Freitag, Dezember 08, 2006

Same procedure as every amok run

Seit dem glücklicherweise noch verhältnismäßig glimpflich ausgegangenen Versuch eines Amoklaufs in Emsdetten (Wikipedia) (es gab bis dato keine Toten), kommt der Begriff nicht mehr aus den Medien: "Killerspiele".

Zwar wurde von der Staatsanwaltschaft "allgemeiner Lebensfrust" als Motiv genannt und der Täter, Sebastian B., hat einen recht ausführlichen Abschiedsbrief hinterlassen (Telepolis, 21.11.06), in dem er seine Beweggründe schildert -- im öffentlichen Diskurs dominierten dennoch schnell wieder die jetzt so getauften "Killerspiele" als DIE Ursache für eine solche Tat schlecht hin.

Statt sich Gedanken darüber zu machen, was die tatsächlichen Gründe für eine solche Irrsinnstat sein können, wälzten sich die Politiker wie immer in solchen Fällen im puren Aktionismus und forderten ein Verbot der "Killerspiele". Niedersachsens Innenminister, Uwe Schünemann (CDU), kündigte eine Bundesratsinitiative zum Verbot gewaltverherrlichender Computerspiele an (heise newsticker, 21.11.06), der bayrische Innenminister Günther Beckstein (CSU) preschte sogar gleich mit einem Gesetzesentwurf vor (SPON, 05.12.06) und bekam als er dafür kritisiert wurde durch den brandenburgischen Innenminister, Jörg Schönbohm (CDU), Schützenhilfe (SPON, 06.12.06).

Same procedure as every amok run. So sah es zunächst aus, doch anders als sonst gingen die aktionistischen Vorschläge diesmal nicht ganz so schnell wieder unter. Grund dafür war auch ein für den 06.12. im Internet angekündigter weiterer Amoklauf in Baden-Württemberg. Das Kultusministerium reagierte panisch und warnte öffentlich einfach alle Schulen, weil es nicht wußte, welche konkret das Ziel sein sollte (SPON, 06.12.06). Der Effekt waren eine Massenhysterie in Baden-Württemberg und Trittbrettfahrer am Folgetag, die sich einen Jux daraus machten im Internet nicht ernstgemeinte Ankündigungen zu verbreiten (SPON, 07.12.06).

Der ursprüngliche "Nikolaus"-Amokläufer hatte seine Tat beim Counter-Strike spielen angekündigt. Ein zunächst als Zielperson ausgemachter 18jähriger Selbstmörder erwies sich jedoch nicht als Täter. Begründung der Ermittler: Auf seinem Computer konnten weder Hinweise auf einen geplanten Amoklauf noch "Killerspiele" festgestellt werden (SPON, 07.11.06).

Wie selbstverständlich wird heute immer eine Kausalität zwischen Amokläufern und "Killernspielen" als gegeben angenommen. Bei Wikipedia können wir jedoch nachlesen:

"Bisher ist ein eindeutiger wissenschaftlicher Beweis, dass Computerspiele einen immer gleichen, konstant negativen Einfluss auf den Konsumenten haben, ausgeblieben. Mittlerweile gibt es einen dritten, weitaus komplexeren Ansatz, nämlich, dass die Auswirkungen der Gewalt in Computerspielen vom konsumierenden Individuum bzw. seiner sozialen Situation abhängen. Diese These postuliert, dass ein familiär und sozial, d.h. freundschaftlich gebundener Mensch, der idealerweise auch mit Beruf, Ausbildung oder Schule zufrieden ist, viel eher allein aus dem Unterhaltungswert eines Computerspiels Nutzen zieht, als ein isolierter, unzufriedener Spieler, der eher am Aspekt der Brutalität eines Spiels Gefallen findet." (Wikipedia)

Es gibt also keinen empirischen Beweis für die These, daß der Konsum von gewaltverherrlichenden Spielen, einen negativen Einfluß auf die Konsumenten hat. Wenn jemand ohnehin psychisch labil ist, ein gewaltaffines Verhalten aufweist, dann ist er natürlich gefährdet sich durch solche Spiele noch weiter in seinen Wahn zu steigern. Die Masse der Jugendlichen die solche "Killerspieler" konsumiert mutiert aber eben nicht zu Amokläufern.

Das Spielen des beliebten Ego-Shooters Counter-Strike ist inzwischen zum Volkssport geworden (SPON, 02.12.06). Gute Spieler verdienen in Turnieren damit ihren Lebensunterhalt, "E-Sport" zählt inzwischen zu den vier mitgliedstärksten Vereinssportarten Deutschlands (polylux, 07.12.06). Auch wenn zu "E-Sport" natürlich nicht nur Ego-Shooter wie Counter-Strike zu zählen sind, wächst die Szene kontinuierlich. Counter-Strike verbieten zu wollen kommt der Idee gleich, Volleyball verbieten zu wollen.

Und selbst wenn Counter-Strike und andere "Killerspiele" verboten wären, was würde das ändern? Die Turniere würden im Ausland stattfinden, die Kids sich die Spiele aus dem Internet organisieren, potentielle Gewalttäter bei Bedarf auch weiterhin einen Zugang zu den Spielen finden. Die tatsächlichen Ursachen für das Durchdrehen der Amokläufer wären weiterhin nicht analysiert, das Problem bliebe weiterhin bestehen.

Besonders bizarre Früchte trägt die Panikmache in den Medien inzwischen in einem ganz anderen Fall: In Cottbus hat ein 19jähriger gestanden, einen Obdachlosen umgebracht zu haben. Als Grund nannte er unter anderem beim Computer spielen ständig verloren zu haben. Sein Spiel der Wahl war allerdings nicht ein typisches "Killerspiel" bei dem man andere Figuren umbringen muß, sondern "SmackDown vs. Raw", ein Wrestling-Spiel. Der Hirnforscher und Gewaltspiele-Kritiker Manfred Spitzer will nun ein Gutachten vorstellen, indem es um die Frage geht, ob "das Spielen solcher Computerspiele Einfluss auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten haben könnte" (SPON, 07.12.06). Milderne Umstände aufgrund des Konsums gewaltverherrlichender Computerspiele? Wo führt das hin? Wenn es nach Spitzer geht vermutlich in ein Totalverbot.

Statt eines Verbots sollte lieber die Frage eines verantwortungsvollen Umgangs mit gewaltverrlichenden Spielen diskutiert werden. Zu so einem verantwortungsvollen Umgang würde z.B. auch gehören, daß die Eltern ihren Sprösslingen öfter über die Schulter gucken, was die da eigentlich spielen und den Konsum ggf. einschränken. Vielleicht sollte man sich auch generell intensiver mit der Frage beschäftigen, wie sich diese Amokläufer ihrem Umfeld aus Freunden und Familie derart entziehen konnten.

Da der exzessive Konsum solcher Spiele zudem nicht der eigentliche Grund für die Amoktaten ist, muß auch allgemein einfach mehr in der psychologischen Betreuung von Jugendlichen getan werden. Andiskutiert wird in diesem Kontext auch immer wieder die Etablierung eines Schulpsychologen in jeder Schule. Gleichwohl man am Beispiel der USA sehen kann, daß auch dies nicht der Weisheit letzter Schluß sein kann.

Das Problem auf sog. "Killerspiele" zu reduzieren, deren Verbot dann entscheident zur Verhinderung solcher Taten beitragen soll ist dagegen nicht nur naiv, sondern auch fatal. Denn Scheindiskussionen verhindern immer, daß der eigentliche Kern des Problems angegangen werden kann.

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