Mittwoch, Juli 21, 2004

Doku-Sommer 2004: Fahrenheit 9/11

michael moore hat es mal wieder geschafft: sein neuster film "fahrenheit 9/11" bricht in den usa alle rekorde und wird wohl auch hier in europa einen ähnlichen siegeszug antreten. ursächlich dafür ist weniger die brisanz des inhalts, als viel mehr der medienhype der um diesen film herum entstanden ist.

eigentlich geht es in diesem film um das mißmanagement der us-administration nach den anschlägen vom 11. september 2001, es geht um die verbindungen der familien bush und bin laden, es geht um die ökonomische ausbeutung des landes durch bush und seine kaste, es geht um kriegsführung aus einer fragwürdigen motivation heraus, es geht um macht und interessenvertretung. doch liest man sich die diversen artikel zu diesem film durch, dann fällt auf, daß der film dort wenn überhaupt dann nur am rande inhaltlich diskutiert wird. vielmehr geht es darum, wer für diesen film ist und wer gegen ihn, wer und was ihn zu bremsen versucht, wer und was ihn fördert. der film ansich ist zum politikum geworden, dahinter steht der eigentliche inhalt immer weiter zurück.

dafür kann man einige gründe anführen, z.b.: der film sagt inhaltlich nicht viel aus, was dem aufgeklärten und informiertenm bürger nicht ohnehin schon klargewesen wäre. der film erscheint -- wohl nicht ganz zufällig -- mitten im us-präsidentschaftswahlkampf. er wird in folge dessen von kritikern und bush-sympathisanten als einseitiger propaganda-streifen wahrgenommen, dessen einziges ziel es ist, bush aus dem amt zu bekommen (was moore wahrscheinlich nicht mal abstreiten würde). in einer phase, in der sich bush-gegner und -befürworter angespannter und aggressiver denn je gegenüberstehen, mutiert ein film wie "fahrenheit 9/11" schnell zum gegenstand eines regelrechten "kulturkampfes".

so läßt sich auch die geschichte des films in mehreren "hype-stufen" nachzeichnen:

1. hype-stufe: der film wird von miramax produziert, das aber zu disney gehört. bei disney erkennt man die vermeintliche politische brisanz des films und will ihn kippen. es riecht nach zensur, was moore für sich und seinen film PR-wirksam zu nutzen weiß. schließlich erscheint der film dann direkt bei miramax.

2. hype-stufe: der film gewinnt in cannes die goldene palme, was seit knapp 50 jahren keinem dokumentarfilm mehr vergönnt war. nun reißen sich die vorher verhaltenen us-verleiher auf einmal um den film.

3. hype-stufe: einige republikaner versuchen eine kampagne gegen den film zu starten und denunzieren ihn als unpatriotisch und amerikafeindlich. doch der schuß geht nach hinten los, der film erhält in der öffentlichkeit jetzt nur noch umso mehr aufmerksamkeit. den glühenden gegnern stellen sich ebenso glühende moore-unterstützer entgegen.

4. hype-stufe: der film wird in den usa erst ab 17 jahren freigegeben. zunächst ein rückschlag für moore, weil das die anzahl der potentiellen zuschauer einschränkt. doch am ende spielt auch das moore nur wieder in die hände, weil sich in der öffentlichkeit der eindruck verstärkt, der film solle mit allen mitteln und tricks kleingehalten werden.

5. hype-stufe: moore erklärt öffentlich, daß er kein problem damit habe, daß der film über tauschbörsen im internet weiterverteilt wird. schließlich ginge es ihm um aufklärung, nicht darum noch mehr geld zu scheffeln. auf seiten des studios sieht man das verhaltener, muß dann aber notgedrungen auf moores linie schwenken. der rest der filmindustrie läuft sturm gegen diesen vorstoß von moore, sieht sie so doch alle bemühungen die illegale weiterverbreitung von filmen einzudämmen und das ökonomisch wie moralisch zu begründen, konterkariert.

6. hype-stufe: wann immer sich moore-befürworter im falschen gefilde outen, gibt es einen einen kleinen eklat und damit auch wieder eine neue pressemeldung. so wurde die country sängerin linda ronstadt nach einem auftritt in einem hotel vom überwiegend konservativen publikum rüde beschimpft und ausgebuht, weil sie geäußert hatte, man solle sich "fahrenheit 9/11" unbedingt ansehen, es sei ein film der die wahrheit dokumentiere.

egal was versucht wurde, den hype um "fahrenheit 9/11" einzudämmen, stets gab es die umgegekehrte wirkung: moore bekam nur noch umso mehr aufmerksamkeit in der öffentlichkeit, was dann wiederum den bekanntheitsgrad des films immer weiter nach oben trieb und damit am ende auch die zuschauerzahlen. dennoch bleibt natürlich die anzahl der kinos in denen der film in den usa zu sehen ist klein, verglichen mit "normalen" filmen wie shrek2 oder spiderman2, die man in nahezu jedem kino zu sehen bekommt. umso wichtiger war der medienhype für den erfolg von "fahrenheit 9/11" in den usa.

fahrenheit 9/11 läuft seit dem 29. juli in den deutschen kinos.

- Offizielle Homepage des Films
- IMDb-Eintrag

Weitere Informationsquellen dieses Eintrags:

- SPON: Disney blockiert die Bush-kritische Doku "Fahrenheit 9/11"
- SPON: Goldene Palme für Moores "Fahrenheit 9/11" in Cannes
- SPON: US-Verleiher reißen sich um Moore-Film nach Cannes
- SPON: Miramax kauft "Fahrenheit 9/11" von Disney zurück
- SPON: US-Patrioten rufen zum Boykott von "Fahrenheit 9/11" auf
- SPON: "Fahrenheit 9/11" in den USA erst ab 17 freigegeben
- SPON: US-Presseschau zu "Fahrenheit 9/11"
- SPON: "Fahrenheit 9/11" bricht Kassenrekord für Dokumentarfilme
- SPON: "Fahrenheit 9/11" mobilisiert die Massen
- SPON: Moore gibt seinen Film zur Weiterverbreitung im Netz frei
- SPON: Ronstadt wegen "Fahrenheit 9/11" Unterstützung ausgebuht
- SPON: Bilder wie Bomben
- SPON: Zur Deutschlandpremiere von "Fahrenheit 9/11"
- SPON: Moores vereinfachte Welt
- Jungle World: Günter Wallraff über Michael Moore
- Der Tagesspiegel: Was Europäer von "Fahrenheit 9/11" lernen können
- Telepolis: Bei Disney mag man mit Michael Moore nichts zu tun haben
- Telepolis: Ist die Irak-Politik von Bush nicht jugendfrei?
- Telepolis: Moore: "Raubkopieren ist erlaubt, solange niemand daran verdient"
- Telepolis: Über die "geheime Europapremiere" von "Fahrenheit 9/11" in Berlin

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