Sonntag, Oktober 26, 2008

Dexter

In "Dexter" spielt Michael C. Hall -- bekannt als schwuler Bestattungsunternehmer aus der preisgekrönten Kultserie "Six Feet Under" -- einen Forensiker beim Miami Metro Police Department, der Nachts ein Doppelleben als Serienkiller führt.

Dexter wurde als Kleinkind adoptiert, an die Verhältnisse in denen er davor gelebt hat, kann er sich nicht erinnern -- sie müssen aber sehr schlimm gewesen sein. Denn sein Adoptivvater Harry Morgan (James Remar), ein erfahrener Polizist, bemerkt schnell, daß mit Dexter etwas nicht stimmt.

Dexter bringt reihenweise Haustiere um die Ecke und Harry befürchtet, daß es dabei nicht bleiben wird. Aus seiner Erfahrung als Polizist weiß Harry, daß er seinem Sohn den Tötungsdrang kaum abgewöhnen kann und entschließt sich daher zu einem unkoventionellen Schritt: Er entwirft das, was Dexter "Harrys Codex" nennt. Dieser besagt, daß Dexter nicht willkürlich töten darf, sondern nur Menschen, die den Tod durch ihre eigenen Vergehen auch verdient haben.

So kommt es, daß Dexter als Erwachsener tagsüber Spezialist für Blutspritzer bei der Polizei von Miami wird, während er nachts Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder zur Strecke bringt, die dem System entkommen konnten, obwohl sie eindeutig schuldig sind. Harry ist inzwischen verstorben, doch Dexter hält dessen "Erbe" hoch, indem er versucht sich strikt an den Codex zu halten.

Seine beiden "Professionen" -- das Morden und die Forensik -- führt Dexter mit einer unglaublichen Akribie und Professionalität aus. Allerdings kann er mit menschlichen Empfindungen nicht viel anfangen, weshalb er über die Jahre gelernt hat, sie vorzutäuschen. Fast alle seine Polizei-Kollegen -- viele kannten seinen Vater noch -- bemerken daher auch nichts Verdächtiges an Dexter. Für sie ist er einfach nur ein freundlicher, kommunikativer Partner, der auf seinem Fachgebiet hoch kompetent und damit eine echte Bereicherung ist.

Der einzige der Dexter nicht leiden kann und sein Auftreten komisch findet ist Sgt. James Doakes (Erik King). Doakes schätzt die Leistungen von forensischen Mitarbeitern in der Abteilung generell nicht besonders hoch ein, aber Dexters Faszination für alles was mit Blut zu tun hat findet er besonders gruselig und traut ihm nicht über den Weg. Aber erst in der zweiten Staffel wird Doakes Mißtrauen für Dexter zu einem echten Problem.

Wesentlich positiver wird Dexter durch seinen Partner im Morddezernat, Angelo Batista (David Zayas), wahrgenommen, dessen Markenzeichen sein Hut ist. Anders als Doakes ist Batista immer wieder angenehm von Dexters Sachkenntnis überrascht, hält große Stücke auf ihn und bleibt ihm gegenüber stets loyal.

Auch die Abteilungsleiterin Lt. Maria LaGuerta (Lauren Vélez) schätzt Dexters Arbeit sehr, findet ihn darüber hinaus aber auch sichtlich attraktiv. Dexter entgeht dieses "Balzverhalten" nicht, er weiß nur nicht recht wie er damit umgehen soll, da er zwischenmenschliche Beziehungen jenseits einer analytischen Ebene nicht versteht und an ihnen auch kein persönliches Interesse hat. LaGuerta hält ihr Gesicht oft und gerne in Kameras, urteilt bei ihrer polizeilichen Arbeit aber manchmal vorschnell und macht insgesamt nicht den kompetentesten Eindruck.

Dexter sagt von sich selbst, der einzige Mensch zu dem er wirklich ein Bindung hat, ist seine Stiefschwester Debra "Deb" Morgan (Jennifer Carpenter). Diese ist bei der Sitte, möchte aber unbedingt auch ins Morddezernat und holt sich dafür bei ihrem Bruder immer wieder Tipps. Dexter erkennt ihr Potential eine gute Ermittlerin zu werden und fördert sie, so daß ihr tatsächlich der Einstieg ins Morddezernat gelingt. Sehr zum Unwillen von Lt. LaGuerta, die von Deb nicht besonders viel hält und sie das auch immer wieder spüren läßt.

Für eine perfekte Tarnung als "Normalo" braucht Dexter aber natürlich auch noch so etwas wie eine Beziehung. Liebe vorzutäuschen ist für ihn besonders schwer, mit seiner neuen Freundin Rita Bennett (Julie Benz), die Dexter als ebenso emotional "geschädigt" einstuft wie sich selbst, wähnt er aber die Richtige gefunden zu haben. Die zweifache Mutter wurde von ihrem im Knast sitzenden Ehemann immer wieder verprügelt und vergewaltigt. Daher hat sie zur Zeit noch ein generelles Problem mit zu viel Nähe, was Dexter sehr entgegenkommt. Nach und nach muß Dexter sich dann aber eingestehen, daß er für Rita und ihre zwei Kinder genauso wie für seine Schwester sehr wohl etwas empfindet und sie daher bei Gefahr zu beschützen versucht. Durch dieses Zulassen von Gefühlen wird er allerdings auch angreifbar, wie dann die zweite Staffel deutlich macht.

Dexters Gegenspieler in der ersten Staffel ist der sogenannte "Kühllaster-Killer", ein Serienmörder der es in seiner Präzision mit Dexter aufnehmen kann und dessen Respekt gewinnt. Zwischen den beiden entwickelt sich ein "Spiel", bei dem Dexter erfahren muß, daß sein Widerpart ihn auffallend gut kennt, also auch um Dexters Doppelleben weiß.

Kannte man in Miami arbeitende Forensiker bisher meist nur aus dem CSI-Ableger "CSI Miami", bekommt man nun mit "Dexter" eine Serie geboten, die nicht mehr ganz so einfach nach gut und böse unterscheidet, sondern auch Zwischentöne erlaubt. Gerne würde man Horatio Caine aus Jerry Bruckheimers über-ästhetisierter Hochglanz-Serie einmal gegen den Serienkiller und Blutspritzerspezialisten Dexter in einer Crossover-Folge antreten sehen.

Der Gefahr in einen reaktionären Tonfall zu verfallen -- in Form einer im Kern positiven Darstellung von Selbstjustiz infolge von Systemversagen -- gehen die Autoren aus dem Weg, indem sie sehr ausdifferenzierte Charaktere und Handlungsmuster schaffen. Es geht in erster Linie um Dexter und seine Bemühungen in einer Welt in der er eindeutig "anders" als die Mehrheit ist zurecht zu kommen, darum wie er zu Mitmenschen Beziehungen aufbauen kann, selbst wenn dies auf den ersten Blick kaum möglich erscheint, darum wie er sein Doppelleben am besten tarnen kann und mit seinen Morden davon kommt. Auch, aber eben nicht im Zentrum der Betrachtung steht die vermeintliche oder tatsächliche Gerechtigkeit die Tätern und Opfern widerfährt, wenn Dexter des nächtens zum Skalpell greift.

Insgesamt ist die von James Manos, Jr. auf der Basis von Jeff Lindsays Dexter-Romanen ("Darkly Dreaming Dexter") entwickelte und von Clyde Phillips und Daniel Cerone maßgeblich vorangetriebene Serie zweifellos eine der wenigen aktuellen Perlen im sonst zunehmend tristen deutschen Serienalltag.

RTL2 zeigt Dexter zur Zeit jeden Montag um 22:55 Uhr. Auch wenn die Episoden aufeinander aufbauen, kommen neue Zuschauer relativ zügig in den Gesamtplot rein.

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