen. Staatspräsident Jacques Chirac wurde vorgeworfen mit zweierlei Maß zu messen, wenn er einerseits muslimische Kopftücher an Schulen verbietet, andererseits dann aber eine Trauerbeflaggung wegen des Papst-Todes zuläßt.

In Ungarn wurde der Nachrichtenchef des staatlichen Fernsehens MTV (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Musiksender) entlassen, weil er das laufende Programm erst eine halbe Stunde nach dem Tod des Papstes unterbrechen ließ. In dieser halben Stunde wurde die Nachricht über den Tod nur per Textticker eingeblendet, das normale Programm lief aber weiter. Nach Meinung der Verantwortlichen hätte es sofort unterbrochen werden müssen.

Der Tod des Literaturnobelpreisträgers und Intellektuellen Saul Bellow interessierte dagegen kaum jemanden, obwohl er einer der wichtigsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts gewesen ist.

Links:

- Eklat in spanischem Parlament wegen Papst, Netzeitung, 06.04.05
- Franzosen streiten über Beflaggung, SPON, 05.04.05
- Ungarn: MTV-Nachrichtenchef wegen Papst-Berichterstattung entlassen, derStandard.at, 05.04.05
- Zum Tode von Saul Bellow, SPON, 06.04.05

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