Insbesondere widmet man sich der Tatsache, daß rechtsextremistische Organisationen und Parteien immer mehr Zulauf von jungen Menschen erhalten. Dies geschieht immer öfter auf einem musikalischen Weg. So hatten Neonazis unlängst geplant, kostenlos einen CD-Sampler mit Songs von rechten Bands auf Schulhöfen zu verteilen. Die Aktion konnte dann aber noch rechtzeitig unterbunden werden, als sie bekannt wurde.
Um der Ausbreitung einer solchen rechten Jugendbewegung etwas entgegenzustellen, hat die Initiative "Aufmucken gegen Rechts" nun einen eigenen Sampler erstellt, der auf Schulhöfen verteilt werden soll und Musikstücke gegen Rechts enthält. Auf diesem Sampler sind bekannte Interpreten wie "Die fantastischen Vier" und "Die Beginner" vertreten. Neben der CD soll noch Aufklärungsarbeit mit Hilfe von Broschüren und Informationsveranstaltungen betrieben werden.
Wie fast immer, wenn der Widerstand gegen die äußere Rechte aus der Richtung einer äußeren Linken kommt, hält sich die Unterstützung von bundesrepublikanischen Institutionen in Grenzen. Zwar zeigte sich die Bundesregierung zunächst solidarisch und föderte das Projekt, ist inzwischen aber auch schon wieder teilweise auf Distanz gegangen.
Insbesondere Hans-Jürgen Doll, Vizepräsident des baden-württembergischen Verfassungsschutzes, macht Front gegen die Initiative "Aufmucken gegen Rechts". Gegenüber dem Online-Magazin Telepolis machte er deutlich, daß er die politische Ausrichtung des Initiators "solid" für bedenktlich hält, da diese auf einen Umsturz des bestehenden demokratischen Systems abziele:
"(...) der 'antifaschistische Kampf' [zielt] nur vordergründig auf die Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen; er richtet sich letztlich gegen die freiheitlich verfasste demokratische Gesellschaft, die als 'kapitalistisches System' diffamiert wird, in dem der Faschismus angeblich seine Wurzeln hat. Hierbei handelt es sich um eine seit Jahren bekannte linksextremistische Zielsetzung..."
Dem hält Helmut Lorscheid, Autor des besagten Telepolis-Artikels, nun entgegen:
"So weit, so falsch, denn für die Erkenntnis, dass Kapitalisten die Naziherrschaft in Deutschland erst ermöglichten, braucht man keinen Marx und keine Marxisten, da genügt die, bereits in guten Schulen vermittelte, Geschichtskenntnis."
Natürlich ist Lorscheids These, daß "Kapitalisten die Naziherrschaft in Deutschland erst ermöglichten" keineswegs eine so objektive Tatsachenfeststellung, wie er hier suggerieren möchte. Es ist sehr wohl eine marxistisch-kapitalismuskritisch gefärbte Sichtweise, die wohl keineswegs von allen Historikern so geteilt wird.
Im Prinzip ist die Geschichte ein uralter Hut. Die Rechten maulen, der Verfassungsschutz sei auf dem linken Auge blind. Und die Linken maulen umgekehrt, der Verfassungsschutz sei auf dem rechten Auge blind. Der Verfassungsschutz gibt zu verstehen, er sei auf keinem Auge blind.
Lorscheid gibt sich in seinem Artikel Mühe, den Verfassungsschützer Doll zu desavouieren, weil er meint, dieser würde gegen Antifa-Projekte wettern, während z.B. zeitgleich in Städten wie Mannheim ungestört Nazi-Konzerte stattfinden.
Das Problem ist nur, daß Lorscheid gerade bei entscheidenen Aussagen von Doll nicht genauer auf deren Wahrheitgehalt eingeht. So kritisiert Doll z.B. nicht nur das Mitwirken von "solid" als Initiator, sondern hält über den Inhalt der CD auch fest:
"auf dem Datenteil der CD [ist] eine Linkliste zu über 40 'antifaschistischen und antirassistischen Initiativen' verzeichnet - darunter eine Anzahl von linksextremistischen bzw. linksextremistisch beeinflussten Organisationen bis hin zu gewaltbereiten Gruppierungen der autonomen Szene..."
Ich kenne besagte Linkliste nicht und Lorscheid verrät auch nicht, auf welche Initiativen Doll hier anspielt, sollte es sich jedoch tatsächlich um "linksextremistisch beeinflusste Organisationen" und "gewaltbereite Gruppierungen der autonomen Szene" handeln, dann ist doch klar, daß diese auf dem Sampler nichts zu suchen haben.
Die Idee des Samplers war, gegen ein rechtsextremistisches Weltbild vorzugehen. Dieses Konzept wird konterkariert, wenn auf den zweiten Blick klar wird, daß besagtes rechtsaußen Weltbild nur durch ein linksaußen Weltbild ausgetauscht werden soll. Einen Extremismus A durch Werbung für einen Extremismus B ersetzen zu wollen, kann nicht Sinn und Zweck von demokratischer Aufklärungsarbeit sein.
Nicht nur dem staatstragenden Verfassungsschützer, auch dem kritischen Citoyen sollte es bitter aufstoßen, wenn ein Projekt das sich eigentlich "nur" gegen Rechtsextremismus richten soll, dann gleich wieder mit einer marxistisch-kapitalismuskritischen Ideologie assoziert werden muß, weil der Inhalt entsprechend ist. Das wird nur potentielle Unterstützer verprellen, die vielleicht gegen Rechtsextremismus aber nicht gegen Kapitalismus sind.
Links:
- Helmut Lorscheid: Herr Doll und die AntiFa, Telepolis, 22.03.05
- Website der Initiative "Aufmucken gegen rechts"
- Website des PDS-nahen Jugendverbands "solid"
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