Freitag, März 16, 2007

McCarthy an der LMU

Wie sagt es Stan in der Pilotfolge von "American Dad" so schön:

"Francine, you be very careful out there today, we're at terror alert orange! Which means something might go down somewhere in someway in some point in time... so look sharp!" (Wikiquote)

Ein so schickes "Terror-Barometer" mit farblich gekennzeichneten "Warnstufen" wie die Amis haben wir in Deutschland zwar noch nicht (es gibt nur die "Gefährdungseinschätzung"), aber auch hier herrscht natürlich immer mal wieder (obwohl eigentlich ja permanent) "erhöhte Terrorgefahr", die freilich immer "abstrakt" ist, aber dennoch zur "erhöhten Wachsamkeit" ermahnt.

Ursache war diesmal eine Video-Drohung einer fundametalistischen Gruppe, die hier Terror wegen der Beteiligung deutscher und österreichischer Truppen in Afghanistan androht (SPON, 11.03.07, 12.03.07, 14.03.07, 15.03.07). Parallel dazu gibt es den Fall zweier im Irak entführter Deutscher, deren Ermordung die Entführer androhen, falls die Bundeswehr ihren Afghanistan-Einsatz nicht sofort beendet. Die Situation scheint so aussichtslos zu sein, daß selbst Bundespräsident Köhler an die Entführer appellierte, ihre Geiseln freizulassen (SPON, 14.03.07).

Dieser Hintergrund hat zusammen mit einer Aufforderung des bayrischen Verfassungsschutz dazu geführt, daß an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ein Schreiben an die Dozenten herumgeschickt wurde, das dazu aufruft, "verdächtig erscheinende Wahrnehmungen, die Rückschlüsse auf eine islamisch-fundamentalistische Haltung zulassen, unverzüglich hierher mitzuteilen":

"Sehr geehrte Damen und Herren,

der islamistische Terrorismus stellt weiterhin die größte Bedrohung der Inneren Sicherheit der westlichen Staaten und damit auch Deutschlands dar. Aus Sicht der Sicherheitsbehörden besteht eine erhöhte abstrakte Gefährdung.

Wie Sie Presseverlautbarungen vom Wochenende entnehmen können, wurden Anschläge von Islamisten auch für die Bundesrepublik und in Österreich angekündigt. Auch die gescheiterten Kofferbombenanschläge auf Regionalzüge am 31. Juli 2006 in Dortmund und Koblenz sind ein Beleg dafür, dass auch Deutschland nicht nur Rückzugs- und Ruheraum, sondern Anschlagsziel für islamistische Terroristen ist.

Es ist also hohe Wachsamkeit geboten.

In diesem Zusammenhang sollte auf Hinweise auf Studierende, Mitarbeiter oder sonstige Gebäudenutzer geachtet werden, die sich durch besondere Verhaltensweisen, wie z. B. einen Bruch im Lebenswandel, Gewaltbereitschaft, radikal-verbale Äußerungen oder Beschäftigung mit einschlägiger Literatur auffällig in Richtung islamischer Fundamentalismus verändern.

Ich darf Sie bitten, verdächtig erscheinende Wahrnehmungen, die Rückschlüsse auf eine islamisch-fundamentalistische Haltung zulassen, unverzüglich hierher mitzuteilen.

Bitte informieren Sie Ihre Mitarbeiter entsprechend."

(zitiert nach: "Uni-Verwaltung fordert 'höchste Wachsamkeit' von allen Mitarbeitern", Telepolis, 14.03.07)

"Einen Bruch im Lebenswandel"? "Beschäftigung mit einschlägiger Literatur"? "Verdächtig erscheinende Wahrnehmungen"? Wer definiert, was darunter konkret zu verstehen ist? Wo sollen hier die Grenzen gezogen werden? Das Schreiben sieht häßlich nach einem Denunziations-Aufruf aus.

Der Verfasser ist Matthias Hüttenhofer, nach Web-"Recherche" von SPON "leitender Regierungsdirektor - und ausweislich der Homepage der Hochschule Leiter der 'Hauptabteilung II (Studenten- und Liegenschaftsangelegenheiten; Zentraler Raumbeauftragter)'" ("Bayern lässt Hochschulen nach Islamisten suchen", SPON, 14.03.07). Danach wurde man in der Universiäts-Leitung hektisch, rief eilig eine Pressekonferenz ein, auf der der Rektor der LMU, Bernd Huber, sich von dem Aufruf distanzierte: "Das Schreiben enthalte 'missverständliche Formulierungen', eine 'Atmosphäre der Bespitzelung und Beschnüffelung' passe nicht zur Universität" ("Bayern lässt Hochschulen nach Islamisten suchen", SPON, 14.03.07).

Was Hüttenhofer zudem in seinem Schreiben vergessen hat zu erwähnen ist, daß das Ganze auf Druck des bayrischen Verfassungsschutzs ablief:

"Vor einigen Wochen, berichtet LMU-Kanzler Thomas May, gab es ein Treffen aller Kanzler der bayerischen Universitäten mit dem Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz. Von der allgemeinen Gefahrenlage war die Rede, wohl auch davon, dass einige Attentäter der letzten Zeit zuvor an Universitäten eingeschrieben waren - und im Nachhinein auch auffällig wirkten. Die Verfassungsschützer, so May im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE, baten darum, dass jede Hochschule einen Ansprechpartner für Sicherheitsfragen benennt. Die LMU nominierte Hüttenhofer." ("Bayern lässt Hochschulen nach Islamisten suchen", SPON, 14.03.07)

Besagter LMU-Kanzler Thomas May stellte sich dann auch hinter Hüttenhofer, dieser hätte vielleicht "weniger apodiktisch formulieren können", habe jedoch in der Sache recht. Auch der bayrische Innenminister Günther Beckstein verteidigte das Vorgehen und forderte generell die ganze Bevölkerung dazu auf, "höchste Wachsamkeit" zu leisten und "bei Auffälligkeiten" sofort die Sicherheitsbehörden zu informieren ("Höchste Wachsamkeit geboten, bei Auffälligkeiten Sicherheitsbehörden informieren", Telepolis, 14.03.07).

Doch nicht alle sehen das so positiv, die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth sagte gegenüber der FTD: "Ein solcher Aufruf erzeugt ein Klima der Hexenjagd, das uns im Kampf gegen internationalen Terrorismus nicht weiterbringt" ("Uni München bedauert Aufruf zur Islamisten-Suche", FTD, 15.03.07). Thomas Honesz, Asta-Vorsitzender an der LMU, sagte, in dem Rundschreiben drücke sich eine "problematische Tendenz zur Denunziationskultur" aus, es gehe nicht an, "muslimische Mitbürger unter Generalverdacht zu stellen" ("Schläfer-Suche an der Universität", sueddeutsche.de, 14.03.07). Inzwischen erwägt der bundesweite Dachverband der Studierendenschaften in Deutschland Klage gegen den "Spitzel-Aufruf" einzureichen:

"Der bundesweite Dachverband der Studierendenschaften in Deutschland hält die Forderung des Verfassungsschutzes für 'in keinster Weise gerechtfertigt'. 'Es kann kein Mittel sein, zu Spitzeltum aufzurufen und islamische Mitstudenten zu denunzieren', sagte Vorstandsmitglied Katharina Binz. Daher prüfe der Studenten-Verband ein juristisches Vorgehen." ("Studenten erwägen Klage gegen 'Spitzel-Aufruf"'", SPON, 15.03.07)

In der Tat kann sich so ein Aufruf ungünstig auf das Klima an der Universität auswirken, da es denkbar ist, daß einige muslimische Studierende zu unrecht "gemeldet" werden und wenn nicht gemeldet, sich vielleicht trotzdem in einer solchen Atmosphäre des ständigen Misstrauens nicht sonderlich wohl fühlen, sich zu unrecht beobachtet sehen. Und falls es wirklich gewaltbereite Fundamentalisten gibt, werden die sich als Antwort auf eine solche Initiative vermutlich nur noch besser tarnen und gänzlich in den Untergrund abtauchen.

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