Am vergangenen Sonntag lief bei SPIEGEL TV (RTL) ein Beitrag über Suizid-Foren im Internet. Im Mittelpunkt des Beitrages standen zwei Mütter deren Kinder Selbstmord begangen haben. Die beiden Teenager hatten sich im Internet in einem Suizid-Forum kennengelernt und trafen sich zum ersten Mal an dem Tag, an dem sie gemeinsam ihren Suizid begingen. Im Anschluß an die Tat haben sich dann die beiden Mütter zusammengetan um seither Front gegen das böse Internet zu machen, das sie als Ursache für den Selbstmord sehen.
Es mag aus einer psychologischen Sicht verständlich sein, wenn Eltern ihre Wut und Verzweiflung auf das Internet projizieren, weil dies einfacher ist, als sich mit den tatsächlichen Ursachen für den Freitod ihrer Kinder auseinanderzusetzen, an dem sie unter Umständen Mitschuld tragen. Ärgerlich ist dagegen, daß diese Sicht unkritisch und reißerisch in besagten SPIEGEL TV Beitrag übernommen wurde.
Sicher, ohne das Internet und entsprechende Foren hätten sich die beiden Teenager nicht kennengelernt, um gemeinsam ihren Selbstmord zu planen. Aber vielleicht hätten sie auch ohne das Internet jemanden für ihren Selbstmordpakt gefunden oder es dann auch einfach allein durchgezogen. Wenn jemand wirklich so verzweifelt ist, daß er sich selbst umbringen möchte, braucht er dafür sicherlich nichts zwangsläufig das Internet um mit "Gleichgesinnten" Kontakt aufzunehmen. Inzwischen gibt es auch zahlreiche dieser Foren, die professionell von Pädagogen und Psychologen betreut werden und die dann positiv auf Suizidgefährdete einwirken können. Dennoch wird sich natürlich immer wieder ein Forum finden, wo dies nicht der Fall ist.
Statt mit dem Finger auf das Web zu zeigen könnte man alternativ ja auch mal die Frage aufwerfen, wieso sich überhaupt Tausende Teenager in diesen Foren tummeln. Symptome mit Ursachen zu verwechseln führt bekanntlich zu keiner Lösung. Laut diesem Fernsehbeitrag denkt in Deutschland jeder vierte Teenager mindestens einmal während seiner Pubertät an Selbstmord. Das hängt natürlich auch mit den Widrigkeiten dieser Lebensphase zusammen. Dennoch steigt die Zahl angeblich beständig an, was dann schon Grund zur Sorge gibt. Plakativ ein Medium wie das Internet ins Zentrum der Problemstellung zu zerren, bringt da wahrscheinlich wenig.
Zumindest bei Volljährigen könnte man darüber hinaus natürlich provokativ fragen, ob es nicht eine Frage des Selbstbestimmungsrechts ist, wenn jemand für sich die Entscheidung trifft, sein Leben zu beenden. Ansichten wie "Es gibt immer eine Alternative" sind vielleicht anmaßend, wenn derjenige sich in einer derart aussichtslosen Lage befindet, daß es aus seiner Sicht wirklich keine tragbare Alternative mehr gibt.
Mittwoch, Dezember 22, 2004
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