Morgen (17.03.) ist es dann wohl soweit. Heide Simonis wird sich erneut zur Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein wählen lassen, nachdem der neue Koalitonsvertrag schon unter Dach und Fach ist (SPON, 15.03.). Der Kandidat der CDU, Peter Harry Carstensen, tritt gegen sie an, kann aber nur auf Abweichler bei den Grünen und der SPD hoffen, denn die vom SSW tolerierte rotgrüne Minderheitsregierung steht soweit.
In der Tat gab es wohl Kräfte innerhalb der SPD, die lieber in eine große Koaltion mit der CDU gegangen wären. So hat der bisherige Wirtschaftminister Rohwer bereits Ende Februrar seinen Rücktritt erklärt, er galt in der SPD als stärkster Befüworter einer großen Koalition (SPON, 28.02.). Dennoch scheinen die Fronten jetzt begradigt. Daß die Wahl von Simonis scheitert, weil Carstensen morgen wirklich ein paar rotgrüne Abweichler in die Hände spielen kann zwar nicht ganz ausgeschlossen werden, ist aber doch eher unwahrscheinlich. Denn es käme einem "Putsch" gegen Simonis aus den eigenen Reihen gleich. Die Würfel scheinen in Schleswig-Holstein endgültig zugunsten von Rotgrün gefallen zu sein.
Viele fühlten sich nach der Landtagswahl an die Bundestagswahl 2002 erinnert (SPON, 21.02.), damals erklärte sich Stoiber unter tosendem Applaus zum Wahlsieger und glaubte schon fest der neue Kanzler zu sein, bis sich dann herausstellte, daß Rotgrün doch die Nase vorn hatte (durch rote Überhangsmandate und einer in Relation zu den Grünen zu schwachen FDP). Ähnliches sah man nun in Schleswig-Holstein: Carstensen jubelte mit seinem Trupp und war sicher neuer Ministerpräsident zu sein, als sich dann erst Mitten in der Nacht herausstellte, daß Schwarzgelb doch keine Mehrheit zusammen bekam, obwohl die CDU stärkste Fraktion geworden war.
Danach war das Theater groß, besonders der SSW mußte herbe Kritik einstecken, weil sich natürlich früh abzeichnete, daß dieser bereit war eine rotgrüne Minderheitsregierung zu tolerieren. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verkündete, daß es dem SSW nicht zustände "Wahlverlierer zu Wahlsiegern zu machen", Carstensen hätte einen "moralischen Anspruch" neuer Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zu werden (SPON, 26.02.).
Die Konservativen kochten, nicht nur, daß den Dänen Minderheitenrechte zugesprochen wurden, nein, jetzt erdreisteten sie sich doch glatt, von denen auch Gebrauch zu machen (zu was läßt man einer Fraktion Raum im Parlament, wenn man ihr dann auferlegt, sich immer neutral zu verhalten?). Es entstand eine langwierige Diskussion darüber, ob man den Dänen ihren durch das Grundgesetz bewilligten Sonderstatus wieder entziehen sollte, so daß für sie dann wie für jede andere Partei die 5%-Klausel bei Wahlen gilt. Claus Christian Malzahn beschreibt in einem SPON-Artikel, wie diese Sonderrechte für die dänische Minderheit historisch entstanden sind und warum es fatale Konsequenzen hätte, sie abschaffen zu wollen.
Nun ist dieser Fall mit der tolerierten Minderheitsregierung in Schleswig-Holstein schon ein speziellerer. Aber was ist, wenn z.B. 2006 bei der Bundestagswahl die CDU/CSU vor der SPD stärkste Fraktion wird, Rotgrün aber trotzdem seine Mehrheit im Bundestag behält? Könnte ja passieren. Dann würde es auch wieder heißen eine große Koalition unter der Führung der CDU/CSU muß her, weil die CDU/CSU als stärkste Fraktion ja den "moralischen Anspruch" hat, die Regierung zu bilden. Nur Schröder würde sicherlich nicht unter einer Kanzlerin Merkel arbeiten und dann zurücktreten. Auch Fischer und die Grünen wären dann weg vom Fenster. Würden sie das wirklich tun? Wenn es erneut für eine rotgrüne Mehrheit reicht, wen interessiert dann, daß die CDU/CSU stärkste Fraktion ist?
Ich meine ein "moralischer Anspruch" zur Regierungsbildung nur auf Basis der Tatsache, stärkste Fraktion geworden zu sein, was soll denn das sein? Für manchen scheint die Erkenntnis immer noch bitter zu sein, daß bei einem Verhältniswahlrecht eben nicht jener der "Wahlsieger" ist, der mit seiner Partei die stärkste Fraktion stellen kann, sondern jene die mit einer Koalition eine parlamentarische Mehrheit zu stande bekommen.
Nachtrag:
Die Sache könnte morgen doch knapper ausgehen, als von mir oben dargestellt. Wenn man sich vor Augen führt, daß Heide Simonis' Bündnis die Mehrheit nur mit einer einzigen Stimmen hält, ist die Hoffnung von Carstensen auf einen oder mehrere Abweichler nicht so illusorisch. Allerdings könnte Simonis dann wirklich abtreten, denn wenn sie ihren Laden nicht mal soweit im Griff hat, daß er sie zur Ministerpräsidentin wählt, ist sie am Ende. Ich glaube aber nicht, daß das passiert, vermutlich schafft es Rotgrün morgen zusammen mit dem SSW.
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