Freitag, Juli 30, 2004

Doku-Sommer 2004: The Corporation

in ihrer kapitalismuskritischen dokumentation "the corporation" zeichnen die drei kanadier mark achbar, jennifer abbot und joel bakan anhand von einigen fallstudien die häßliche fratze der globalisierung nach. ein paar "lefties" aus dem untergrund prangern das geschäftsgebaren von großkonzernen an. ein nicht gerade neues konzept. dennoch ist the corporation ein sehenswerter und interessanter film.

die ausgangssituation gestaltet sich wie folgt: seit anbeginn des kapitalismus sind unternehmen immer mächtiger und einflußreicher geworden. juristisch gesehen ist das unternehmen dabei nach wie vor eine person. denkt man dieses konzept von einem unternehmen als "person" nun weiter und untersucht die person medizinisch, kommt man zu dem ergebnis, daß man einen psychopathen vor sich hat.

der film versteht sich also eine art "psychologische untersuchung" eines patienten namens "unternehmen" und kommt dabei (wie nicht anders zu erwarten) zu bitteren ergebnissen. wie psychopathen handeln unternehmen desktruktiv und ohne gewissen, sie besitzen zwar eine rechtspersönlichkeit, aber keine staatsbürgerlichen und sozialen pflichten, streben nur nach profit und entfalten dabei eine äußerst zerstörerische kraft.

um das zu untermauern kommen im film gleichermaßen globalisierungsbefürworter wie -kritiker zu worte. die interviewten werden dabei vorher darüber aufgeklärt, was die intention des films ist und werden dann anschließend in die zange genommen. an ganz konkreten fallbeispielen wird außerdem verdeutlicht, wie die multis überall auf der welt menschen ausbeuten. das ist ansich nichts neues, aber die einzelnen beispiele sind so noch nicht alle bekannt gewesen und in der tat äußerst erschreckend.

chancen auf veränderung sehen die autoren nicht, da das kapitalistische system keine alternative, sozialere, dem unternehmen entsprechende organisationsstruktur zuläßt. so gesehen betreibt der film eine art "verkürzte kapitalismuskritik": im fokus der kritik liegen nur die unternehmen, nicht das system als solches, in dem die unternehmen eingebettet sind. der film bietet also keinen lösungsvorschlag an (mal abgesehen vom klassischen, globalisierungskritischen aktivismus einiger NGOs, der aber auch nur sehr beschränkt wirkt), er analysiert zunächst nur das problem oder zumindest einen teil des problems. im späteren verlauf werden dann leider nur noch die verfehlungen des "patienten unternehmen" aufgelistet, während die analyse seiner "psychopathischen persönlichkeit" immer weiter im hintergrund verschwindet.

der anspruch den die drei filmmacher hegen beschränkt sich nach eigener aussage in erster linie darauf, dem zuschauer zu verdeutlichen, wie sehr die großkonzerne meinungsfreiheit und menschenrechte gefährden. und zumindest das gelingt dem film durchaus. so ist es ausgesprochen erschreckend zu sehen, wie etwa ein konzern wie bechtel in bolivien sein recht auf jeden regentropfen durchsetzt oder wie monsanto jede kritische berichterstattung über seine medikamente zu unterdrücken weiß.

the corporation läuft zur zeit in einigen wenigen us-kinos, ob der film auch in deutschland zu sehen sein wird, ist noch nicht bekannt.

- Offizielle Homepage des Films
- IMDb-Eintrag

Weitere Informationsquellen dieses Eintrags:

- http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,304353,00.html
- http://www.heise.de/tp/english/inhalt/kino/17830/1.html

Donnerstag, Juli 29, 2004

Doku-Sommer 2004: Super Size Me

in seinem film "super size me" ernährt sich der regisseur morgan spurlock einen monat lang, drei mal täglich ausschließlich von fast food bei mcdonalds. er dokumentiert seinen körperlichen wie psychischen verfall und fühlt zeitgleich der lebensmittel-industrie in den usa auf den zahn; verdeutlicht wie amerikaner schon als kinder vom fast food abhängig gemacht werden.

zunächst erscheint das ganze nicht so sonderlich interessant. ich meine, daß der übermässige konsum -- oder der konsum von fast food überhaupt -- nicht sonderlich gesund sein kann, das wußten wir auch vorher schon und das erahnen selbst die amerikaner, die dieses zeug noch weitaus exzessiver in sich reinschauffeln, als der durchschnittseuropäer.

aber, daß es SO gefährlich ist, wie es im film verdeutlicht wird, das war vorher wohl nur den wenigstens klar. spurlock geht vor seinem experiment zu drei verschiedenen ärzten, die ihm unabhängig voneinander bestätigen, daß er kerngesund und topfit ist (noch weit über dem amerikanischen durchschnitt). nur drei wochen später wird ihm geraten, das experiment sofort abzubrechen. seine werte sind derart katastrophal, daß sein körper droht irreperablen schaden zu nehmen. doch spurlock zieht sein experiment weiter durch, insgesamt volle vier wochen lang.

natürlich kann man keinen film allein darüber machen, wie ein mensch drei mal pro tag fast food in sich hineinstopft. spurlock durchleuchtet das problem genauer. er zeigt auf, daß die lebensmittel-industrie gar kein interesse daran hat, gesünderes essen herzustellen, daß kinder schon in der schul-kantine mit fast food vollgestopft werden. bei einem test erkennen nur wenige kinder george washington auf einem bild wieder, jeder erkennt dagegen sofort ronald mcdonald.

spurlock zeigt menschen auf dem krankenbett, die kurz davor stehen sich den magen verkleinern zu lassen, weil sie 8 liter softdrinks pro tag trinken und zeitgleich entsprechende massen an fettreicher nahrung zu sich nehmen. das problem ist, daß man überall in den usa das fast food auch in größe "super size" bekommt, was dem kunden für ein paar cent mehr offeriert wird. und jeder bestellt seine pommes dann "supersized", obwohl eine einfache portion zur sättigung völlig reicht (zwischen normal und supersized gibt es wohlgemerkt noch 2 oder 3 weitere zwischengrößen). selbst getränkehalter in autos mußten inzwischen vergrößert werden, weil die amerikaner sich 2 liter becher mit cola gönnen.

den irrsinn kann spurlock aber auch ganz trivial aufzeigen, wenn er z.b. auf einer karte von manhattan markiert, wie viele mcdonalds filialen es dort gibt. mit dem resultat, daß die karte in einem meer von roten fähnchen verschwindet. es sind diese szenen, die einem das meiste gruseln verursachen, weil man es es sich in dieser extremen form nicht hat vorstellen können.

er beleuchtet aber auch die klage von kunden gegen mcdonalds, die anführen, daß sie von mcdonalds systematisch abhängig gemacht wurden und niemand sie über die folgewirkungen aufgeklärt hätte. hier geht es also um den streitpunkt, wo hört die eigenverantworlichkeit des individuums auf, wo muß man die unternehmen in verantwortung nehmen. die klage wurde schließlich abgewiesen. anders als bei den tabakkonzernen kann die lebensmittelindustrie in den usa nicht belangt werden, obwohl es hier durchaus parallelen gibt, wie der film deutlich macht.

trotz mehrfacher versuche hat spurlock niemanden von mcdonalds zu einem interview bewegen können. nach veröffentlichung seines films, wurden aber zumindest die super size angebote aus dem programm genommen (fürs erste) und mcdonalds bietet jetzt verstärkt salate an, deren dressing dann aber wieder mehr kalorien enthält, als ein bigmäc. er hat außerdem das mcdonalds-argument als falsch entlarvt, demnach die mehrheit der ernährungsberater in den usa fast food als ungefährlich einstuft. das genaue gegenteil ist der fall.

super size me läuft seit dem 15. juli in den deutschen kinos.

- Offizielle Homepage des Films (de)
- IMDb-Eintrag

Weitere Informationsquellen dieses Eintrags:

- http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/kino/16627/1.html
- http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/kino/17882/1.html
- http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,308796,00.html
- http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,308577,00.html

Dienstag, Juli 27, 2004

Doku-Sommer 2004: The Backyard

paul hough zeigt in seinem film "the backyard" eine art jackass für fortgeschrittene: perspektivlose, weiße jugendliche veranstalten im hinterland und auf hinterhöfen eine extreme form des aus dem fernsehen allgemein bekannten wrestlings. man bekommt einblicke in eine subkultur in der ritualisierte gewalt derart selbstverständlich geworden ist, daß einem angst und bange werden kann.

mit stacheldraht bestückte baseballschläger, ein mit glasscherben und reißzwecken überzogener boden und eine alu-leiter von der aus man springen kann, sind die grundutensilien dieses neuen freizeitvergnügens. wie im fernsehen springen die kontrahenten aufeinander rum und drangsalieren sich mit diversen gegenstände. nur, daß der backyard die realität ist, in der echtes blut spritzt. je mehr, desto besser. die akteure berichten sogar, daß man vor dem kampf idealerweise aspirin nimmt, weil dies angeblich das blut soweit verdünnt daß es anschließend umso intensiver fließt, wenn man sich eine platzwunde zuzieht.

die gleichsetzung von gewalt mit unterhaltung und freizeitspaß ist hier so tief in den köpfen verwurzelt, daß sie nicht mal mehr von den erwachsenen hinterfragt wird. zwar werden im film auch eltern gezeigt, die schwer schockiert sind und in tränen ausbrechen, wenn sie sehen was ihre kinder dort treiben, doch die mehrheit feuert sie an, ist stolz darauf was der eigene nachwuchs dort veranstaltet. und selbst wenn nicht, lautet der tenor zumindest: besser sie prügeln sich bis das blut in strömen fließt, als daß sie drogen nehmen oder den ganzen tag nur auf der straße rumlungern. und -- man mag es kaum glauben -- selbst die schule beteiligt sich und nimmt das backyard-wrestling kurzerhand in den leistungskurs auf.

fast alle protagonisten äußern den traum es auf diesem weg in eine der teuren profi-wrestling-schulen zu schaffen, obwohl das was dort gelehrt und anschließend im fernsehen zelebriert wird, nicht viel mit dem backyard-wrestling zu tun hat. das ist ihre vision eines sozialen aufstiegs. und wenn ihnen das nicht gelingt, dann bleibt ihnen zumindest die anerkennung der freunde, der familie und der nachbarschaft. eventuelle spätfolgen des harten körpereinsatzes sind ihnen dagegen völlig gleich. anders als fight club ist "the backyard" nicht fiktiv und die motivation der kämpfer ist kein aus dekadenz herausgeborener selbstfindungstripp, sondern schlicht das anerkennungsbedürfnis einer sozialbenachteiligten bevölkerungsschicht.

the backyard läuft seit dem 22. juli in den deutschen kinos.

- Offizielle Homepage des Films (de)
- IMDb-Eintrag

Weitere Informationsquellen dieses Eintrags:

- http://www.schnitt.de/filme/artikel/the_backyard.shtml
- http://www.kino-zeit.de/filme/artikel/1229_the-backyard.html
- http://www.br-online.de/kultur-szene/film/kino/0406/03221/

Montag, Juli 26, 2004

Doku-Sommer 2004: Ken Park

"ken park" paßt nicht wirklich in diese reihe, weil es ein spielfilm ist, keine dokumentation im herkömmlichen sinne. allerdings nimmt der film für sich in anspurch durchaus die realität zu dokumentiern. in vier episoden (die alle auf wahren begebenheiten beruhen sollen) erzählt der film von problemen die jugendlichen heute in der pubertät haben und dokumentiert dabei ihre sexuellen erfahrungen. wobei hier negative entwicklungen im vordergrund stehen, es geht darum, dysfunktionen in der gesellschaft aufzuzeigen.

die expliziten sexszenen machten den film schon früh zum skandal und der regisseur larry clark wurde seinem ruf als provokateur mal wieder gerecht. bekannt geworden ist clark durch seinen kultfilm kids, der eine gruppe von teenagern in new york zeigt, wie sie sich sorglos durchs leben feiern und dabei mit HIV infizieren. ein bedrückender und erschütterner film.

von der metropole new york ist clark diesmal in die us-amerikanische provinz gezogen und verdeutlich in ken park die doppelmoral und prüderie der bigotten us-gesellschaft. auch wenn der film formal über das leben heranwachsender berichtet, zielt seine kritik doch auf das verhalten der erwachsenen ab, deren fehlverhalten sich dann in den verhaltensmustern der jugendlichen widerspiegelt.

inwiefern es wirklich nötig ist, sexuelle erfahrungen derart freizügig darzustellen ist natürlich umstritten. manche kritiker halten den film einfach nur für pornographie, andere halten die darstellung des realismus wegen für richtig, weil hierüber auch die unsicherheit der protagonisten transportiert wird. besonders die allerletzte szene (eine orgie) wird jedoch als völlig überzogen und unnötig gewertet.

dennoch wird gerade die "skandalisierung" des films zu PR-zwecken ausgeschlachtet, so wirbt die offizielle website z.b. damit, daß der film in den usa zensiert und in australien ganz verboten wurde.

ken park läuft seit dem 22. juli in den deutschen kinos.

- Offizielle Homepage des Films (de)
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Weitere Informationsquellen dieses Eintrags:

- http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,309770,00.html
- http://www.wams.de/data/2004/07/18/306798.html
- http://www.filmstarts.de/kritik/ken%20park.html

Freitag, Juli 23, 2004

Doku-Sommer 2004: Gunner Palace

wem filme wie "fahrenheit 9/11" oder "outfoxed" zu einseitig und zu plakativ sind, der findet vielleicht gefallen an michael tuckers "gunner palace". von der FASZ ausgegraben und vom SPIEGEL übernommen, wird gunner palace zu einer art "anti-moore-film" deklariert, der die us-truppen in einem ganz anderen licht erscheinen läßt.

tucker nimmt die position eines "embedded journalists" ein, der mit den soldaten unterwegs ist und so einen hautnahen eindruck ihres alltags, ihrer verhaltenweisen und ansichten bekommt. dabei hat er nicht anspruch, objektiv zu sein, sondern räumt offen ein, daß er am ende nicht mehr "sie", sondern "wir" gesagt hat, sich also als ein teil der einheit gefühlt hat, die er begleitet hat. das wirkt sich durchaus positiv auf den film aus, weil tucker im umkehrschluß von den soldaten nicht mehr als fremder, als beobachter wahrgenommen wird, sondern als einer der ihren. das sind ideale voraussetzungen, wenn man soldaten in ihrem normalen verhalten beobachten will ohne daß der eindruck entsteht, sie spielten jetzt etwas vor, weil die kamera mitläuft.

obwohl tucker nichts inszenieren will, wirkt der film kritikern zufolge dennoch oft genau so. zum beispiel, wenn soldaten in ihrem verhalten ganz bewußt posen nachahmen, wie sie sie aus vietnam-filmen kennen. der regisseur muß also nichts inszenieren, weil sich die protagonisten auch ohne sein zutun in ihrem alltag ständig selbst inszenieren, egal ob da nun eine kamera läuft oder nicht. es sind einfach bestimmte posen und riten, die sie übernommen haben und fortführen.

man könnte tucker vielleicht vorwerfen, er würde den alltag verharmlosen. während immer wieder neue foltervorwürfe auftauchen, filmt er beispielsweise, wie die soldaten höflich und zuvorkommend mit ihren gefangenen umgehen. oder daß er irgendwelche rührseligen szenen aus dem privatleben der soldaten zeigt und so mißstände kaschiert, indem er sie mit der message "soldaten sind auch nur menschen" überplättet. höchstwahrscheinlich menschelt es an allen ecken und enden in seinem film. dennoch wirken die szenen angeblich selten übertrieben pathetisch und auf polemik wie sie als stilmittel in einem moore-film unerläßlich ist, verzichtet tucker ganz. ein abschließendes urteil kann ich mir allerdings erst bilden, wenn ich den film gesehen habe.

bisher konnte tucker noch keinen verleih für seinen film finden, momentan sind filme die den irak-krieg in ein positives licht rücken, nicht sonderlich beliebt. besonders nicht in deutschland, wo michael tucker zur zeit lebt. auf seiner website finden sich jedoch zumindest trailer.

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Weitere Informationsquellen dieses Eintrags:

- http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,309205,00.html

Donnerstag, Juli 22, 2004

Doku-Sommer 2004: Outfoxed

in "outfoxed -- rupert murdoch's war on journalism" beleuchtet der regisseur robert greenwald die methoden des einflußreichen us-fernsehsenders "fox news". fox news gehört zum netzwerk des erzkonservativen medienmoguls rupert murdoch und ist während des irak-krieges endgültig zu einem reinen propaganda-kanal der republikaner verkommen, so der vorwurf von greenwald.

dabei stört ihn nicht, daß der sender konservativ ist, sondern daß dort nur noch einseitig wahlwerbung für die republikaner gemacht wird, während man zeitgleich von sich behauptet, überparteilich und unabhängig zu sein. von einer ausgewogenen berichterstattung kann aber in den nachrichtensendungen von fox news keine rede sein. da wird die wiederwahl von bush im november schon mal zum tatbestand erklärt, mitarbeiter kriegen konkrete anweisungen wie sie über den krieg zu berichten haben (das positive ist zu betonen), der patriotismus von bush-kritikern wird permanent in frage gestellt, studiogäste kommen mehrheitlich fast ausschließlich aus dem konservativen lager, gäste mit abweichender meinung dürfen nicht ausreden oder werden ausgeblendet, usw., usf.

greenwald macht dabei keinen hehl daraus, daß sein film von demokraten finanziert wurde. für sich selbst nimmt er im gegensatz zu den fox news auch gar nicht in anspruch, objektiv zu sein. systematisch zerlegt er das programm des senders, zeigt auf, wo und wie wahlwerbung für die konservativen gemacht wird und wie das dann als neutrale berichterstattung verkauft wird.

eher linksliberal orientierte sender wie cnn oder cbs mußten während des krieges dann auf den patriotismus-zug der fox news aufspringen, um nicht als vaterlandsverräter denunziert zu werden und an quote zu verlieren. gewonnen hat das rennen um die quote dann am ende trotzdem fox news, das heute der meistgesehene nachrichtenkanal der usa ist.

anders als etwa moores "fahrenheit 9/11" gibt es "outfoxed" jedoch nicht im kino zu sehen, sondern nur auf dvd zu bestellen. was sich für die macher als glücksgriff erwies, der film führt die dvd-charts in den usa teilweise sogar an. auch wenn es den film in deutschland noch nicht gibt, kann er übers internet in den usa bestellt werden, z.b. bei amazon. allerdings weiß ich nicht, ob so eine dvd in europäischen dvd-playern abspielbar ist, da gibt's ja immer noch diese hürde mit den ländercodes.

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Weitere Informationsquellen dieses Eintrags:
- http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/17932/1.html
- http://www.dradio.de/dlf/sendungen/marktundmedien/286694/

Mittwoch, Juli 21, 2004

Doku-Sommer 2004: Fahrenheit 9/11

michael moore hat es mal wieder geschafft: sein neuster film "fahrenheit 9/11" bricht in den usa alle rekorde und wird wohl auch hier in europa einen ähnlichen siegeszug antreten. ursächlich dafür ist weniger die brisanz des inhalts, als viel mehr der medienhype der um diesen film herum entstanden ist.

eigentlich geht es in diesem film um das mißmanagement der us-administration nach den anschlägen vom 11. september 2001, es geht um die verbindungen der familien bush und bin laden, es geht um die ökonomische ausbeutung des landes durch bush und seine kaste, es geht um kriegsführung aus einer fragwürdigen motivation heraus, es geht um macht und interessenvertretung. doch liest man sich die diversen artikel zu diesem film durch, dann fällt auf, daß der film dort wenn überhaupt dann nur am rande inhaltlich diskutiert wird. vielmehr geht es darum, wer für diesen film ist und wer gegen ihn, wer und was ihn zu bremsen versucht, wer und was ihn fördert. der film ansich ist zum politikum geworden, dahinter steht der eigentliche inhalt immer weiter zurück.

dafür kann man einige gründe anführen, z.b.: der film sagt inhaltlich nicht viel aus, was dem aufgeklärten und informiertenm bürger nicht ohnehin schon klargewesen wäre. der film erscheint -- wohl nicht ganz zufällig -- mitten im us-präsidentschaftswahlkampf. er wird in folge dessen von kritikern und bush-sympathisanten als einseitiger propaganda-streifen wahrgenommen, dessen einziges ziel es ist, bush aus dem amt zu bekommen (was moore wahrscheinlich nicht mal abstreiten würde). in einer phase, in der sich bush-gegner und -befürworter angespannter und aggressiver denn je gegenüberstehen, mutiert ein film wie "fahrenheit 9/11" schnell zum gegenstand eines regelrechten "kulturkampfes".

so läßt sich auch die geschichte des films in mehreren "hype-stufen" nachzeichnen:

1. hype-stufe: der film wird von miramax produziert, das aber zu disney gehört. bei disney erkennt man die vermeintliche politische brisanz des films und will ihn kippen. es riecht nach zensur, was moore für sich und seinen film PR-wirksam zu nutzen weiß. schließlich erscheint der film dann direkt bei miramax.

2. hype-stufe: der film gewinnt in cannes die goldene palme, was seit knapp 50 jahren keinem dokumentarfilm mehr vergönnt war. nun reißen sich die vorher verhaltenen us-verleiher auf einmal um den film.

3. hype-stufe: einige republikaner versuchen eine kampagne gegen den film zu starten und denunzieren ihn als unpatriotisch und amerikafeindlich. doch der schuß geht nach hinten los, der film erhält in der öffentlichkeit jetzt nur noch umso mehr aufmerksamkeit. den glühenden gegnern stellen sich ebenso glühende moore-unterstützer entgegen.

4. hype-stufe: der film wird in den usa erst ab 17 jahren freigegeben. zunächst ein rückschlag für moore, weil das die anzahl der potentiellen zuschauer einschränkt. doch am ende spielt auch das moore nur wieder in die hände, weil sich in der öffentlichkeit der eindruck verstärkt, der film solle mit allen mitteln und tricks kleingehalten werden.

5. hype-stufe: moore erklärt öffentlich, daß er kein problem damit habe, daß der film über tauschbörsen im internet weiterverteilt wird. schließlich ginge es ihm um aufklärung, nicht darum noch mehr geld zu scheffeln. auf seiten des studios sieht man das verhaltener, muß dann aber notgedrungen auf moores linie schwenken. der rest der filmindustrie läuft sturm gegen diesen vorstoß von moore, sieht sie so doch alle bemühungen die illegale weiterverbreitung von filmen einzudämmen und das ökonomisch wie moralisch zu begründen, konterkariert.

6. hype-stufe: wann immer sich moore-befürworter im falschen gefilde outen, gibt es einen einen kleinen eklat und damit auch wieder eine neue pressemeldung. so wurde die country sängerin linda ronstadt nach einem auftritt in einem hotel vom überwiegend konservativen publikum rüde beschimpft und ausgebuht, weil sie geäußert hatte, man solle sich "fahrenheit 9/11" unbedingt ansehen, es sei ein film der die wahrheit dokumentiere.

egal was versucht wurde, den hype um "fahrenheit 9/11" einzudämmen, stets gab es die umgegekehrte wirkung: moore bekam nur noch umso mehr aufmerksamkeit in der öffentlichkeit, was dann wiederum den bekanntheitsgrad des films immer weiter nach oben trieb und damit am ende auch die zuschauerzahlen. dennoch bleibt natürlich die anzahl der kinos in denen der film in den usa zu sehen ist klein, verglichen mit "normalen" filmen wie shrek2 oder spiderman2, die man in nahezu jedem kino zu sehen bekommt. umso wichtiger war der medienhype für den erfolg von "fahrenheit 9/11" in den usa.

fahrenheit 9/11 läuft seit dem 29. juli in den deutschen kinos.

- Offizielle Homepage des Films
- IMDb-Eintrag

Weitere Informationsquellen dieses Eintrags:

- SPON: Disney blockiert die Bush-kritische Doku "Fahrenheit 9/11"
- SPON: Goldene Palme für Moores "Fahrenheit 9/11" in Cannes
- SPON: US-Verleiher reißen sich um Moore-Film nach Cannes
- SPON: Miramax kauft "Fahrenheit 9/11" von Disney zurück
- SPON: US-Patrioten rufen zum Boykott von "Fahrenheit 9/11" auf
- SPON: "Fahrenheit 9/11" in den USA erst ab 17 freigegeben
- SPON: US-Presseschau zu "Fahrenheit 9/11"
- SPON: "Fahrenheit 9/11" bricht Kassenrekord für Dokumentarfilme
- SPON: "Fahrenheit 9/11" mobilisiert die Massen
- SPON: Moore gibt seinen Film zur Weiterverbreitung im Netz frei
- SPON: Ronstadt wegen "Fahrenheit 9/11" Unterstützung ausgebuht
- SPON: Bilder wie Bomben
- SPON: Zur Deutschlandpremiere von "Fahrenheit 9/11"
- SPON: Moores vereinfachte Welt
- Jungle World: Günter Wallraff über Michael Moore
- Der Tagesspiegel: Was Europäer von "Fahrenheit 9/11" lernen können
- Telepolis: Bei Disney mag man mit Michael Moore nichts zu tun haben
- Telepolis: Ist die Irak-Politik von Bush nicht jugendfrei?
- Telepolis: Moore: "Raubkopieren ist erlaubt, solange niemand daran verdient"
- Telepolis: Über die "geheime Europapremiere" von "Fahrenheit 9/11" in Berlin

Sonntag, Juli 18, 2004

medienkritik -- fazit

alle drei artikel haben nichts weltbewegend neues zu tage gefördert. die kritik an den massenmedien im allgemeinen und dem fernsehen im speziellen existiert schon solange wie es diese medien gibt. wenn man jedoch der these folgt, daß sich deutschland in einer allgemeinen krise befindet, muß man die ursprünge dieser krise sicherlich nicht nur auf einer ökonomischen, sondern auch auf einer gesamtgesellschaftlichen ebene suchen. dazu gehört auch eine kritische betrachtung der massenmedien, wie sie auf die öffentlichkeit wirken, sie bestimmen. hier kann man meiner meinung nach schon eine zunehmende steigerung ins negative verorten. ein blick ins aktuelle fernsehprogramm taugt ganz gut, sich die zunehmende verelendung vor augen zu führen.

solche "kulturpessimistischen" artikel, wie sie hier vorliegen, kann man natürlich als zu wertkonservativ und elitär abtun. die situation ist jedoch eine andere als früher, denn die kulturkritik am fernsehen ist heute weniger moralischer und ästhetischer natur, sondern viel mehr pragmatisch und rational, wie mohr mit bezug auf stölzl ganz richtig schreibt:

(...) Plötzlich erscheint das alte kulturkritische Ressentiment gegenüber dem Fernsehen in neuem Licht: Die Kritik an Geschmacklosigkeit und schleichender Verblödung ist hier im Kern nicht mehr moralisch, sondern pragmatisch, nicht vorrangig ästhetisch, sondern ganz rational: Wenn tatsächlich immer mehr "Dumme" auf diese Weise nur noch dümmer werden sollten und die wenigen Klugen, falls sie noch zuschauen, jedenfalls nicht mehr klüger würden, dann wäre der Bildungssaldo negativ, und die ganze Gesellschaft trüge den Schaden davon - politisch, ökonomisch, kulturell. Genau danach sieht es derzeit aus (...)

Samstag, Juli 17, 2004

medienkritik vol. 3 -- das fallbeispiel sabine christiansen

walter van rossum beschäftigt sich in seinem ursprünglich in der frankfurter allgemeinen sonntagszeitung erschienenden artikel mit sabine christiansen. das ist sein lieblingsthema zu dem er bereits ein buch veröffentlicht hat. van rossums these ist, daß in der sendung von christiansen beständig verschiedene reformvorschläge vorgestellt werden, zu denen die teilnehmenden talk-gäste in wahrheit gar keine unterschiedliche ansichten vertreten:

(...) Sabine Christiansen funktioniert als eine Tonspur in der Endlosschleife mit den stets gleichen Figuren, die bloß unterschiedliche Namen tragen. Transkribierte man die Palavermasse - 98 Prozent des Wortumsatzes ließe sich keiner Person oder einem eigenen Programm zuordnen. Heinrich von Pierer, Friedrich Merz, Wolfgang Clement mögen sich genetisch unterscheiden, rhetorisch tun sie es nicht (...)

es geht also darum, daß nicht wirklich alternativen zu bestimmten konzepten diskutiert werden, sondern die vorgestellten alternativen alles nur schein-alternativen sind. aus diesem mißstand leitet van rossum nun die these ab, daß das eigentliche problem in deutschland die "intellektuelle verfassung der öffentlichkeit" ist:

(...) Der vordringliche Sanierungsfall im angeblichen Sanierungsgebiet Deutschland ist die intellektuelle Verfassung der Öffentlichkeit (oder ihres medialen Simulakrums) selbst. Das Zentralkomitee der Sabine-Christiansen-Demokratie wird irgendwann an den Folgen jahrelangen Inzests eingehen (...)

unterm strich geht es nach meinung van rossums bei christiansen lediglich darum, daß allwöchentlich "die wünsche der chefetage ans volk durchgereicht" werden:

(...) Das Weltbild, das bei Sabine Christiansen zusammengeplappert wird, ist nicht neu und keineswegs exklusiv. Es ist nicht einmal besonders "deutsch". Doch im Sendegebiet der deutschen Kampfzone dürfte es keine politische Talkshow geben, die auf ähnliche Weise die Wünsche der Chefetage ans Volk durchreicht - und dabei eine unschlagbare journalistische Unbedarftheit an den Tag legt (...)

frotzelnd beendet van rossums seinen artikel mit den sätzen:

(...) Bei Sabine Christiansen staut sich der dräuende Fluß der Zeit zu einem schier uferlosen Teich. Alle Aktualität gerinnt zu kleinen Ewigkeiten. Jedes dieser hochartifiziellen Gespräche über angeblich hochbrisante Aktualitäten hätte (wie die vertauschte Neujahrsansprache von Helmut Kohl) auch ein Jahr früher oder später stattfinden können. Allenfalls beiläufige Requisiten der Zeitgeschichte müßten angepaßt werden. Sabine Christiansen arbeitet Themen und Probleme in universelle Erzählstrukturen um - in Sagen, Legenden, Komödien, Tragödien, in Heldenepen und immer in ihr eigenes Märchen von dem armen Mädchen, die zur Chefsekretärin des Juste-milieu wurde, weil sie furchtlos eklige Politiker zu küssen wagte.

Freitag, Juli 16, 2004

medienkritik vol. 2 -- das ende der kritik

norbert bolz, professor für medienwissenschaften an der technischen universität berlin, hat für den kulturspiegel einen artikel mit dem titel "warum denken unmodern ist" verfaßt, in dem er beschreibt wie in den massenmedien diskussionen durch emotionen verdrängt werden, wie kritik durch moral ersetzt wird:

(...) Moderne Streitkultur, der Stolz der westlichen Welt, hat sich längst in Talk aufgelöst; und dieser nimmt neuerdings einen Aggregatzustand an, den man als neue Flauschigkeit bezeichnen könnte. Wir haben es offensichtlich mit einer Devolution vom aufgeklärten Streit, der soziale Konflikte artikuliert, zum Geschwätz der Talkshows und schließlich zur Schmusewelt des Politainment zu tun. Die Diagnose lautet ganz einfach: Ende der Kritik.

In der von den Massenmedien formatierten Öffentlichkeit wird Kritik durch Moralisierung ersetzt. Statt über die komplexen Sachverhalte der modernen Welt zu diskutieren, erspart uns der einfache Code der Moral, nämlich Loben oder Tadeln, das Nachdenken. Loben heißt konkret Marketing. Das Tadeln wird als Skandal inszeniert. Bücher, Theateraufführungen und Ausstellungen werden nicht mehr kritisch rezensiert, sondern enthusiastisch angepriesen. Die Folge: Elke Heidenreich hat mit ihrer Wohlfühl-Literatursendung "Lesen!" mehr Einfluss auf die Bestsellerlisten, als dem lautstark diskutierenden "Literarischen Quartett" von Marcel Reich-Ranicki je vergönnt war (...)

im folgenden stellt bolz u.a. information und kommmunikation gegeneinander. der mensch strebe weitaus stärker nach kommunikation, als nach information, da ihn letztere verunsichere. kommunikationen verleihen ihm dagegen durch redundanz und resonanz sicherheit:

(...) Das Internet und das Fernsehen präsentieren Information als Fetisch und Kommunikation als Kult - man denke nur an Talkshows und Chatrooms. Nicht was, sondern dass geredet wird, zählt, und je mehr, desto besser. Kommunikative Lust hat mit Information nichts zu tun. Es geht um Geschwätz, Dabeisein - "Hallo, ich bin's ..." Kein Mensch strebt, Aristoteles zum Trotz, von Natur aus nach Wissen. Und außer einigen Geschäftsleuten und Wissenschaftlern will auch niemand ständig Informationen abrufen. Informationen verunsichern nämlich. Kommunikationen dagegen verleihen Sicherheit, und zwar gerade durch das Gegenteil von Information: Redundanz, Resonanz - kurz: Geschwätz (...)

im letzten artikel dieser kleinen trilogie hier geht es um einen artikel von walter van rossum, der am fallbeispiel der talkshow "sabine christiansen" zu verdeutlichen versucht, daß der kern der deutschen krise in der intellektuellen verfassung der öffentlichkeit zu suchen ist.

Donnerstag, Juli 15, 2004

medienkritik vol. 1 -- das coole trash-fernsehen

vermehrt werden in letzter zeit im spiegel (und anderen printmedien) artikel veröffentlicht, die sich kritisch mit der deutschen medienlandschaft und speziell dem fernsehen auseinandersetzen. exemplarisch will ich hier kurz drei dieser artikel vorstellen, da sie mir interessant erscheinen.

reinhard mohr beklagt in seinem zwei teiler "schönes neues fernsehen" (teil 1 hier, teil 2 hier) die zunehmende verwahrlosung des deutschen fernsehens. im ersten teil beschreibt er, wie die öffentlich-rechtlichen programme sich immer mehr dem geringen niveau der privaten sender anpassen. zwar gäbe es noch qualitätssendungen, diese würden dann aber irgendwo ins nachtprogramm verband, weil auch im öffentlich-rechtlichen inzwischen könig quote herrscht.

im zweiten teil führt er aus, daß sich zunehmend auch intellektuelle zum trash-fernsehen bekennen, weil das als "cool" gilt, während das ewige herumnörgeln am sinkenden niveau keiner mehr hören möchte. bildung und wissen sind nur noch ein spartenprogramm für eine elitäre minderheit, während die mehrheit der ungebildeten massen das ruder längst übernommen hat:

(...) Bei "Big Brother 2" waren die Fernsehzuschauer kürzlich Zeuge, wie ein Container-Insasse auch beim siebten oder achten Versuch das Wort "Kieferorthopäde" nicht richtig aussprechen konnte. Der junge Mann hatte das Wort noch nie in seinem Leben gelesen. So geht die Generation Pisa ihren Weg.

Vor Jahren schon staunte der Autor Michael Rutschky über die "kulturell siegreiche Arbeiterklasse", die per Fernbedienung die Herrschaft über das Massenmedium erobert habe, und "Zeit"-Redakteur Jörg Lau stellte ironisch übertreibend und zugleich fast bewundernd fest: "Der entfesselte Pöbel (alle außer uns) dreht hier ohne leiseste Zeichen von Scham die Glücksräder, plaudert von seinen erstaunlichen sexuellen Gepflogenheiten, lässt sich unter mildem Zotengeplapper verkuppeln oder feiert vor Millionen... tränenreich Versöhnung" (...)

im zweiten artikel des medienwissenschaftlers norbert bolz geht es allgemeiner um die von den massenmedien formatierte öffentlichkeit.