Dienstag, Dezember 28, 2004

Microsoft vertickt Slate an die Washington Post

1996 von Michael Kinsley gegründet avancierte Slate im englischsprachigen Web schnell zu einem der bekanntesten Magazin neben Wired und salon.com.

Von allen Artikelserien ist sicherlich die über die "Bushisms", die berühmteste. Am Anfang seiner Amtszeit fiel George W. Bush in erster Linie dadurch auf, daß er kaum einen geraden Satz herausbrachte. Viele seiner Aussagen wiesen inhaltliche oder grammatikalische Defizite auf, was streckenweise sehr amüsant war. Der Slate-Redakteur Jacob Weisberg hat dann angefangen, diese sogenannten "bushisms" zu sammeln und die Liste immer wieder zu aktualisieren. Inzwischen hat er dazu geschlagene fünf Bücher herausgebracht, die ihn vermutlich zu einem reichen Mann gemacht haben. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war es dann in den USA nicht mehr so "en vogue", derart über Bushs sprachliche Fehltritte zu lästern. Faktisch war er immer noch derselbe inkompetente Politclown wie am Anfang seiner Amtszeit, allerdings wurde er nun aufgrund der Ereignisse zunehmend mehr als seriöser Staatsmann wahrgenommen.

Da Slate von Microsoft finanziell abhängig war stand es trotz formal unabhängiger Redaktion immer unter dem Generalverdacht, Artikel nur im Sinne von Microsoft zu verfassen. In der Praxis zeigte sich jedoch, daß dieser Vorwurf so nicht haltbar war. Etliche Artikel richteten sich klar gegen Microsoft, so z.B. die Empfehlung den Browser Firefox anstelle des Internet Explorer zu verwenden. Konsequenterweise dankte jetzt Jacob Weisberg auch Microsoft dafür, daß man immer unabhängig berichten durfte.

Obwohl Slate von Anfang an von Microsoft (bzw. MSN) gehostet wurde, erinnerte diese Kooperation immer irgendwie an eine "Zwangsehe". Das eher liberale und gerne mal provokative Slate paßte nicht zur sicherlich etwas konservativeren Firmenpolitik von Microsoft. Wirklich überraschend kam die Bekanntgabe, daß man Slate an die Washington Post verkaufen will daher nicht, zudem bereits seit längerem Gerüchte in dieser Richtung in Umlauf waren.

Schätzungsweise 20 Millionen US-Dollar hat sich die Washington Post diesen Spaß kosten lassen und will nun mit Slate natürlich auch Geld verdienen, was bei Webmagazinen immer ein schwieriges Unterfangen ist. Es soll jedoch am Aufbau des Magazins erstmal nichts geändert werden, auch die Redaktion bleibt dieselbe. Angeblich soll das Portal sogar weiterhin bei MSN (slate.msn.com) gehostet werden.

Keine Kommentare: